6.0: Die tückische Rolltreppe

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6: Geistesblitz

Mein Koffer schien immer schwerer zu werden, je weiter ich ihn zog. Oder mein Arm immer lahmer. Wir waren ohne weitere Probleme gelandet und ich fühlte mich ein wenig erleichtert, endlich die vertraute Umgebung des Londoner Flughafens um mich zu haben. Fast alle anderen (zu meiner Erleichterung auch Dave und Rick) hatten sich bereits verabschiedet, jedoch war Louis dazu bereit gewesen, mich mit nach Hause zu nehmen, schließlich war es auch kein großer Umweg für ihn.

"Ich liebe dich, Mia!", rief hinter mir plötzlich jemand und noch bevor ich mich umdrehen konnte, wurde ich in eine stürmische Umarmung gezogen.

"Louis?!", quiekte ich erschrocken, fasste mich aber schnell wieder.

"Jetzt plötzlich?", meinte ich dann, "Lass das die Presse bloß nicht hören!"

Während er mich immer noch umarmte, gab er mir einen leichten Schlag auf den Hinterkopf.

"Du weißt, wie ich das meine", grummelte er.

"Wie komme ich zu der Ehre?", fragte ich dann.

"Wir treffen uns jetzt doch hier am Flughafen!"

Grinsend klopfte ich ihm auf den Rücken.

"Siehste?"

Er ließ mich wieder los, woraufhin er aus seiner Tasche seine Kopfhörer kramte und mir einen davon anbot.

"Darauf müssen wir Musik hören", erklärte er mir.

Lachend nahm ich den einen entgegen und steckte ihn mir ins Ohr, während Louis sich die andere Seite schnappte.

"Ich glaub, Karly hat sich langsam an dich gewöhnt", meinte ich dann fröhlich, als ich bemerkte, dass mein Gegenüber immer noch alle Körperteile an sich hatte, obwohl er gerade in der Reichweite meines Hundes gewesen war.

"Find ich gut", grinste der Braunhaarige.

"Ich auch."

Mit diesen Worten drückte ich ihm die Leine in die Hand, sodass ich nun beide Hände frei hatte. Mit denen packte ich erneut meinen Koffer und konnte ihn nun deutlich leichter ziehen.

"Hey!", protestiete er nur, doch ich streckte ihm die Zunge heraus.

Im Takt der Musik bewegte ich mich nun leicht summend weiter. Ich achtete nicht sonderlich auf meinen Weg, ein Fehler, der mir schmerzlich bewusst wurde, als ich ein beängstigendes Kribbeln im Bauch spürte und merkte, dass unter meinem rechten Fuß kein Boden war.

"Louis!", kreischte ich, doch es war schon zu spät.

Ich kippte nach vorne um, der Kopfhörer wurde mir aus den Ohren gerissen und mit lautem Gepolter stürzte ich die (glücklicherweise nicht ganz so lange) Rolltreppe hinunter.

Die ganze Situation musste wohl ziemlich merkwürdig gewirkt haben, da ich zu jedem Aufprall ein wehleidliges 'Au!' von mir gegeben hatte. Unten purzelte ich noch einige Meter weiter, bis ich schließlich etwa drei Meter neben der gemeinen Rolltreppe zum Halt kam. Ich blieb erst einmal liegen, um mich zu sammeln. Mein Steißbein tat höllisch weh und noch dazu ein paar andere Stellen, mit denen ich auf irgendeiner Kante aufgekommen war.

"Mia?!", rief Louis geschockt, ich hörte Schritte und das aufgeregte, tiefe Bellen meines Hundes, doch die beiden konnte ich schon gar nicht mehr sehen, da sich eine Menschenmenge um mich gebildet hatte.

"Alles in Ordnung mit Ihnen?", fragte eine junge Frau besorgt, während die meisten eiskalt ihre Handys herausholten und Fotos machten. Na danke auch! Benommen setzte ich mich hin und überprüfte sowohl Arme als auch Beine gründlich. Alles schien noch funktionstüchtig zu sein.

"Ja, ich glaube ..."

"Hey, da vorne ist Louis Tomlinson!", unterbrach mich irgendjemand und der Mob drehte sich um.

Es dauerte gerade mal zehn Sekunden, dann hatten sich bestimmt neunzig Prozent der Leute umgewandt und das neue Opfer gefunden.

Die Frau war immerhin bei mir geblieben und half mir nun auf die Beine.

"Alles okay bei dir, Mia?!", versuchte Louis währenddessen gegen die Menge anzukommen, aber das war nahezu unmöglich. Warum waren alle anderen schon weg?! Konnte denn keiner dem armen Jungen aus dem Gewimmel helfen?

"Es geht schon", gab ich laut zurück und bedankte mich bei meiner Helferin.

Tatsächlich hatte der Fall wahrscheinlich schlimmer ausgesehen, als er gewesen war. Als sich eine kalte Schnauze an meine Hand drückte, wusste ich, dass Louis die Leine los gelassen hatte. Hastig sammelte ich diese wieder auf und ging auf die Menschenmenge zu. Ich musste zugeben, dass es wirklich cool hätte aussehen können, wie die ganzen Menschen eine einzelne Person umringten, deren Kopf daraus hervorstach. Das Problem bei der Sache war jedoch, dass Louis eben nicht hervorstach, weil er einfach zu klein war und somit zwischen den anderen Leuten völlig unterging. Hastig fuhr ich die Ellebogen aus, doch ich musste zugeben, dass es am Ende wohl doch mein Hund war, der es mir ermöglichte, mich durch die Masse zu zwängen und letztendlich bei Louis anzukommen, der mich dort erwartete. Eilig stellte ich mich vor ihn.

"Du bist übrigens ein musikalisches Genie", scherzte er trocken.

Konnte er in so einer Situation wirklich immer noch Witze reißen?

"Wieso das?", wollte ich wissen und versuchte dabei vergeblich einen Typen vom Fotos machen abzuhalten.

"Dein 'Au' kam genau im Takt des Liedes", erklärte er mir grinsend.

Ich konnte jedoch nicht über den Scherz lachen, da mich gerade ein besonders aggressiver Mann anpöbelte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er ein Fan war, eher einfach aufmerksamkeitsgeil.

"Mach Platz!", befahl ich ihm barsch.

"Willst du dich mit mir anlegen?!", tobte er.

"Na los, verzieh dich!"

Der Kopf des Typen wurde rot.

"Ich würde dich so kaltmachen!", wütete er und ich zog eine Augenbraue hoch.

"Ach ja?", sagte ich. "Willst du es drauf anlegen?"

"Willst du Prügel? Das kannst du haben!", brüllte er und holte aus.

Ich jedoch war schneller und schlug ihn einmal gekonnt mit der Handkante, sodass er doch tatsächlich umkippte.

"Lustig, das funktioniert ja wirkich!", murmelte ich, mehr zu mir selbst, doch Louis unterbrach meine Freude.

"Gott, Mia, was hast du gemacht?!", rief er panisch und kniete sich zu dem Typen hinunter, um den die Masse nun kreiste.

"Der ist nur k.o.", erklärte ich ihm.

"Du sollst ihn aber doch nicht k.o. schlagen!", meinte der Star und fuhr sich durch die Haare.

"Der ist gleich wieder fit", beruhigte ich ihn, zerrte an seinem Ärmel und sorgte gleichzeitig dafür, dass die Koffer mit uns kamen.

"Und wir sollten verschwinden, bevor die Leute wieder auf dich achten!"

"Aber ..."

Ich verdrehte die Augen.

"Der wird gleich wieder putzmunter sein, Louis!"

Er warf noch einen Blick zurück, bevor er sich zu mir gesellte und wir von dem Mob weg hasteten.

"Mach das nie wieder, Mia!", knurrte er noch eindringlich, aber auch er musste sich doch eingestehen, dass es etwas gebracht hatte!

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt