11.2: Das Richtige

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Der werte Professor, der das Geld, das die Jungs gesammelt hatten, entgegennahm, strahlte wie ein Honigkuchenpferd, als die Vier ihm den Scheck überreichten. Es wurden etliche Fotos geschossen, sodass ich mich irgendwann fragte, ob die Jungs nicht bald eine Muskelstarre in den Wangen bekommen würden. Andererseits waren sie es gewohnt, so häufig in die Kameras lächeln zu müssen.

Trotzdem wirkten sie alle erleichtert, als einige Bodyguards kamen und sie zurück zu den Autos geleiteten. Ich war schon vorher in eines von ihnen eingestiegen und war froh, dass Louis mich bemerkte und sich neben mich setzte.

"Wir gehen gleich noch eine Kleinigkeit mit den anderen unternehmen, okay?", kündigte er gut gelaunt an und ich nickte.

"Lass mich raten: Wir gehen essen?"

"Woher ...?", fragte er verwirrt und ich winkte ab.

"Scheint so eine Gewohnheit von Stars zu sein", erklärte ich ihm.

Mit einem 'Ach, tatsächlich?' schloss er die Unterhaltung ab.

Die Autotür öffnete sich, woraufhin der Ire mit den blond gefärbten Spitzen einstieg.

"Hammer, wie die Leute da draußen wieder mal abgehen", murmelte er und nickte in Richtung der Fanmassen. "Irgendwer muss wohl herausbekommen haben, wann und wohin wir unser Geld spenden."

"Fast so wie in alten Zeiten", pflichtete der Braunhaarige ihm wehmütig bei.

Niall drehte den Kopf zu seinem Freund und ehemaligen Bandkollegen um.

"Es ist genau gleich und dennoch so anders", murmelte er nachdenklich.

Louis nickte. "Ja, nicht?"

Verlegen kratzte sich der Blonde den Kopf, bis er schließlich seufzend meinte: "Ich habe euch schon vermisst, Lou."

Überrascht sah der Angesprochene ihn an.

"Ich auch", gab er dann zurück und schluckte, "ihr drei Idioten fehlt mir viel zu sehr."

Niall lachte rau.

"Und ich glaube, den Fans geht es genauso."

Er deutete hinaus zu den vielen Leuten, die die Fahrbahn des Autos blockierten und die mit leuchtenden Augen kreischten und jubelten.

"Sie warten auf uns", murmelte Lou, "sie stehen da verdammt noch mal eine halbe Ewigkeit, nur um uns zu sehen."

"Sie lieben euch", stellte ich plötzlich fest und zuckte mit den Achseln. "Nach all der Zeit haben sie die Hoffnung nicht aufgegeben. Sie glauben immer noch an euch."

Mein Freund sah mir einen Herzschlag lang mit seinen perfekten, hellblauen Augen in meine schokoladenbraunen, bevor er fluchte.

"Halten Sie an!", rief er dem Chauffeur zu und schnallte sich ab.

Verdutzt sah der Mann, der den Wagen fuhr, nach hinten zu uns und legte die Stirn in Falten, aber Louis hatte bereits die Tür des Wagens geöffnet und drängte Niall, der neben ihm saß, dazu, auszusteigen.

"Was hast du vor?", fragte er verwundert.

"Das Richtige, so hoffe ich", gab er zurück, schob sich noch im Auto an dem Iren vorbei und stieg aus.

Das Kreischen der Fans stieg zu einer fast unerträglichen Lautstärke an, als sie ihr Idol erkannten. Niall sprang seinem Freund erstaunt hinterher und auch ich entfernte hastig den Anschnallgurt und rutschte auf den Sitzen hinüber zu der offenen Tür.

Auch der andere Wagen, in dem Harry und Liam saßen, hatte mittlerweile angehalten, doch ich hatte meinen Blick auf Louis fixiert, der mit ausgebreiteten Armen und geschlossenen Augen mitten unter den Fans stand und einfach nur glücklich wirkte.

Irgendwann wandte er sich um, öffnete die Augen und lächelte einem jungen Mädchen aus der Menge zu, legte einen Arm um ihre Schultern und machte ein Foto.

Die Autotür von Liams und Harrys Wagen öffnete sich nun auch, die beiden stiegen aus, was zu einem erneuten Überschlagen der Lautstärke führte, und machten es dem Braunhaarigen nach.

Gerührt beobachtete ich die Jungs dabei, wie sie sich mit ihren Fans unterhielten, sie umarmten, Autogramme gaben oder Fotos schossen. Wie einfach die vier jungen Männer eine riesige Menge von Leuten glücklich machen konnten ...

Mir wurde warm ums Herz, als ich sah, wie sehr die Leute sich über das winzige bisschen Zeit, das man ihnen gemeinsam mit ihren Idolen schenkte, freuten. Es wäre jetzt eigentlich mein Job gewesen, Louis aus dieser Masse zu bekommen, ihn sicher zum Auto zu bringen und so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, aber wenn ich die ganzen glücklichen Menschen - meinen Freund und dessen ehemalige Bandkollegen eingeschlossen - sah, konnte ich es einfach nicht über mich bringen, sie zu stoppen.

Anscheinend schien es meinen Kollegen jedoch ganz anders zu gehen, denn sofort kam ein ganzes Dutzend an Bodyguards angesprungen, um die Stars wieder zu ihren Sitzen in den Autos zu bringen.

Sie drängten sich grob durch die Menge, achteten dabei auch nicht sonderlich auf die Leute, die sie zur Seite stießen und bahnten sich stetig einen Weg zu ihren Schützlingen, bis ich irgendwann genug gesehen hatte, aufsprang und ihnen nacheilte.

Da sie sich geradezu eine Gasse durch die Menge gebahnt hatten, war es nicht allzu schwer, den Bodyguards zu folgen. Somit kam ich fast zur gleichen Zeit wie sie bei Louis an.

"Nein!", rief dieser gerade protestierend und Dave, der nun unmittelbar neben ihm stand, beugte sich vor, um ihm etwas mitzuteilen, was ich auch mit nur einigen Metern Abstand dank der ohrenbetäubenden Lautstärke nicht verstehen konnte, doch es schien dem Blauäugigen nicht zu gefallen, denn er schüttelte energisch den Kopf.

Eilig quetschte ich mich durch die letzten Leute, während ich mich mit meinen Ellbogen verteidigte.

"... können es nicht verantworten, wenn dir jetzt etwas passiert", meinte der glatzköpfige Bodyguard und seine grauen Augen funkelten wütend.

"Sie werden mir nichts tun!", entgegnete der Braunhaarige absolut sicher, "Sie alle lieben uns. Wieso sollten sie uns verletzen wollen?"

"Unfälle passieren immer", hielt Dave dagegen.

Mein Freund blieb beharrlich und schüttelte seinen Kopf.

"Nur dieses eine Mal, Dave", bat er, "ich möchte nur ein einziges Mal selbst entscheiden dürfen, was schädlich für mich ist und was nicht."

Zweifelnd zog der Glatzkopf mit den stürmischen Augen die Stirn in Falten, strich sich einmal über den haarlosen Kopf und nickte schließlich.

"Auf deine Verantwortung, Louis."

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt