12.1: Wer hoch fliegt, hat einen Flugzeugabsturz

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Ein unangenehmes Treffen mit meiner Mutter und ihrer neuen Familie später saßen Louis und ich in seinem Jet in Richtung USA. Ich mit beklommenem Gefühl, denn wir würden Freddie und Briana besuchen.

Der Braunhaarige hingegen schien sich auf das Wiedersehen zu freuen - nicht gerade verwunderlich, da wir zu immerhin seinem Sohn flogen.

Nebeneinander saßen wir im Flugzeug. Wieder waren eine ganze Menge Leute bei uns, aber an so etwas hatte ich mich mittlerweile gewöhnt. Sobald Lou irgendwie reiste, war eine ganze Horde an Leuten dabei, um für sein Image, seine Sicherheit und andere Dinge zu sorgen.

"Wo lässt du deinen Hund denn immer, wenn du weg bist?", fragte ich verwundert, als mir auffiel, dass in dem Flieger zwar Karly, aber nicht Clifford war.

"Bei Freunden", antwortete er knapp.

"Wieso kannst du ihn nicht mitnehmen?"

Er seufzte und lehnte sich im Sessel zurück.

"Erstens: dein tollwütiges Vieh - ja ja, es war nicht so gemeint!"

Er duckte sich unter meinem wütenden Blick. Wenn jemand negativ auf Karly zu sprechen kam, konnte ich wirklich ungemütlich werden, das wusste er.

"Zweitens habe ich einfach nicht die Zeit dazu. Wenn ich bei Freddie bin, möchte ich auch etwas mit meinem Sohn machen und nicht mit meinem Hund Gassi gehen müssen."

Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. Das eine musste das andere ja nicht unbedingt ausschließen!

"Und drittens habe ich ihn vergessen", murmelte er kleinlaut und mit dem Kopf in eine andere Richtung gedreht.

"Du hast nicht ernsthaft deinen Hund vergessen, oder?", sagte ich entgeistert.

"Ich habe vergessen, alles für ihn vorzubereiten! Tiertransporte kann man nicht ganz so einfach mal machen. Und ich war mit deinem Hund schon beschäftigt genug, da habe ich einfach nicht mehr an meinen gedacht!", versuchte er sich hilflos zu erklären.

"Nicht dein Ernst jetzt", meinte ich und lachte hilflos. Der Junge hatte seinen Hund vergessen. Seinen Hund.

"Dein nächstes Haustier wird bitte so klein, dass es ins Handgepäck passt", grummelte ich.

Eine kurze Stille.

"Wir könnten uns einen Chihuahua anlegen", brach mein Freund diese dann plötzlich.

Ich schüttelte mit dem Kopf.

"Karly hält den noch für 'ne Ratte!"

Mein Hund liebte es, auf Mäuse- und Rattenjagd zu gehen.

"Außerdem", fügte ich noch hinzu, "wäre das schon ein bisschen abgehoben, sich einfach mal so 'nen neuen Hund zu gönnen - jedenfalls, wenn er von einem angesehenen Züchter stammt ... das könnten manche als Beleidigung auffassen."

Er grinste schelmisch.

"Wer hoch fliegt, fällt tief, oder wie?"

Schaudernd sah ich aus dem kleinen Fenster des Privatjets.

"Ungünstig, diesen Spruch in einem Flugzeug zu bringen."

Er musste nun wirklich lachen.

"Ich habe es doch schon immer gewusst. Wer hoch fliegt, hat einen Flugzeugabsturz."

Na toll. In den nächsten paar Stunden musste ich wirklich daran denken, was passieren würde, wenn wir abstürzen würden. Ich hatte keine Flugangst oder so, aber gerade eben, wo ich darüber nachdachte, fiel mir doch auf, dass wir ganz schön hoch waren. Besorgniserregend hoch.

"Was passiert, wenn in genau diesem Moment ein Vogel in eins der Triebwerke fliegt?", fragte ich nervös.

"Flugangst?", stellte der Bodyguard Rick eine besorgte Gegenfrage - er war von Richtung Toilette gekommen und musterte mich kritisch.

"Eigentlich nicht", erwiderte ich, "aber ich mache mir eben Gedanken!"

Er kniff die Augen zusammen.

"Eindeutig Flugangst."

Schnaubend wandte ich mich ab. Ich hatte keine Lust, ihm das alles zu erklären. Aus dem Fenster sehend beobachtete ich die flauschig aussehenden Wolken.

"Aber wie war das jetzt mit den Vögeln im Triebwerk?"

Louis, der sich vorher in einem der gemütlichen Sessel zurückgelehnt hatte und in eine Art Sekundenschlaf oder so gefallen war, hob seinen Kopf und blinzelte müde.

"Wir haben Vögel im Triebwerk?", murmelte er benommen.

"Klar", gab ich genervt zurück, "spürst du denn nicht, dass das Flugzeug gerade im Sturzflug gen Erde rast? Ich glaube, wir werden alle sterben."

Der Verschlafene kratze sich am Nacken.

"Wir sterben?", wiederholte er, schwer von Begriff.

"Korrekt."

Er sah sich um, kam scheinbar zu dem Schluss, dass ich ihn nur aufgezogen hatte, da alle anderen auch noch ganz ruhig waren und ließ sich zurück in die Sessellehne plumpsen.

"Wie ein nasser Sack", kommentierte ich grinsend. Das verstand er trotz Müdigkeit einwandfrei!

"Warte - hast du mich gerade als Sack bezeichnet?", brummte er beleidigt.

"Als nassen Sack", verbesserte ich ihn, "und ja, das habe ich."

Er brauchte einen Moment, um das zu realisieren.

"Hey!", rief er dann aus und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. "Selber nasser Sack."

Was waren wir seriös und erwachsen ...

Nach einigen stillen Minuten erhob Louis seine Stimme erneut.

"Magst du Freizeitparks?", fragte er mich ganz plötzlich und ich blinzelte verwirrt.

"Ähm ... ja, eigentlich schon", antwortete ich ihm dann. "Wieso?"

Er zuckte mit den Achseln.

"Ich hatte gedacht, ich könnte mit Freds mal zu einem Freizeitpark gehen. Du weißt schon, da gibt es ja auch immer einige Fahrgeschäfte für kleinere Kinder. Ich denke, du solltest mitkommen."

Langsam nickte ich, schluckte dabei aber schwer. Vielleicht waren meine ganzen Ängste ja vollkommen unbegründet. Es war schließlich nicht gesagt, dass Lou und ich uns jemals trennen würden. Vielleicht konnte ich wirklich so etwas wie Freddies zweite Mutter werden? Der Gedanke gefiel mir sogar ziemlich gut - ich wollte später immerhin auch mal Kinder haben. Damit, dass er nicht mein Sohn war, hatte ich auch kein Problem, denn ich sah meine Halb- und Stiefgeschwister auch nicht als Fremde, sondern eher als meine wirklichen Geschwister an. Wieso sollte ich Louis' Sohn dann nicht auch als meinen eigenen ansehen können?

Aber trotzdem, es war einer der Gründe, wieso Liam sich solche Sorgen gemacht hatte. Da ich mich an die erste Begegnung mit dem Braunäugigen erinnerte, bei der er sich mit Lou gestritten hatte, vermutete ich, dass er sehr familienbewusst war und sich ernsthaft Sorgen um das Wohlergehen des Sohnes seines ehemaligen Bandkollegen machte. Bei meinen manchmal ganz plötzlich aufkommenden Stalk-Attacken, hatte ich herausgefunden, dass Harry eigentlich immer der Womanizer der Band gewesen war, doch ich wusste mittlerweile ja schon, wie wenig Verlass auf die Medien bei wirklichen Fakten war. Was, wenn der Braunhaarige, den ich zu kennen glaubte, eigentlich derjenige war, der jede Woche mit einer neuen Freundin ankam?

Im gleichen Moment verwarf ich den Gedanken allerdings schon wieder. Er wirkte so, wie wenn er Freddie ehrlich lieben würde, daher wäre es einfach sinnlos, dafür zu sorgen, dass sein Sohn mich besser kennenlernte, wenn er mich in einigen Tagen so oder so wieder verlassen würde. Und Louis hatte auf mich auch nicht den Eindruck eines Womanizers gemacht.

Freddie und ich würden uns sicher großartig verstehen. Und auf diesem Flug gab ich mir selbst ein Ehrenwort: Ich würde Louis' kleinen Sohn nicht vergessen, auch wenn wir uns jemals trennen würden. Denn nach Lous vorherigen Freundinnen dann auch eine weitere Bezugsperson zu verlieren, hatte der Kleine wirklich nicht verdient.

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt