5.0: Doch keine so große Memme?

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5: Eine Reise nach LA

Einen Privatjet zu haben, war eine nette Sache. Vor allem, weil ich meinen Hund dann endlich mal nicht in einem besseren Kofferraum irgendwo tief im Bauch des Fliegers verstauen musste. Er durfte bei mir bleiben, das hatte Louis kurzerhand bestimmt. Langsam wurde mir klar, wieso so viele Stars irgendwann auf den Gedanken kamen, sie könnten über dem Gesetz stehen.

Trotzdem kam ich mir ein wenig abgehoben vor, was allerdings nicht nur etwas mit der Flughöhe, sondern auch mit der einfachen Tatsache zu tun hatte, dass dies hier ein fucking Privatjet war und also nur Louis, ich und eine Handvoll andere Leute aus seinem Team, darunter noch zwei (leider bekannte) Bodyguards und alle möglichen Leute, die ich nicht kannte, hier saßen. Alle anderen schienen an diesen Luxus schon gewöhnt zu sein, sie legten die Beine hoch, sahen nach draußen oder gönnten sich irgendein Getränk, welches normale Passagiere wahrscheinlich nicht einmal angeboten bekommen würden. Ich dagegen krallte mich im Halsband meines Hundes fest und kaute nachdenklich auf meiner Unterlippe herum.

"Na, Mia?", meinte Louis und ließ sich in den freien Sitz neben mich fallen. "Alles gut?"

Ich wiegte den Kopf hin und her und sah mich in unserem Flugzeug um.

Die Inneneinrichtung ähnelte kaum der eines normalen Fliegers, es gab mehrere Sessel - auf einem von ihnen saß ich - die alle in einem schlichten Weiß gehalten waren und ein dazu passendes Sofa. Sogar einige Tische waren vorhanden, auf die manche der Anwesenden entspannt ihre Füße gelegt hatten. Eine Wand mit einer Tür trennte diesen Raum von einem weiteren ab, in dem sich, soweit ich es erkennen konnte, ein Bett befand. Schon wieder hatte mir keiner die Toiletten gezeigt und es war ja nicht einmal so, dass diese hier ausgeschildert waren! Bei genauerem Überlegen machte das auch gar keinen Sinn, es war ungefähr genauso logisch, wie wenn man in seiner eigenen Wohnung irgendwo ein riesiges Schild hängen würde, das auf das Badezimmer zeigte. So viele Türen gab es hier zwar nicht, jedoch befürchtete ich ein wenig, die falsche zu erwischen und mich plötzlich neben dem Piloten wiederzufinden. Der würde sich im schlimmsten Falle enorm vor mir erschrecken, einen Herzinfarkt erleiden und sterben, was heißen würde, dass dann niemand mehr am Steuer säße. Wobei, es gab ja immer noch so etwas wie einen Kopiloten ... natürlich könnte sich der arme Pilot auch so erschrecken, dass er versehentlich auf irgendeinen Knopf drückte und so einen Absturz verursachte.

Ich hatte mir eindeutig zu viele Gedanken darüber gemacht, was passieren konnte, wenn ich die falsche Tür erwischte. Ich würde demnach wohl jemanden fragen, wenn ich mal musste. Genau dieses Problem hatte mein Hund genau genommen auch. Nun fiel mir erneut siedendheiß ein, dass sämtliches Mobiliar hier weiß war. Nun gut, es war ja nicht mein Flieger ... Noch eine Sache, die ich bei Gelegenheit fragen sollte.

"Ein erste Klasse Flug hatte es doch auch getan", sagte ich letztendlich zu Louis, den ich schon viel zu lange auf eine Antwort hatte warten lassen.

"Wenn man schon einen Privatjet hat ...", erwiderte er darauf achselzuckend. "Und es ist doch bequem hier, findest du nicht?"

Er räkelte sich zufrieden und lehnte sich zurück.

"Schon", murmelte ich, "aber dann brauchst du dich auch nicht wundern, wenn man dich als verwöhnt oder realitätsfern bezeichnet! Ich sag's ja nur mal ..."

Er verdrehte die Augen.

"Du bist ein elender Pessimist, weißt du das?", grummelte er.

"Realist", korrigierte ich ihn. "Denn ich glaube nicht, dass es so unwahrscheinlich ist, dass man dich für abgehoben hält, wenn du meine Luxusbude als 'zu klein' bezeichnest und dazu eben mal über's Wochenende mit einem Privatjet zu deinem Sohn fliegst, um ihn zu besuchen."

Er schnaubte.

"Ja, soll mir Freddie lieber egal sein?!", empörte er sich. "Ganz ehrlich, ich kann es doch nie allen recht machen! Fliege ich mit meinem Privatjet, beschweren sich die Leute, dass ich abgehoben wäre. Aber in der normalen Klasse kann ich auch nicht fliegen, da das Risiko bestehen würde, dass Fans im Flieger sind und so etwas wie ein Massenaufstand auslösen, deshalb weigern sich die Fluggesellschaften, das zu verantworten. In der ersten Klasse wird es auch schon schwierig, da die bei den meisten Fliegern vor den anderen Sitzen ist, was heißt, dass sämtliche Passagiere daran vorbei laufen, wenn sie einsteigen - somit dasselbe Problem. Also müsste ich einen Flugzeug finden, dessen erste Klasse entweder im oberen Geschoss oder eben irgendwo ist, wo nicht alle daran vorbeikommen. Oder ich müsste als Letztes einsteigen, was allerdings auch schwierig werden würde, weil auf eine einzelne Person, die erst ganz zum Schluss einsteigt, immer geachtet wird. Es ist also enorm schwierig, irgendeinen Flieger mit den richtigen Bedingungen zu finden, der nach LA fliegt und ich werde garantiert nicht Unmengen von Geld dafür ausgeben, dass eine Fluggesellschaft extra an dem Tag, an dem ich Zeit habe einen solchen Flieger startet. Da ist ein Privatjet - ob du es glaubst oder nicht - billiger. Und es kommt nicht in Frage, dass ich meinen Sohn einfach nicht besuche!"

Überrascht und auch mit ein wenig Mitleid musterte ich Louis. Es hatte mich erstaunt, dass es für den ganzen Luxus noch einen anderen Grund als die einfache Freude an Dingen, die sich kein anderer leisten konnte, gab. Doch was er erklärt hatte, klang plausibel, weshalb ich mich sogar ein wenig schuldig fühlte.

"Ich verstehe", nuschelte ich also und sah zu Boden.

Der Sänger neben mir fuhr sich verlegen durch die Haare und sah ebenfalls weg.

"Tut mir leid", erklärte er zu meinem Erstaunen. "Ich ... du konntest das ja nicht wissen. Und du hast Recht, es wirkt schon ein wenig ... überheblich. Du musst mit meiner Lebensweise bestimmt erst einmal klarkommen."

"Ist schon okay", sagte ich. "Ich finde es sogar besser so! Dadurch beginne ich langsam zu verstehen, wieso du manche Sachen machst oder eben sein lässt. Du hast Recht, für Außenstehende wirkt es wirklich merkwürdig, aber deine Begründungen klingen logisch."

Er warf mir einen fast schüchternen, dankbaren Blick zu.

"Wenn das so ist ...", murmelte er und biss sich auf die Unterlippe.

"Ja!', beteuerte ich. "Du darfst mich ruhig korrigieren, wenn ich etwas aus Unwissenheit als überheblich abstempele!"

So langsam begann ich tatsächlich zu verstehen, wieso Louis etwas machte oder nicht tat. Und vielleicht, ganz vielleicht, musste ich zugeben, dass er ja doch keine so große Memme, wie anfangs gedacht, war.

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt