Kapitel 33

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Anthony keuchte. Er hatte so viele Leute in Sicherheit gebracht, wie er konnte, trotzdem schienen es zu wenige gewesen zu sein.

Was habe ich getan?

Sein Herz hämmerte voller klammer Angst. Seine letzte Hoffnung war der Stein in seinen Händen. Er würde Morpheus für eine kleine Weile , nur ein paar Jahrtausende, einsperren, damit er seine Gedanken ordnen konnte, so, wie er es ihm befohlen hatte, sollte er jemals wieder so nahe an den Rand stoßen. Und er hing definitiv nur Zentimeter über dem Abgrund.

Er hastete den Gang hinunter, in der Hoffnung, dass Morpheus den Brief einfach verbrannt hatte.

Schlitternd blieb er stehen und stieß die Türen auf, hastete weiter in die Bibliothek.

Morpheus stand mit dem Rücken zu ihm.

Die Schatten waren weg. Die Schatten waren immer in Morpheus Nähe. Er war ihr Anführer.

Langsam drehte Morpheus sich um und Anthonys Augen weiteten sich.

In der einen Hand hielt er den Brief umklammert, in der anderen...lag eine Traumkugel, schwarz wie der Tod. Genau diese Empfindung traf Anthony, als er in ihr Inneres blickte.

Da begann er zu sprechen.

»Er treibt mich in den Wahnsinn. Als ob ich davon nicht schon genug hätte. Ich ertrage es nicht, in seiner Nähe zu sein, ich kann nicht!... Es stellt sich mir jedes Haar auf, wenn er mich berührt.« Eine kurze, ohrenbetäubende Stille folgte. Die nächsten Zeilen bestätigten Anthony, wie falsch er gelegen hatte. Und dass er damit das Schicksal der Welt besiegelt hatte.

»Wie soll ich das bloß überleben? Was wäre die Alternative?...«

»Morpheus, es ist nicht so-«

Das Papier in Morpheus Hand ging in Flammen auf. Morpheus hob den Kopf.

Seine Augen waren glühend rot. Allesverschlingendes, grausames Blutrot. Sie schrien vor Schmerzen, die diese Zeilen verursacht hatten.

Und dann ließ Morpheus die Kugel durch seine Finger gleiten.

»Nein!« Doch es war zu spät. Schwarzer Rauch stieg vom Boden auf und wirbelte um Morpheus herum, drang in ihn ein. Er warf den Kopf in den Nacken und sein Körper begann zu zucken.

Anthony tat das einzige, das Morpheus jetzt noch aufhalten konnte. Er presste seine Hände auf den Stein und schloss die Augen. Stellte sich das Bild vor, das Morpheus ihm eingepflanzt hatte, sollte es jemals nötig sein. Jetzt war es soweit.

Er baute das Gefängnis in Sekundenbruchteilen, in der Ferne, im Reich der Königin der Nacht, Morpheus Mutter.

Er spürte die Präsenz seines Königs und wollte sie in das Verließ packen...und zuckte zurück. Anthony schlug entsetzt die Augen auf.

Das Lachen drang ihm durch Mark und Bein.

»...Dachtest du wirklich, das könnte mich aufhalten? Du könntest mich aufhalten?« Morpheus Stimme war zu einem rauen Säuseln geworden, es hörte sich an, als würden mehrere Stimmen gleichzeitig sprechen. Es war nicht seine Stimme, es war die des Anderen.

Aber was Anthonys Herz zum Stillstehen brachte, war der wahnsinnige, mörderische Ausdruck in Morpheus leuchtenden Augen und das breite Grinsen, das seine spitzen Eckzähne zum Vorschein brachte. Weiß wie Schnee blitzten sie im Licht.

»Tztztz, armer Anthony. Das, was jetzt kommt, tut mir nicht wirklich leid.«

Anthony stieß ein Keuchen aus und streckte die Hand aus, um einen Energiestrahl auf das Wesen zu feuern, das einst sein Freund gewesen war. Hitze schoss durch seine Adern, durch seine Handfläche und ein greller Blitz erfüllte den Raum.

Als der Rauch sich verzogen hatte, stand Morpheus immer noch grinsend an derselben Stelle und schnippte sich spielerisch eine Ascheflocke von der Schulter.

»Gute Nacht, Kumpel.« Er bewegte sich so schnell, dass Anthony erst mitbekam, was los war, als sich Morpheus schwarze, krallenbesetze Finger um seinen Kopf und Schulter legten.

Er konnte nicht einmal mehr schreien, als Morpheus ihm mit einem ekelerregenden Knacken das Genick brach.

DieDunkelheit, die ihn jetzt umhüllte, war besser als das, das nun in den Venenseines Freundes floss. Er betete, dass Malia und die anderen weit genuggekommen waren, sonst...    

GefangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt