Der Wind trieb ihr die Tränen über die Wangen, aber Malia sah nur die Erde, die immer näherkam. Das Hochgefühl in ihr blendete alles andere aus. Kurz bevor sie mit den Baumwipfeln der Tannen kollidierte, öffnete sie die Schwingen und wurde zurückgerissen. Sie glitt über den Wald hinweg und ließ sich treiben. Den leichten Schmerz in ihrem Rücken ignorierte Malia, stattdessen sank sie so tief herab, dass die Spitzen der Bäume über ihre Hand strichen.
»Ein Naturtalent.« Beim vollen Klang von Morpheus Stimme zuckte sie leicht zusammen und drehte sich etwas ungeschickt zu ihm um. Anmutig glitt er neben ihr her. Es sah so mühelos aus.
»Es ist ja nicht so, als hätte ich groß eine Wahl gehabt.«, knurrte Malia und schlug ihm mit ihrer Flügelspitze ins Gesicht. Er blinzelte überrascht und kniff dann die Augen zusammen.
Schneller als Malia sehen konnte, hatte sein Flügel gegen ihre Schulter gestoßen und Malia strauchelte in der Luft.
»He!«, rief sie und zerrte an seinem Fuß, doch Morpheus schlug einfach kräftig mit seinen Flügeln und zog sie am Handgelenk nach oben.
Er grinste! Dieser Kerl lachte sie aus!
»Süß.«
»Ich gebe dir gleich süß!« Malia flog höher und landete auf seinem Rücken, wo sie versuchte seine kräftigen Flügel festzuhalten, was ihr auf für einige wenige Augenblicke gelang. Triumphierend schrie sie auf. Bis Morpheus über sich griff und Malia über seinen Kopf nach vorne zog. Eine kleine Rangelei brach zwischen ihnen aus und Morpheus gelang es, beide ihrer Handgelenke zu fassen bekommen. Er zog sie so nah an sich heran, dass sie den heißen Atem an ihrem Hals spüren konnte.
»...Wie wäre es mit einem Wettrennen?«, raunte er leise.
Malia war so vollgepumpt mit Energie und Aufregung, dass sie glatt vergaß, dass sie Morpheus eigentlich hasste. »Einverstanden.«
»Siehst du diesen Baum auf der Lichtung dort vorne?«
»Ja, ich seh's.« Auf einmal drehte Malia den Kopf und sah an ihm vorbei »Oh Mann, was ist das denn?« Malia runzelte die Stirn. Morpheus drehte sich ebenfalls in diese Richtung. Und schon war sie weg.
Ihr Körper protestierte, aber Malia achtete nicht darauf, sondern schlug weiterhin kräftig mit den Flügeln. Sie hörte Morpheus leise hinter sich fluchen. Sie lachte und legte noch einen Zahn zu, aber mit jedem Meter, der sie der gewaltigen Eiche näherkam, ging ihr langsam die Kraft aus.
Noch zehn Meter, komm schon!
Plötzlich packte etwas ihren Fuß und zog sie zurück. Morpheus schwarze Federn Streiften ihre Wange, als er lachend an ihr vorbeizog. Malia fluchte und legte den letzten Rest Kraft in einen letzten Spurt, bei dem sie links an ihm vorbeiziehen wollte.
»Oh-oh.« Malia lag gerade eine Flügelspanne weiter vorne, als sie spürte, wie sich eine Feder löste. Als die Flügel einfach so ohne Vorwarnung nach und nach im Nichts verschwanden und Malia dieses Mal tatsächlich abstürzte, drang ein erstickter Laut ihrer Kehle. Sie schloss die Augen und wartete auf den schmerzvollen Aufprall, aber da schlangen sich zwei kräftige Arme um ihre Mitte und zogen sie zurück.
»Hab dich.«, murmelte Morpheus an ihrem Hals geschmiegt, woraufhin Malia sich überrascht an ihn klammerte. Der Hauch von Frost, der an ihm haftete war in den Hintergrund getreten, dafür trat der Duft von Wald und warmer Nachtluft deutlich hervor. Es brachte ihre steifen Muskeln dazu, sich zu entspannen, ohne dass Malia etwas dagegen unternehmen hätte können.
Der Boden kam näher und Malia begann zu zappeln. Er war so nah, dass Malia nicht mehr richtig atmen konnte. Sie wollte sich an seiner Brust verkriechen, und gleichzeitig konnte sie gar nicht schnell genug Abstand zwischen sich bringen, bevor sie wieder die Kontrolle verlor.
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Gefangen
FantasyWas würdest du tun, wenn deine Träume plötzlich zum Leben erwachen? Wenn du nicht alleine mit deinen Gedanken bist, an einem Ort weit weg von jeglicher Wirklichkeit, und doch in der Realität? Malia will eigentlich nur eines, als sie in einen Autounf...