2.0: Kriminelle Vermieter

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2: Der erste Arbeitstag

Ich war erstaunt, weil Louis sein Wort sogar hielt. In der letzten Aprilwoche meldete er sich kein einziges Mal mehr bei mir. Gut, das war auch schlecht möglich, weil keiner von uns bisher die Telefonnummer des jeweils anderen hatte, aber er hatte meine Adresse und hätte somit einfach vor meiner Tür auftauchen können.

Ich verbrachte die Zeit derweil mit Packen. Zwar war es ein wenig schade darum, dass ich das Klavier garantiert nicht aus dieser Wohnung in die andere bekommen konnte - ich wusste nicht einmal, wie wir es überhaupt jemals geschafft hatten, es hier hinein zu transportieren - jedoch hielt ich an der Tatsache fest, dass Louis mir ein neues versprochen hatte, sobald die Probezeit überstanden war. Vorausgesetzt, dass ich den Job denn behielt. Es würde ja auch schon reichen, wenn er mir eine Gruppe von sehr starken, sehr hilfsbereiten Leuten schickte, die die Motivation hatten, ein empfindliches Musikinstrument durch eine enge Tür und ein steiles Treppenhaus zu schleppen, aber darüber konnte ich mir Gedanken machen, wenn der Zeitpunkt denn eingetroffen war.

Ich hatte nicht viele Habseligkeiten in der Wohnung verstreut, denn ich hatte sie nie wirklich als mein richtiges Zuhause betrachtet, weil sie so schäbig aussah. Deshalb beschränkte sich die Anzahl der Kisten auf zwei Autofahrten, denn glücklicherweise hatte ich den Schlüssel meines neuen Hauses behalten, als Louis ihn mir zugeworfen hatte.

Am ersten Mai hatte ich dann endlich den letzten Rest meines Gepäcks im Auto verstaut und Karly auf dem Beifahrersitz mitgenommen, meine eigene Wohnung säuberlich abgeschlossen (natürlich noch nicht überlegt, ob ich den Mietvertrag kündigen, Dinge wie Fernseher und Klavier endgültig verkaufen und vollkommen in das Haus einziehen sollte oder, ob ich zur Sicherheit noch einige Monate wartete) und hielt vor meinem neuen Eingangstor.

Mit einem Umzugskarton in den Händen, schaffte ich es irgendwie die Tür aufzuschließen und betrat das Haus. Im Flur setzte ich meine Last ab und wischte mir einmal über die Stirn. So etwas war anstrengender als man glauben wollte.

"Hi", erklang es dann plötzlich und ich fuhr zusammen.

"Louis?!", rief ich aus und sah mich dann um. "Wozu ist mein Hund eigentlich da, wenn er mich nicht vor Einbrechern warnt?"

Er zog eine Augenbraue hoch. "Wo ist dein Hund überhaupt?", fragte er zurück und ich drehte mich einmal um die eigene Achse.

"Im Auto", fiel mir dann auf, was so Einiges erklärte. Aber dann wandte ich mich wieder meinem neuen Chef zu.

"Was machst du hier?"

Er grinste mich an und lehnte sich gegen das Geländer der Treppe.

"Ich habe deine Handynummer noch nicht", erklärte er. "Und ab heute beginnt dein Vertrag. Wie sollen wir uns sonst verständigen?"

Ich zuckte mit den Achseln.

"Tauchst du öfter mal in den Häusern von Mädchen auf, deren Nummern du haben willst?", entgegnete ich. "Und ganz nebenbei, wie bist du hier überhaupt rein gekommen?!"

Er wühlte in seinen Taschen herum, bis er mit einem triumphierenden Lächeln einen Schlüsselbund in die Luft hielt.

"Glaubst du wirklich, dass ich keinen zweiten Schlüssel zu meinem eigenen Haus habe?"

"Es ist jetzt mein Haus", korrigierte ich ihn.

"Nö", gab er zurück und grinste frech. "Ich bin immer noch dein Vermieter. Und, um genau zu sein, ist das Ganze so oder so erst in einem Monat gültig."

"Ich bezahle aber nichts hierfür!", grummelte ich.

"Ja", antwortete er, "ich bin trotzdem dein Vermieter. Das Haus gehört mir."

Die Augen verdrehend wandte ich mich um, damit ich meinen armen Hund endlich aus seinem Gefängnis befreien konnte.

"Mein vorheriger Vermieter stand aber auch nicht irgendwann in meinem Flur!", rief ich über die Schulter hinweg, öffnete die Autotür und schubste meinen Hund ein wenig zur Seite, als dieser fröhlich an mir hochspringen wollte.

"Ich bin auch kein normaler Vermieter!", erklärte der Braunhaarige mir und grinste erneut. "Aber als dein Boss befehle ich dir nun, mir deine Nummer zu geben."

Schon wieder musste ich überlegen, was es mir einbringen würde, wenn ich die seine an irgendwelche fanatischen Fans weitergeben würde. Und erneut kam ich zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich größtenteils Ärger wäre.

"Ein bisschen bestimmerisch heute?", hinterfragte ich.

"Jup", bestätigte er nur.

Seufzend streckte ich meine Hand aus, während ich Karly gerade so davon abhalten konnte, einem Vogel hinterherzurennen, der aufgeschreckt aus dem kleinen Baum des Vorgartens flatterte.

Als Louis verständnislos auf mich starrte, seufzte ich.

"Na dann gib mir dein Handy auch her, damit ich mich einspeichern kann!", sagte ich.

Er verstand und händigte es mir aus. Schnell tippte ich meine Nummer ein und gab es ihm zurück.

"Heute geht's übrigens zu einem Freundebesuch", grinste er mich dann unschuldig an. Ich stöhnte entsetzt auf.

"Aber ich wollte mich hier noch ein bisschen einrichten!", beschwerte ich mich, worauf er allerdings nur mit dem Kopf schüttelte.

"Nichts da! Ab heute läuft dein Vertrag!"

Er funkelte mich frech an, aber ich konnte auch einen gewissen Ernst in seinen Augen sehen. Es würde Konsequenzen haben, wenn ich seine Bitte nun ablehnte, denn es war schließlich mein Job. Wahrscheinlich testete er aus, ob ich zuverlässig war.

"Jaja, ich weiß schon", grummelte ich also. "Wann denn?"

Er schaute auf seine Uhr.

"In genau ... fünf Minuten. Und wir brauchen alleine für den Weg zehn."

"Oh Gott", stöhnte ich erneut auf und pfiff nach meinem Hund, der es sich nun zur Aufgabe gemacht hatte, ein großes Loch zwischen die schönen Blumen zu buddeln.

"Na toll. Du kommst schon mal in den Kofferraum", rief ich entgeistert aus.

Louis schnappte nach Luft.

"Ich?", meinte er und deutete mit dem Finger auf sich selbst.

"Hast du ein Loch in meinen Vorgarten gebuddelt?", fragte ich zurück, schnappte mir meinen Hund am Halsband und öffnete den Kofferraum.

"Du kannst natürlich auch gerne hierhin, wenn du willst", bot ich ihm dann an.

"Ich verzichte", brummte er und machte sich auf den Weg zum Fahrersitz, während ich die Augenbrauen nach oben zog.

"Was ... soll das werden?", fragte ich vorsichtig und er sah auf.

"Losfahren?", erwiderte er verwirrt.

"Kein Schlüssel, kein Fahrer", gab ich darauf zurück, schob mich an ihm vorbei und setzte mich selbst ans Steuer. "Du sagst, wohin wir müssen. Und, ganz nebenbei, wieso muss ich eigentlich mit?"

Er grinste mich an.

"Ich habe einen Verkupplungs-Auftrag zu erledigen", erklärte er mir. "Aber offiziell, weil wir überlegt haben, in ein Restaurant zu gehen."

Ich runzelte die Stirn.

"Sag mal, ich will nicht aufdringlich wirken, aber wirst du nicht irgendwann fett, wenn du dauernd in irgendwelche Restaurants oder Cafés gehst?"

Er schüttelte protestierend den Kopf.

"Nicht dauernd! Und die Fans lieben meinen Bauch!"

Verstört ließ ich meinen Blick nun zu diesem gleiten.

"Okaaay", machte ich dann. "Aber gut, das verstehe ich. Dann musst du halt dafür sorgen, dass er nicht verschwindet", setzte ich ironisch hinterher.

"Genau!", bestätigte er. "Und jetzt fahr endlich los. Nächste Kreuzung rechts."

"Aye aye, Chef", murmelte ich, tippte mit einmal an die Stirn und fuhr los.

Ich würde feststellen müssen, dass Louis' Orientierungssinn nicht allzu gut ausgebaut war.

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt