10.1: Einfach so

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"Und du bist dir sicher, dass ich mit zu diesem Interview kommen soll?", fragte ich Louis nun zum dritten Mal, obwohl es jetzt ohnehin zu spät war, da ich bereits im Auto saß.

"Ja", versicherte er mit Nachdruck, "natürlich. Ich brauche Bodyguards und Dave und Rick schaffen das nicht alleine!"

Trotzdem war ich unsicher und spielte am Anschnallgurt herum.

"Allerdings wirken vor allem Liam, aber auch Niall nicht so, wie wenn sie mich mögen würden", gab ich zu bedenken und das darauf folgende 'Die müssen sich nur an dich gewöhnen' war nicht gerade überzeugend.

"Ganz nebenbei, wo sind Rick und Dave überhaupt?", fragte ich, um mich selbst auf andere Gedanken zu bringen. Eigentlich wollte ich es ja gar nicht so genau wissen, denn auf Dave konnte ich sehr gut verzichten und Rick würde - vor allem, seit ich ihn mit meinem Hund allein im Hotelzimmer zurückgelassen hatte - auch sehr gut ohne mich klarkommen.

"Ich bin mal wieder richtig unnötig", maulte ich, ohne ihm Zeit zur Antwort auf meine vorherige Frage zu geben.

"Das bist du nicht!", widersprach er mir energisch. "Du hattest die Idee für das alles hier! Man braucht dich hier ... ich brauche dich hier!"

Er sah mich lange und eindringlich an.

"Okay? Du bist nicht unnötig!"

Ich schluckte schwer, nickte dann aber.

"Okay", wisperte ich und blinzelte einige Male verwirrt, bevor ich meinen Blick aus dem Fenster richtete und beobachtete, wie unser Gefährt in die nächste Straße einbog, zu dem Studio, in dem das Interview stattfinden sollte.

Der Wagen hielt, ohne, dass wir ein weiteres Wort gewechselt hatten und wir stiegen ebenso schweigend aus.

"Louis?", hörte ich die Stimme eines jungen Mädchens und drehte mich um, um eine Person mit blonden Haaren zu erkennen, die die Straße entlang gelaufen und bei unserem Anblick stehengeblieben war.

"Oh mein Gott, es ist wirklich Louis Tomlinson", wisperte sie fassungslos, als auch mein Schützling seinen Blick auf sie richtete.

"Ich liebe deine Musik", fuhr sie hastig fort, "du bist mein großes Idol, Louis! Ich bin ein riesiger Fan von dir!"

Zögerlich trat sie einige Schritte näher und zu meinem Erstaunen konnte ich wirklich Tränen in ihren Augen glitzern sehen. Ach du Scheiße, das war wirklich ein großes Fangirl! Aber eigentlich war sie doch ganz süß und nicht so anstrengend wie die VerFabs oder eine Kreischmaschine.

"Komm, Mia, wir sollten reingehen", murmelte Louis in meine Richtung und ich sah ihn ungläubig an.

"Wirst du jetzt bitte zu dem Mädel gehen und ihr ein Autogramm geben?!", sagte ich vorwurfsvoll. "Die ist doch total harmlos und freut sich gerade wie ein Plätzchen, dass sie dich wirklich mal treffen kann!"

"Aber wenn wir hier länger rumstehen, kommt bald eine ganze Horde ...", begann er leise zu protestieren, allerdings schob ich ihn derweil schon nach vorne, in die Richtung des Fans.

"Na hopp", befahl ich ihm, "so berühmt bist du nun auch wieder nicht! Du kannst bestimmt auch mal zwei Minuten länger auf der Straße stehen."

Zögerlich ging er auf den jungen Fan zu, setzte nach einigen Schritten aber schon ein herzliches Lächeln auf und gab einen Plauderton vor, während das Mädchen so aussah, wie wenn sie nicht glauben könne, dass dies alles hier wirklich real war.

Ich dagegen grinste in mich hinein. Mein gutes Werk für heute hatte ich schon einmal vollbracht.

Aber noch während ich hier stand, hörte ich ein anstrengendes Kreischen, das einer Alarmanlage glich, in meinen Ohren und wusste: Louis hatte wohl doch Recht gehabt. Denn einige Meter entfernt erkannte ich mehrere Mädchen, die wild kreischend auf uns zugerannt kamen.

"Woah", murmelte ich, zog am Arm des Sängers, der sich nun eilig von der Blonden verabschiedete und versuchte ihn durch die rettende Tür des Gebäudes zu bugsieren. Ich war nicht schnell genug. Noch einige Meter davor wurden wir schon von einer Traube von Menschen umringt und die ersten Fotos wurden geschossen.

Schützend stellte ich mich vor Louis, der ein genervtes 'Ja ja, ich merke, dass ich nicht so berühmt bin' von sich gab, das ich zu ignorieren versuchte. Normalerweise wäre ich vielleicht einsichtiger mit den ganzen Fans gewesen, aber nicht, wenn wir in weniger als drei Minuten einen wichtigen Termin hatten, zu dem wir unbedingt erscheinen mussten.

"Leute, tut mir leid, aber wir müssen gehen", versuchte auch Louis nun die Situation zu erklären, doch nur ein Bruchteil der Menschen um uns herum hatten diese Aussage überhaupt gehört und noch weniger reagierten darauf.

Ich schob den Braunhaarigen nach hinten, sodass wir auf diese Weise zur Tür kommen konnten, denn dahinter würden höchstwahrscheinlich Dave, Rick und noch einige andere Bodyguards stehen, die mir Unterstützung leisten konnten. Alleine mit so vielen Fans kam ich nämlich nicht ganz so gut klar.

Langsam aber sicher schob ich ihn weiter, bis ich irgendwann einen Schmerz an meinem Schienbein spürte, herumfuhr und in zwei funkelnde, dunkle Augen eines Mädchens sah, das vielleicht zwischen fünfzehn und siebzehn Jahre alt war.

"Lass mich vorbei! Ich will zu Louis!", forderte sie frech und ich fiel vom guten Glauben ab. Was erlaubte sich dieses anstrengende Mädchen denn?!

"Lass mich vorbei, ich will weg von euch", konterte ich.

Ein weiterer Tritt gegen das Schienbein - einfach so.

"Ich glaub mich tritt ein Pferd!", grummelte ich - erst später fiel mir auf, dass diese Redewendung in genau der Situation irgendwie sehr passend gewesen war. "Hackt's bei dir? Du hast doch nicht mehr alle Kekse in der Tüte! Und so willst du zu Louis kommen? Indem du mich trittst? Ich geb dir gleich dein Autogramm, aber volle Kanne in dein Gesicht, Mädchen!"

Okay, vielleicht reagierte ich ein bisschen über ...

Louis, der bemerkt hatte, dass ich Probleme hatte, legte mir eine Hand auf den Rücken.

"Mia", meinte er in warnendem Tonfall, "lass gut sein."

Wütend schnaubte ich.

"Das kleine Miststück da tritt mich und ich soll es einfach ignorieren?!", tobte ich, kam aber nicht weiter, weil ich an meinem Arm zurückgezogen wurde, eine Tür kurz darauf ins Schloss fiel und ich mich im Inneren eines Gebäudes wiederfand. Wir hatten unser Ziel schon erreicht gehabt? Nun ja, dieser VerFab hatte mich wirklich aus der Bahn geworfen.

Louis zog mich um die nächste Ecke, während im Flur Fußgetrappel zu hören war und einige Bodyguards nach draußen gingen, um die Menge zu beruhigen.

"Diese kleinen Pisser!", regte ich mich weiter auf. "Sie tritt mich einfach! Sie ist verdammt noch mal ein Fan und sie hat nicht das Recht dazu!"

Mit belustigt funkelnden Augen sah Louis mich an.

"Ich hätte sie fertigmachen können", fuhr ich also ungehindert fort, "diese kleinen Kinder regen mich so dermaßen auf ..."

"Mia ...", versuchte Louis mich zu unterbrechen, doch ich ließ ihn nicht.

"Nix Mia", knurrte ich, "Mia geht gleich VerFabs schlagen! Wenn die ..."

"Mia", probierte Louis es ein zweites Mal.

"Ich geb denen gleich Mia!"

"Mia!"

Beim dritten Mal stoppte ich tatsächlich und sah ihn mit funkelndem Blick an.

"Was?!"

Er zog einen Mundwinkel hoch.

"Halt einfach mal die Klappe, Idiot."

Und dann, ohne, dass ich es irgendwie geahnt oder vorhergesehen hätte, legte er seine Lippen auf meine und küsste mich - einfach so.

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt