Kapitel 28

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Die Stille des Waldes verschwand, stattdessen drang von irgendwoher eine leise, wunderschöne Streichorchestermusik heran, die so voll von Gefühl war, dass es Malia die Tränen in die Augen trieb. Ein angenehmer Duft aus einer Mischung verschiedener Parfums und Kerzenwachs hing in der Luft, als Malia wieder festen Boden unter den Füßen spürte, die jetzt in halbhohen Schuhen steckten.

Leises Gelächter und das Klirren von Gläsern schwebte zu ihr heran. Blinzelnd öffnete Malia die Augen.

Ihr Mund öffnete sich von selbst, als sie sich um die eigene Achse drehte.

Sie befanden sich in einem riesigen Saal, durchflutet von goldenem Licht, das von mehreren Diamantkronleuchtern herstrahlte und von den zahlreichen Spiegeln an den Wänden wiedergeworfen wurde. Der reich verzierte und detailreiche Stuck an der Decke und auch sonst irgendwie alles war golden, die Tapete bestand aus elfenbeinfarbenem Brokat. Als Malia den Kopf in den Nacken legte, erkannte sie das aufwendige Deckenfresko. Sie hatte es einmal in einem Geschichtsbuch gesehen, aber konnte sich nur schemenhaft an die beiden Gestalten erinnern.

»Das bist du.«, fiel es ihr auf einmal wieder staunend ein.

Morpheus Mundwinkel zogen sich amüsiert nach oben »Ja, allerdings hatte ich damals einen etwas...anderen Look.«

Erst jetzt erkannte Malia, dass sie sich nicht im eigentlichen Ballsaal befanden, sondern auf einer Empore, von der aus eine geschwungene Treppe nach unten zum Tanzparkett führte.

Malia trat nach vorne und stützte die Arme auf das kühle Geländer, um nach unten blicken zu können. Von ihrem Standort aus konnte sie die unzähligen Menschen sehen, die sich leise und geschmeidig zur Musik bewegten. Wallende Kleider in den verschiedensten Farben wirbelten durch die Gegend, Jacketts flatterten zum Takt. Jeder von ihnen trug eine Maske, die das Gesicht fast vollständig verdeckte.

Alles war dabei, von schlichten, einfarbigen Masken mit Federn, bis hin zu erschreckend echt wirkenden Tiermasken. Als sie einen Mann mit Tigergesicht genauer betrachtete, hätte Malia schwören können, dass seine Schnurrhaare ständig zuckten und er die breite Nase krauszog. Erstaunlich.

Es sah alles so unwirklich aus, wie aus einem Märchen entsprungen.

»Es ist unglaublich.« Malia hatte keine anderen Worte für das, was sich ihr gerade bot.

Morpheus trat zu ihr heran und steckte seine Hände in seine Hosentaschen »Kein nerviger Abschlussball, aber es kommt dem ziemlich nahe. Nur die Musik ist besser.« Malia lachte auf und schüttelte den Kopf.

»Wie hast du das alles in nur einem Wimpernschlag geschafft?«, wollte sie ehrlich wissen.

Er zuckte nur mit den Achseln und streckte ihr plötzlich seinen Arm entgegen »Wie gesagt, mit der Zeit lässt man sich Dinge einfallen, um sich die Zeit zu vertreiben. Wollen wir?«

Malia hakte sich zögerlich bei ihm unter und ließ sich von ihm zum Rand der Empore führen. Sie räusperte sich, als sie gemeinsam auf die tanzenden und lachenden Menschen hinabsahen.

»Ähm, da gibt es nur ein kleines Problem.«

»Hm?«

»Ich kann nicht tanzen.«

Morpheus hob mitleidig die Augenbrauen und tätschelte beruhigend ihren Arm »Keine Sorge, meine Liebe, ich werde dich führen. Es wird sich anfühlen, als würdest du schweben.« Er beugte sich so nah zu ihr herüber, dass seine Lippen ihr Ohr streiften und sich die Haare in ihrem Nacken aufstellten. »Jetzt entspann dich endlich und vertrau mir.«

»Das wäre einfacher, wenn du nicht gleich mein Ohr knutschen würdest!«, presste Malia hervor, woraufhin Morpheus laut loslachte und sich wieder entspannt zurücklehnte.

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