10.3: Völlig falsche Annahmen

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In den folgenden Tagen fühlte ich mich, wie wenn ich auf Wolken wandeln würde. Das war also das berüchtigte Gefühl des Verliebtseins. Mein Leben schien momentan einfach perfekt zu verlaufen! Louis sah nicht so aus, wie wenn er irgendetwas, was er vor dem Interview getan hatte, bereuen würde und seine Augen funkelten in jedem Inerview begeistert, was auch die Fans bemerkten. Das wiederum sorgte für Aufmerksamkeit bei der Presse - im guten Sinne allerdings.

Alles in Allem wäre es nahezu perfekt gewesen, gäbe es da nicht den Schatten, der sich über die Sachlage gesenkt hatte: Liam, Niall und nun sogar Harry. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was ich falsch gemacht hatte, um sie alle so zu verärgern, aber sie wirkten mir gegenüber eher abweisend. Vielleicht war Niall mittlerweile ein bisschen aufgetaut, dafür funkelten mich die anderen beiden umso feindseliger an. Ich verstand es einfach nicht, vor allem nicht bei Harry.

Oder vielleicht doch? Mir war ja schon bei Louis' und meinem ersten Kuss so ein Gedanke gekommen, von dem ich hoffte, dass er sich nicht bewahrheitete ...

Erschrocken fuhr ich zusammen, als sich zwei Hände auf meine Schultern legten.

Ich saß auf meiner Couch, eine mittlerweile leere Chipstüte neben mir, mein Hund mit dem Kopf behaglich auf meinem Schoß platziert und der Fernseher eingeschaltet. Die flauschige Decke lag in greifbarer Nähe und ich konnte mir keinen besseren Ort ausmalen, um den Abend ausklingen zu lassen.

"Tag", murmelte ich und sah nach oben, um in Louis' stechend blaue Augen zu sehen. Er hatte sich über die Rückenlehne gebeugt und drückte mir einen Kuss auf den Mund, bevor er mit einem eleganten Satz über die Lehne sprang und haarscharf neben der Tüte landete.

"Guten Abend", meinte er förmlich, zwinkerte mir dann aber zu. "Was gucken wir denn Schönes?"

"Gar nichts."

Ich schaltete den Fernseher aus.

"Ich muss mit dir reden."

Seine fröhlich gelaunte Miene bröckelte und fiel, angespannt und abwartend sah er mich an.

"Was ist mit Harry los? Vor ein paar Tagen war noch alles in Butter und dann plötzlich ist er enorm abweisend geworden!"

Louis biss sich auf die Unterlippe.

"Lou, meinst du, es hat was mit diesen Verkupplungsplänen zu tun? Glaubst du, er ...?"

Fast lächelte mein Freund, aber nur fast.

"Was? Nein", entgegnete er, "ihr kennt euch kaum."

"Was dann?", hakte ich nach, während mir ein kleiner Stein vom Herzen fiel. Wenigstens das Problem schien es also nicht zu geben.

Louis seufzte, fuhr sich mit der rechten Hand durch die Haare und lehnte sich zurück.

"Du ... kennst doch bestimmt die ganzen Gerüchte über uns. Larry Stylinson und so weiter."

Gespannt nickte ich.

"Es ... es war eigentlich ein Marketing-Trick. Du weißt schon, für die Presse, damit mehr über uns geredet wird. Wir ... sollten so tun, wie wenn wir schwul wären. Allerdings glaube ich, für Harry war das kein Schauspiel."

Und dann fiel es mir auf. Die Blumenanzüge, die plötzliche Wut, als ich auf seine Sexualität zu sprechen gekommen war.

"Heißt das ... Harry ist schwul?", schloss ich unsicher.

"Wohl eher bi", gab Louis zurück, "er hatte ja die ein oder andere Beziehung mit einer Frau. Aber er hat damals an etwas geglaubt, was für mich nur Marketing war."

"Und jetzt steht er immer noch auf dich ...?"

Wieso hatte ich eigentlich glauben können, dass es bei der ganzen Sache um mich ging?! Ein bisschen egoistisch war das schon ...

Zu meiner Überraschung schüttelte Louis den Kopf.

"Ich glaube nicht mehr wirklich. Ich habe jedenfalls schon einmal mit ihm darüber geredet und ihm klar gemacht, dass ich eben anders empfinde. Vermutlich hat er mehr oder weniger damit abgeschlossen, aber uns beide da zu sehen, das muss für ihn wie Salz in seiner Wunde gewesen sein ..."

"Du wolltest ihn mit mir verkuppeln?!", unterbrach ich ihn fassungslos, "obwohl du davon wusstest?"

Betreten wich er meinem Blick aus.

"Es war nur ein Scherz, Mia, das weißt du doch!"

Entgeistert raufte ich mir die rotblonden Haare.

"Ja aber das macht man doch nicht! Auch nicht als Scherz! Das ist wie ... wie wenn ich dich mit 'nem Typen verkuppeln würde, obwohl du mir gesagt hast, dass du auf mich stehst!"

Der Braunhaarige wurde verlegen und nestelte am Saum seines Shirtes herum, um meinen Blicken ausweichen zu können.

"Oh Gott, armer Harry", jammerte ich. Er tat mir wirklich leid, schließlich konnte er für seine Gefühle genauso wenig wie sonst irgendjemand.

"Aber ... aber", stotterte ich dann verständnislos, "er muss es doch geahnt haben ... er hat dir doch geholfen, als du mir den Flügel gekauft hast ... er ..."

Ich brach ab, da die Worte vor mir davonzulaufen schienen.

"Ich denke, tief in seinem Inneren weiß er ja auch, dass das niemals eine Zukunft haben wird", murmelte Louis kleinlaut. "Es zerreißt mir ja das Herz, aber ich liebe nun mal dich, dagegen kann ich auch nichts machen! Letztens hat er mir noch gesagt, er wäre nun endgültig drüber hinweg und hätte vielleicht sogar eine neue Freundin gefunden. Er hat sich darauf gefreut, dass One Direction vielleicht bald zurückkommt und dann das ... aber ich konnte doch nichts dafür, ich habe davor geglaubt, es wäre Marketing. Wie hätte ich denn wissen können, dass ...?"

"Du hättest es gar nicht wissen können", stellte ich klar. "Dich trifft keine Schlud. Uns alle nicht. Es kann wohl keiner etwas dafür."

Einige Minuten saßen wir einfach nur schweigend in meinem Wohnzimmer. Karly, der meinen Stimmungswechsel gespürt hatte, winselte kläglich und leckte mir mit seiner rauen Hundezunge über die Hand.

"Er braucht Zeit", vermutete ich letztendlich. "Natürlich ist es scheiße, aber er muss darüber hinwegkommen. Ein Herz wird eben manchmal gebrochen, da kann man nichts machen. Vielleicht sollten wir einfach ein bisschen Rücksicht nehmen, wenn er in der Nähe ist, um die Situation nicht noch schmerzhafter für ihn zu machen, allerdings muss er am Ende des Tages loslassen können."

Louis nickte betrübt.

"Mir fällt auch nichts Besseres ein. Ich hoffe nur, dass es uns keinen Stein in den Weg legt und er gar nichts mehr mit mir zu tun haben will. Das wäre das Ende für One Direction."

"Er wird es schon verkraften. Du hattest davor ja auch schon Freundinnen. Na klar, es ist schwer, aber es gibt eben keine andere Möglichkeit."

Erneut nickte der Blauäugige.

"Ich hoffe, du hast Recht."

Das hoffte ich auch ...

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt