4.4: Ein komisches Mädchen

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Etwas gelangweilt stand ich nun da und beobachtete Louis dabei, wie er zum Gekreische der Fans auf der Bühne herumhopste. Diese konnten ihn anscheinend nicht einmal reden lassen, da ein Übeltäter immer den Grundstein für eine neue Kreischwelle legte. Fies aber auch!

Allerdings ging mir die Lautstärke ein wenig auf den Senkel, das Geschreie fand ich unnötig und ich sehnte mich danach, meine neue Couch endlich einmal in Ruhe ausprobieren zu können.

Meinen Hund vermisste ich obendrein, er musste heute zu Hause bleiben und ich hoffte nur, dass meine ehemalige Nachbarin ihr Versprechen hielt und mit ihm nach draußen ging. Andernfalls würde sich der Teppichboden freuen.

"Alles klar bei Ihnen?", wollte jemand wissen, bei genauerem Hinsehen kam er mir bekannt vor, ich meinte mich zu erinnern, ihn bei der 'Probe' in Louis' Haus schon einmal gesehen zu haben. Er war der Typ gewesen, der das Konzert zu großen Teilen organisiert hatte, der mit den fettigen, langen Haaren.

"Nein", nörgelte ich, "die Fans könnten ein bisschen ruhiger sein. Ich werde in den nächsten Tagen nichts mehr hören können!"

Er lachte. Wir mussten ziemlich laut reden, um uns verständigen zu können und ich beneidete Louis um die Dinger, die er im Ohr hatte und die ihn vor dieser Lautstärke bewahrten.

"Das ist eben ein Konzert", erklärte er mir.

"Schon klar", grummelte ich schlecht gelaunt, "aber trotzdem ist es nervig. Wieso kann ich jetzt nicht ... auf dem Sofa sitzen und Fußball gucken oder so?"

Zwar kam heute nicht einmal ein Spiel, aber trotzdem war die Vorstellung schön.

"Fußball?", lachte der mit den fettigen Haaren und ich nickte.

"Ja."

Er zog eine Augenbraue hoch.

"Welche Frau mag denn Fußball?", spottete er.

Trotzig verschränkte ich meine Arme vor der Brust.

"Darf man als Frau kein Fußball mögen?", meinte ich angriffslustig und kam einen Schritt auf ihn zu.

"Natürlich darf man", ruderte er sofort zurück, vielleicht war ihm gerade aufgefallen, dass ich nicht nur Fußball, sondern auch Kampfsport mochte. "Es ist nur selten!"

Eine weitere Person gesellte sich zu uns, er sah mir ebenfalls nach einem Bodyguard aus, aber ich hatte bisher noch nichts mit ihm zu tun gehabt. Was genau machte er hier? Musste er nicht im Dienst sein? Aber dann fiel mir das Käsebrötchen in seiner rechten Hand auf und ich vermutete, dass er gerade Pause hatte. Auch er war ein Schrank von einem Menschen, bestimmt zwei Meter groß und überragte mich so um Einiges.

"Das ist also die neue Kollegin", grinste er, gut gelaunt und hielt mir eine Hand hin, in die ich einschlug.

"Ich bin Rick", stellte er sich vor. 

"Mia", gab ich zurück.

Er musterte mich von oben bis unten.

"Du bist demnach der Kampfzwerg."

Empört gab ich ein protestierendes Geräusch von mir, was im Lärm des Konzertes jedoch verschluckt wurde.

"Kampfzwerg?!", beschwerte ich mich also.

"Klein und kann kämpfen", erklärte er mir achselzuckend, "und ich habe den Begriff lediglich von Dave übernommen."

Ich verdrehte die Augen. Es war doch klar, dass diese eher weniger schmeichelhafte Bezeichnung von ihm stammte. Obwohl ich, gegen meinen Willen, zugeben musste, dass ich sie eigentlich ganz witzig fand.

"Ich bin nicht klein!", protestierte ich, was jedoch allein dadurch zunichte gemacht wurde, dass ich meinen Kopf in den Nacken legen musste, um ihm in die Augen sehen zu können.

"Sie ist eben ein Mannsweib", grinste Rick dann in Richtung des Typen mit den fettigen Haaren.

"Hey!", empörte ich mich.

"Du magst Fußball, kannst Kampfsport ... alle Zeichen deuten darauf!", verteidigte er sich, doch ich schüttelte nur mit dem Kopf.

"Darf ich nicht Fußball spielen und Ballett tanzen können?", wollte ich wissen.

"Ballett?", fragte, schon wieder der Langhaarige - ich fragte mich mittlerweile, ob er solche Lautstärken nicht vielleicht doch ein paar Mal zu oft gehört hatte - und ich bestätigte dies mit einem einfachen 'Ja.'

Tatsächlich hatte ich viele Jahre lang getanzt, allerdings war es mir irgendwann zu viel geworden. Man musste eben einige Abstriche machen, wenn man genug Zeit für damals noch ein Medizinstudium haben wollte.

In diesem Moment bemerkte ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung von Louis und sah mich nach ihm um. Ungläubig beobachtete ich, wie er die Dinger aus seinen Ohren nahm, die diese vor der Lautstärke schützten.

"Ist er lebensmüde?", murmelte ich fassungslos zu mir selbst und erhielt eine Antwort, obwohl ich nicht einmal eine erwartet hatte.

"Das macht er öfter mal", erklärte mir mein Kollege. "Er will seine Fans wirklich hören, nicht nur gedämpft."

Ich schüttelte mit dem Kopf, da die Lautstärke vorne noch um einiges lauter sein musste.

"Der gute Junge ist gerade dabei, sich das Trommelfell aus den Ohren zu pusten", brummte ich, doch die beiden Männer quittieren dies nur mit einem Lächeln, das man jemandem schenkte, der entweder keine Ahnung oder einen Insider verpasst hatte.

"Du bist schon ein merkwürdiges Mädchen, Mia", lachte Rick und ich hob gleichgültig die Schultern.

"Das mag sein", antwortete ich, "aber mir gefällt's so. Ich bin nicht standardmäßig wie alle anderen!"

Er nickte nur, aber ob dies Bewunderung oder höfliches Desinteresse ausdrücken sollte, wusste ich nicht.

"Die männliche Mia", zog er mich auf und ich funkelte ihn wütend an.

"Der rosarote Rick", gab ich zurück und spielte dabei auf sein Gesicht an, das von der Anstrengung des Konzertes ganz rot war - oder er hatte einfach immer eine so rote Haut, dann würde er mir irgendwie leid tun.

Jedoch fasste er diesen Konter nur mit einem weiteren Grinsen auf.

"Du gefällst mir, Zwerg", schmunzelte er. "Nett mal ein wenig Abwechslung bei den ganzen Kollegen zu haben."

"Na dann, cool", erwiderte ich, runzelte dann die Stirn und blickte auf meine Uhr. "Wie lange hast du eigentlich Pause?"

Er sah ebenfalls darauf und stieß einen leisen Fluch aus.

"Seit drei Minuten nicht mehr", grummelte er, hob eine Hand zum Abschied und drehte sich um.

"Man sieht sich."

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt