4.2: Louis 2.0

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Ich war etwas verunsichert, als ich am Samstagmorgen in der großen Arena auftauchte, in deren Mitte eine riesige Bühne stand.

Es wimmelte nur so von Leuten, die alle irgendeine Aufgabe zu haben schienen und somit beschäftigt waren, während ich selbst mir ein wenig fehl am Platz vorkam.

Dieses Gefühl verflog aber schon nach kurzer Zeit, als mich eine freundliche Dame dazu aufforderte, ihr zu folgen.

Ich hatte keine Ahnung, wer diese Person überhaupt war. Die vorderen ihrer braunen Haare wurden durch eine Klammer aus dem Gesicht gehalten, während sie auf der Liste, die sie auf einem Klemmbrett mit sich herumtrug, hastig einige Punkte abhakte und den Kugelschreiber danach hinter ihr Ohr klemmte.

Schnell zeigte sie mir die wichtigsten Orte, sodass ich mich später einigermaßen zurecht finden würde. Jedoch bezweifelte ich, dass mir dieses Kunststück wirklich gelingen würde, denn diese Arena war einfach zu groß für mich - ich war hoffnungslos überfordert.

"Mia!", sprach jemand meinen Namen aus.

"Ja?", erwiderte ich, drehte mich um und sah, dass Louis nicht allzu weit entfernt auf einem Stuhl saß und mit zusammengekniffenen Augen die Bühne musterte, während er sich mit zwei Leuten neben ihm über irgendwas beriet.

"Du kommst gerade richtig!", meinte er und gab der Frau neben mir, die mich bisher herumgeführt hatte, mit einer einfachen Handbewegung zu verstehen, dass sie nicht mehr benötigt wurde.

"Tue ich das?", meinte ich und trat näher an ihn und den beiden mir ebenfalls unbekannten Männer heran.

"Ja", bestätigte er und fuchtelte wild mit den Händen herum. "Geh mal auf die Bühne."

Etwas eingeschüchtert blickte ich zu Erwähnter, auf der sich momentan kein anderer befand. Na toll, durfte ich also als einziger Idiot darauf herumturnen?

Seufzend setzte ich mich in Bewegung, aber Louis hielt mich noch einmal auf, indem er sich von seinem Sitz erhob und mir etwas um den Hals hängte. Als ich an mir heruntersah, erkannte ich, dass es sich dabei um ein Namensschild handelte.

"Das ist deins", merkte ich an, weil in großen Buchstaben 'Louis' darauf geschrieben stand.

"Nein", er schüttelte den Kopf, "das ist schon richtig so."

Schulterzuckend machte ich mich erneut auf den Weg. Auf der anderen Seite kletterten soeben auch einige andere Personen hinauf, sodass ich wenigstens nicht die Einzige sein würde. Auch sie trugen Namensschilder.

"Was wird das?", wollte ich wissen. "Irgendeine seltsame Dämonenbeschwörung?"

"Fast", kommentierte Louis, "wir müssen ein paar Szenen meines Auftritts nochmal nachspielen, um sicher zu sein, dass es gut wirkt und die Leute sich nicht gegenseitig in die Quere kommen. Ich fände es sehr unschön, wenn sich meine Gitarristen später versehentlich ausknocken würden."

"Aber wir dürfen das?", beschwerte ich mich.

Er grinste frech.

"Besser du als ich."

Ich warf ihm einen bösen Blick zu, ignorierte ihn dann aber vorerst, um seinem Sitznachbarn zuzuhören, der mir Anweisungen gab, wo genau ich mich platzieren sollte.

"Also welches Links jetzt?", fragte ich verwirrt. "Von Ihnen oder von mir aus?"

"Von Louis aus", war die Antwort und ich machte einen großen Schritt nach von mir aus rechts, was mir allerdings sehr kurios vorkam, da ich nun direkt vor dem Bühnenende stand.

"Leben am Limit", grummelte ich und linste unsicher nach unten. Von hier aus kam es einem viel höher vor!

"Falsche Richtung!", meckerte der Mann. "Ich sagte doch: links!"

"Ja von Louis aus, dachte ich!", verteidigte ich mich.

"Du bist Louis!", erklärte dieser mir und deutete auf mein Namensschild.

"Es gibt hier zwei Louis'!", grummelte ich, "Das sind unfaire Jobbedingungen!"

Ich machte wieder einen Schritt in die Richtung, aus der ich gekommen war.

"So?"

"Nein!"

Genervt verdrehte ich die Augen, während Louis ein unterdrücktes Lachen durch einen Hustenanfall tarnte.

"Och Mialein, du bist doch gerade einen Schritt in die falsche Richtung gegangen, deshalb musst du jetzt zwei in die andere machen", sagte er.

Murrend erkannte ich, dass er Recht hatte und fragte mich, warum ich nicht von selbst auf diese einleuchtende Idee gekommen war.

"Könnt ihr nicht einen anderen Idioten finden, der das für euch macht?", brummte ich.

"Nö, du bist der einzige Anwesende, tut mir leid", konterte Louis sofort.

"Ich bin halt Louis", gab ich zurück. Niemals hätte ich mir ausmalen können, dass ich so mit meinem Chef reden würde!

"Ruhe da oben", tat er beleidigt, "du sollst beim Arbeiten keine Geräusche von dir geben."

"Das machst du auch!", meckerte ich.

"Ich bin ja auch Sänger", erklärte er mir, "und kein Bodyguard."

Augenverdrehend befolgte ich die nächste Anweisung.

"Was hat das denn mit Bodyguard sein zu tun?", wollte ich wissen und lief dabei wie angewiesen einige Schritte rückwärts.

Er grinste. "Du sorgst gerade dafür, dass ich mich bei meinem Auftritt nicht verletze."

Dann wandte er sich an den Typ zu seiner Rechten.

"Nein, so weit kann ich nicht zurück gehen, ich pralle ja gleich ..."

Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, erreichte ich unbeabsichtigt einen Fake-Gitarristen und stieß mit diesem zusammen, was sich durch ein dumpfes Geräusch bemerkbar machte.

"Au", jammerte ich.

"Siehst du?", triumphierte Louis währenddessen siegessicher.

"Hätte dir das nicht drei Sekunden früher auffallen können?", klagte ich.

Er grinste wieder. Wenigstens schien sich seine Laune ein wenig gehoben zu haben.

"Ist es."

"Na danke", grummelte ich.

"Dann bitte wieder einen Schritt nach vorne und dann nach rechts", wies mich Louis' Nachbar an.

"Ja welches Rechts?", fragte ich entgeistert und Louis stöhnte genervt auf.

"Gott, Louis 2.0, bewege dich bitte nach rechts", meinte er dann und jetzt war ich an der Reihe zu grinsen.

"Auf meinem Namensschild steht nur, dass ich Louis heiße", lachte ich. "Also fühle ich mich nicht angesprochen."

Er warf mir einen resignierten Blick zu, bevor er sich erhob, selbst auf die Bühne stieg und zu mir kam. Dann zog er einen dicken, schwarzen Edding aus seiner Hosentasche und nahm das Schild um meinem Hals in eine Hand, während er mit der anderen den Edding hielt, mit welchem er klar und deutlich '2.0' hinter das schon dort stehende 'Louis' zeichnete.

Zufrieden musterte er sein Werk für einen Moment, bevor er sich umdrehte und zu seinem Platz zurückkehrte.

"So, ich denke, jetzt dürfte es keine Probleme mehr geben", meinte er stolz. "Wenn ich also bitten dürfte: erst nach vorne, dann nach rechts und alles aus Sicht von Louis 2.0."

Halb murrend, halb lachend setzte ich mich in Bewegung.

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt