Kapitel 6

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Nach Luft japsend fuhr Malia hoch und tastete einige Augenblicke blind ihre Umgebung ab, bis sich der Nebel vor ihren Augen langsam lichtete. Für ihren Geschmack hatte sie in letzter Zeit zu viele dieser Momente gehabt.

»Na endlich, Dornröschen.«

»Wir haben uns schon Sorgen gemacht!«

Sie saßen viel zu dicht an der Oberfläche. Wenn sie wirklich gewollt hätten, hätten sie Malia einfach überrollen können und sie hätte nichts dagegen tun können.

»Sie ist aufgewacht.« Leises Gemurmel. Malia zuckte zusammen, als sich eine Hand vorsichtig auf ihre Schulter legte.

»Geht es dir gut?« Besorgte braune Augen musterten sie. Sie rieb sich die Augen und setzte sich ächzend auf.

»Wo bin ich?«, wollte Malia wissen. Sie saß auf einem tiefen Samtsofa, in einem Raum, der wohl zur Präsidenten Suite gehören musste, so wie alles aussah.

Funkelnde Kristalllüster, die von einer hohen, mit Stuck verzierten Decke hingen, teure Tische aus dunklem Mahagoni, Gemälde und Spiegel, die zusammen mit breiten Regalen die Wände schmückten und mehrere weinrote Sessel und Sofas, die entfernt an römische Liegen erinnerten. Alles wirkte wie eine Mischung aus altem römischen Reich und griechischer Antike.

»Im Wartezimmer. So bezeichnen es jedenfalls wir.« Nervöses Gelächter. Langsam wurden Unterhaltungen wiederaufgenommen und Malia sah sich genauer um.

Sie zählte die Anwesenden schnell durch. Achtzehn Mädchen saßen in diesem Raum. Achtzehn Mädchen, eine schöner als die andere.

»Ich bin Freya.« Das Mädchen neben ihr streckte ihr die Hand entgegen. Sie war blass, sie waren irgendwie alle blass, bis auf zwei, drei. Malia ergriff sie und runzelte die Stirn, als sie sich berührten. Sie war nicht so fest, wie Malia es von einer Hand erwartet hatte.

»Malia.«, murmelte sie.

Freya musste ihre Verwirrung wahrgenommen haben, denn sie erwiderte nüchtern »Wie lange bist du schon hier?«

»Ich weiß nicht, zwei Tage?« Freya schürzte die Lippen und nickte, während sie sich im Raum umsah. Malia behielt die breite Tür im Auge, die sich quer gegenüber im Raum befand.

Freya folgte ihrem Blick »Versuch es erst gar nicht.«

»Warum nicht?«, fragte sie ein wenig verärgert.

»Weil er weiß, was in seinem Palast vor sich geht. Vielleicht hast du schon bemerkt, dass das Haus seine ...Eigenarten hat. Als würde der Palast seinen eigenen Willen haben. Nichts geschieht, ohne dass er davon weiß.«

»Wer ist er?« Violette Augen taugten vor ihrem geistigen Auge auf.

»Der König, der Herrscher.«

»Wie, er hat keinen Namen?«, fragte Malia verwundert.

Freya durchlief kaum merklich ein Schauer »Morpheus. Sein Name ist Morpheus.«

Morpheus...

»Warum hält er uns hier gefangen?«, wollte Malia wissen.

Plötzlich verstummten die leisen Gespräche rings um sie herum und neugierige Blicke drehten sich in ihre Richtung.

Freya verzog das Gesicht »Er hält uns nicht gefangen. Wir sind alle freiwillig hier.«

Malia lackte trocken auf »Alle bis auf mich.«

Verwundert hob sie die Augenbrauen, als ob die Aussicht, dass Morpheus jemanden Unrecht getan hatte, etwas ganz Neues für sie wäre. Allerdings erwiderte Freya trotzdem »Es ist das Beste, das dir passieren kann.«

GefangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt