Kapitel 21

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Morpheus führte sie durch seinen Palast, ohne sich nach ihr umzusehen. Er war sich seiner Sache anscheinend sehr sicher. Und seiner Wirkung.

Sie stiegen eine geschwungene Treppe hinauf und alles, was Malia von ihm sah, war sein Hintern.

Ein ziemlich ansehnlicher Hintern.

Oben angekommen blieb er stehen und flüsterte den Dämonen etwas zu, das Malia nicht verstehen konnte.

Keinen Augenblick später verstreuten sich die Wesen über Boden, Decke und Wände und verschwanden zischend aus ihrem Blickfeld, alle strömten in dieselbe Richtung.

»Wohin gehen sie?«, fragte Malia, als sie oben angekommen war und sich neben ihn stellte.

Moosgrüne Augen sahen sie an. »Sie bringen die Träume in Gewahrsam.«

Bevor Malia die nächste Frage stellen konnte, die ihr auf der Zunge brannte, drehte Morpheus sich um und setzte seinen Weg in die entgegengesetzte Richtung fort.

»Hey!«, rief Malia ihm hinterher. Sie würde ihm ganz bestimmt nicht wie ein kleines Schoßhündchen hinterherlaufen.

Der Gang weitete sich und Malia sah gerade noch, wie Morpheus die Hand hob um somit zwei riesige Flügeltüren mit Holzverzierungen aufzustoßen, als wären sie aus Pappe.

Beim Näherkommen konnte Malia die Kunstwerke besser erkennen, die in das Holz eingraviert waren. Wolken und Sterne, Landschaften und wundersame Wesen, Erde und Himmel, Traum und Realität vermischten sich zu einem Ganzen. Malia berührte die Schnitzereien ehrfürchtig mit den Fingern.

»Willst du noch den ganzen Tag draußen stehen bleiben?«, ertönte seine Stimme von innen. Malia schnaubte genervt »Dummer Flügelknabe.« Kaum hatte sie einen Schritt hineingetan, da prallte sie gegen eine harte Brust.

»Das habe ich gehört.« Glänzendes Metall in seinen Augen.

»...Das war auch Absicht.«

Leuchtendes Kobaltblau, als er sich umdrehte und sie weiter in das Innere des abgelegenen Flügels brachte. Malia zuckte zusammen, als die schweren Türen sich hinter ihr mit einem schweren Rums schlossen. Morpheus war schon wieder verschwunden.

Neugierig sah Malia sich um. Die Decken waren höher, die Räume großzügiger und alles in allem anscheinend nicht nur für Menschen gemacht. Schwere Brokatvorhänge hingen fein säuberlich vor den riesigen Fenstern, die Licht in jeden Raum ließen. Wieder einmal fragte Malia sich staunend, wie es möglich war, so viel Raum in diesen Palast zu bringen. Sie stellte sich eine kleine Fee vor, die mit ihrem kleinen Zauberstab vor ihrem Gesicht herumfuchtelte und hysterisch »Magieee!« schrie.

Der Boden war anders als im restlichen Palast nicht aus kaltem Marmor, sondern war mit dunklem Ebenholz ausgelegt. Dicke Teppiche aus blutrotem Stoff verschluckten ihre Schritte, als sie in den nächsten Raum ging. Seltsame Geräte standen herum, augenscheinlich antik, oder hingen von der meterhohen Decke. Bücherregale waren an den Wänden eingelassen, kleine Wendeltreppen ohne Geländer führten zu höher gelegenen Plateaus, ebenfalls ohne jegliche Sicherungen. Wie für jemanden mit Flügel gemacht.

Wenige Gemälde zierten die vertäfelten Wände. Aber die, die dort hingen, waren...wow. Bilder von schlafenden Mädchen, kleinen Rehen und anderen Wesen.

Malia dachte an ihre ersten Eindrücke zurück, die sie bekommen hatte, als sie schreiend durch den düsteren Wald um ihr Leben gerannt war.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters- ha ha.

Sie hörte ein Flügelschlagen und unterbrach ihre Erkundungstour.

Malia betrat einen angrenzenden Raum und es verschlug ihr die Sprache, angesichts des Anblicks, der sich ihr bot und sie blieb stehen.

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