Kapitel 18

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Morpheus nahm ihre Hand und einen Sekundenbruchteil später waren sie vom hektischen Treiben einer Menschenmenge umgeben. Aufgeregtes Gerede und Getuschel erfüllte die Luft und Malia meinte sogar den schwachen Duft von Kaffee in der Luft wahrzunehmen, als wäre es ein ganz normaler Morgen in einer Großstadt. Leute strömten an ihnen vorbei, stießen gegen Malias Schulter und setzten unbeirrt ihrem Weg fort, als wäre sie gar nicht da. Blinzelnd sah Malia hinauf zu den Wolkenkratzern, die die Sonne in den Glasfenstern spiegelten und zurück auf den Boden warf.

Morpheus hielt immer noch ihre Hand fest.

»Wo sind wir?«, fragte Malia staunend. Der Nebel in ihrem Kopf lichtete sich ein Stück.

»An einem zentralen Knotenpunkt des Landes. Hier finden sich oft viele Menschen zusammen, sie werden praktisch voneinander angezogen.«

Malia lachte überrascht auf, als sie einen Mann ohne Kleidung gehetzt durch die Menge huschen sah, der nur notdürftig seine Aktentasche vor sich hielt. Und das war bei weitem kein Einzelfall. Sie sah Federboas, Piratenhüte und sogar einen Erwachsenen mit Schnuller im Mund. Was auch immer das zu bedeuten hatte.

»Warte.«, wies Morpheus sie an und ließ ihre Hand los. Auf einmal fühlte Malia sich schrecklich nackt und hilflos. Die Leute musterten sie auf einmal ziemlich interessiert, aber sobald sie in ihre Nähe kamen, machten sie schaudernd einen großen Bogen um Malia. Das muss an Morpheus liegen.

Sie wollte sich gerade zu ihm umdrehen, als sie verwirrt innehielt. Er war verschwunden.

Nur ein schlaksiger Junge mit dunklen Haaren starrte sie an. Seine Augen schienen wie zwei helle Kupfermünzen zu glitzern. Er hatte die Hände in die Hosentasche gesteckt, trotzdem strahlte die Energie noch immer machtvoll von ihm aus.

»Morpheus?« Malia trat einen Schritt näher.

Sein Gesicht war weicher, nicht mehr so scharf geschnitten und er trug eine rostrote Jacke. Aber es war unverwechselbar immer noch Morpheus. Seine wachsamen Augen glitten über die Menschen.

»Damit wir uns ungestört bewegen können.«, erklärte er ihr sein verändertes Aussehen.

»Aber wie hast du das angestellt?« Ehrfürchtig strich Malia ihm eine braune Locke weiches Haares aus der Stirn. Unergründlich funkelten seine Augen, die kaum an Intensität verloren hatten. Im Gegenteil, Malia hätte schwören können, dass tausende Ameisen über ihre Haut krabbelten.

»Das ist meine angeborene Gabe. Ich kann mein Aussehen in das jedes beliebigen Menschen verwandeln, ohne jegliche Anstrengung.«

»Also könnte dein wahres Ich in Wirklichkeit ganz anders aussehen?«

»Als würde das etwas daran ändern, dass du ihn scharf findest.«

»Er wäre immer noch derselbe...Dieselbe Seele, die deine Knie weich werden lässt.«

»Nein, das ist meine wahre Gestalt. Und wie du vielleicht schon festgestellt hast, meiden die meisten Leute mich, es ängstigt sie. Deshalb verändere ich mein Aussehen, wenn ich mich unter die Menschen mische. Dann fühlen sie sich nicht so eingeschüchtert.«

»Kann Anthony das auch?«, fragte sie fasziniert und genoss das berauschende Gefühl der Euphorie, das immer weiter durch ihre Adern floss und sie ganz wuschig machte.

»Nein. Es gibt nur drei Gaben in dieser Welt, die ohne Macht oder Magie funktionieren. Die menschliche Gestalt zu wechseln ist mir vorbehalten, mein Bruder Phobetor beherrscht alle Tiergestalten und Phantasos verkörpert die Naturgewalten.«

GefangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt