7.2: Ein grottenschlechter Orientierungssinn

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Kaum zehn Minuten später rief Louis mich erneut an.

"Wo bist du?"

Ich seuftzte.

"Ja, was weiß ich denn?!"

"Ich brauche eine genauere Beschreibung", murmelte er, "'Bäume' reicht nicht aus!"

"Hier ist aber nichts anderes!", klagte ich betrübt.

Er schien kurz zu überlegen.

"Siehst du vielleicht den Waldrand oder so?"

"Dann hätte ich mich wohl kaum im Wald verirrt", brummte ich, fast schon gekränkt, da er mich für so dumm hielt.

"In welche Richtung wächst das Moos?", fragte er weiter.

"Das weiß ich doch nicht! Nach Norden oder Süden oder so. Ich war in sowas schon immer grottenschlecht!"

"Nein!", meinte er, "Bei dir! Wo ist das Moos!"

"Das sehe ich nicht", grummelte ich.

"Dann schalte deine Taschenlampe am Handy an!", kommandierte er und ich ging leise vor mich hin fluchend seinem Befehl nach.

"Ja, hier ist Moos", sagte ich dann, nachdem ich mir das Handy wieder ans Ohr gehalten hatte.

"Eben! Und von wo bist du gekommen? Von der Richtung, in die das Moos wächst?"

"Neee", verneinte ich langezogen. "Aber das ist hier auch ganz komisch am Baum dran."

"Wie komisch?", stöhnte er.

"Ja komisch halt!", gab ich missmutig zurück. Ich wollte nicht zugeben, dass ich mich schon so oft gedreht hatte, dass ich mittlerweile doch tatsächlich sogar vergessen hatte, aus welcher Richtung ich gekommen war.

Er seufzte erneut.

"Okay, dann machen wir das anders. Schau mal nach oben. Wo ist der Mond?"

Wie befohlen legte ich den Kopf in den Nacken und sah zum Himmel hinauf.

"Ich sehe keinen Mond", jammerte ich dann. "Hier sind ganz viele Blätter und dann ist es dunkel."

"Och Mia, so schwer kann doch der Mond nicht zu sehen sein!", rief Louis entgeistert. "Dann guck halt genauer, wenn du ihn nicht findest!"

"Da sind Blätter davor", meinte ich trotzig. "Ich seh den Mond vor lauter Bäumen nicht!"

"Den Wald", korrigierte er mich resigniert.

"Den sehe ich ja."

"Nein", stöhnte er, "es heißt: 'Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen.' Ein Sprichwort, weißt du? Was bei dir gerade anscheinend sehr zutreffend wäre, denn wer zum Teufel findet den scheiß Mond am Nachthimmel nicht?!"

"Ja, es ist dunkel!", verteidigte ich mich weinerlich. Es war wirklich stockfinster um mich herum und außer dem bläulichen Licht meines Handys, wenn ich es ein wenig vom Ohr wegbewegte, war kaum eine Lichtquelle vorhanden. Ich war erleichtert darüber, dass ich das glatte, kurze Fell meines Hundes an meinem Bein spürte.

"Es ist normal, dass es in der Nacht dunkel ist", erklärte mir Louis langsam, als würde er mit einem Kleinkind reden. "Das hat die Nacht so an sich. Aber das Besondere ist, dass der Mond trotz allem noch hell ist. Er ist ganz groß und strahlend am Himmel und VERDAMMT NOCH MAL SCHWER ZU ÜBERSEHEN!"

Wimmernd legte ich meinen Kopf noch mal in den Nacken.

"Bist du dir sicher, dass nicht Neumond oder so ist?", wollte ich dann wissen.

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt