Sie fiel. Und fiel. Und fiel. Und wollte gar nicht mehr aufhören zu fallen.
Der graue Asphalt kam näher, während der Wind sie in der Luft wie eine Puppe herumwirbelte und an ihren Kleidern riss.
Jetzt ist es aus, dachte Malia, während sie wild mit den Armen in der Luft herumruderte, ohne etwas erwischen zu können, das ihren Fall hätte bremsen können. Ihr Herz raste und das Blut rauschte so laut in ihren Ohren, dass sie nichts anderes mehr hören konnte. Sie bemerkte auch nicht, wie sie ausgeklinkt wurde, bis es zu spät war.
Eine Hand umfasste ihr Handgelenk und im nächsten Moment wurde sie in einen Strudel aus schwarzen Federn gezogen. Ein starker Arm schlang sich einmal um ihren Bauch und einmal quer über ihre Schultern. Morpheus Flügel öffneten sich und Malia stieß einen spitzen Schrei aus, angesichts des Erdbodens, über den sie nur knapp zwei Meter hinwegsegelten. Sein Lachen drang hell und sanft an ihr Ohr, sein Atem kitzelte nah an der empfindlichen Stelle direkt zwischen Hals und Schulter.
»Du bist so ein mieser Lügner!«, brüllte Malia ein letztes Mal, als Morpheus ein paar Mal kräftig mit seinen Schwingen schlug und sie zurück in die Weiten des Himmels katapultierte. Und schon saß sie wieder auf dem Beifahrersitz und beobachtete das Geschehen aus der Ferne.
Malias verkrampften Muskeln lockerten sich erst, als sie langsam über die Stadt hinwegflogen. Ihr Herz raste immer noch, aber das hatte nichts mit der luftigen Höhe zu tun. Sie drückte sich noch enger an Morpheus und seufzte.
»Es tut mir leid, dass es mir nicht leidtut.«, meinte er schmunzelnd.
»Das glaube ich dir gern.«, brummte sie, während sie das Gefühl genoss, wie der Wind durch ihre Haare fuhr. Was für ein romantischer Augenblick, die untergehende Sonne, die unendlichen Weiten unter ihnen, Morpheus fest an sie gepresst... Ihre Finger legten sich um seinen Arm und sie setzte dieses verträumte, heiße Lächeln auf.
Morpheus Überraschung zeigte sich nur darin, dass sie für einen Augenblick tiefer sanken, als er vergaß, mit den Flügeln zu schlagen. Der Teufel lachte nur.
Sie war frei. Endlich frei und konnte alles tun, was sie wollte.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte sie mit vorgetäuscht besorgt gerunzelter Stirn. Als Morpheus leicht den Kopf schüttelte, streiften seine Haare ihre Wange. Sie wollte mit beiden Händen hindurchfahren, wissen, wie es sich anfühlte. Der Teufel seufzte.
»Du bist irgendwie anders, was ist passiert?«
Malia versteckte ihr Erstaunen hinter einem verschwörerischen Lächeln. »Ich nehme das jetzt einfach als ein Kompliment, Schätzchen.«
Tiefblaue Seen glitten unter ihnen hinweg, in denen sich die Sterne spiegelten. Malia konnte den weichen Stoff des Leders unter ihren Fingern spüren. Es war so herrlich, endlich all diese Empfindungen in sich aufsaugen zu können.
Ein nerviges Ziepen in ihrem Kopf. Der Teufel verdrehte die Augen.
Der Palast mit dem funkelnden weißen Stein kam in Sicht, die Fackeln zeichneten lange Schatten auf die kunstvoll gemeißelte Fassade. Malia sah Morpheus Brüder über das Anwesen huschen, mit den Schatten verschmelzen und sich an einer anderen Stelle wieder herauszulösen. Ein wütendes Knurren zerriss die Stille und Malia zuckte zusammen. Morpheus beugte sich zu ihr hinab und flüsterte ihr ins Ohr »Keine Angst, das war nur Phobetor.«
Malia fragte sich, wie sein engerer Bruder wohl aussah. Die teerschwarzen Gestalten verkrochen sich wie Schlangen in den umliegenden Büschen und Hecken, als Morpheus über sie hinwegflog.
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Gefangen
FantasyWas würdest du tun, wenn deine Träume plötzlich zum Leben erwachen? Wenn du nicht alleine mit deinen Gedanken bist, an einem Ort weit weg von jeglicher Wirklichkeit, und doch in der Realität? Malia will eigentlich nur eines, als sie in einen Autounf...