13.2: Ich bin dabei

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Andere Mädchen wären zusammengebrochen. Andere Mädchen hätten sich tagelang in ihrem Zimmer verkrochen, hätten Schokolade auf der einen, Chips auf der anderen Seite ihres Bettes gehamstert, die Rollläden komplett runtergezogen und sich selbst, ihr dummes Schicksal und ihr gebrochenes Herz beweint. Aber nach all der Zeit stand wohl ziemlich fest, dass ich nicht normal war. Ich war eben Mia. Und somit sollte man fast nicht überrascht sein, dass ich diesen Brief mit einem genervten Stöhnen betrachtete.

Ich war wütend. Wütend darauf, dass der Klugscheißer immer meinte, alles besser wissen zu müssen. Und auch darauf, dass ich jetzt schon wieder würde umziehen müssen. Na danke auch! Hoffentlich hatte er mir genug Kohle überwiesen, dass ich mir ein ebenso großes, wenn nicht sogar größeres Haus kaufen konnte. Aber das wäre so oder so überflüssig, denn ich würde ihm beweisen, dass er sich irrte! Ich würde ihm zeigen, dass es auch noch eine andere Lösung für das Problem gab, als einfach Schluss zu machen, obwohl wir einander noch liebten.

Das war nämlich der Fakt, der verhinderte, dass ich in Tränen ausbrach: Er hatte mehrmals in dem Brief gezeigt, dass er mich noch immer liebte und nur zu meinem vermeintlichen Besten gehandelt hatte. Drama-Queen, wie ich schon einmal gesagt hatte. Doch eine Drama-Queen, die mich liebte und daher hatte ich die Hoffnung für uns noch lange nicht aufgegeben.

Verärgert zerknüllte ich das Papier, brachte es allerdings nicht über's Herz, es wegzuschmeißen, sondern strich es stattdessen wieder glatt und heftete es mit einem Magneten an den Kühlschrank.

"Tja, Lou", murmelte ich leise vor mich hin, "ich muss dich enttäuschen: Ich werde in der nächsten Zeit wohl eher nicht ausziehen."

Nun mit neuem Elan griff ich nach meinem Handy und wählte Nialls Nummer. Irgendwann musste ich es ja hinter mich bringen.

Anscheinend aber nicht jetzt, denn ich musste feststellen, dass Niall scheinbar die Funktion eingestellt hatte, dass nicht eingespeicherte Nummern ihn nicht anrufen konnten. Eigentlich logisch, falls doch mal irgendein Fan seine Nummer herausbekommen sollte, doch in meinem Falle ziemlich ärgerlich.

Schließlich blieb mir nichts anderes übrig, als noch einmal Harry zu kontaktieren.

Nach dem vierten Klingeln nahm er endlich ab.

"Sag mal, spinnst du eigentlich, Mia?", fuhr er mich an. "Es ist sieben Uhr morgens!"

Oh. Daran hatte ich in all dem Eifer gar nicht mehr gedacht! Dann war es vielleicht doch besser gewesen, dass ich nicht einmal bis zu Niall durchgekommen war.

"Jetzt bist du ja eh wach", entgegnete ich.

"Ja", grummelte er, "lieben Dank auch. Du hättest die paar Stunden, bis ich dich anrufen wollte, auch warten können."

"Du wolltest mich anrufen?", wiederholte ich erstaunt.

"Ja. Bin dabei", gähnte er und ich brauchte einen Moment, bis ich verstand, was er meinte.

"Krass. Das heißt, du bist wieder voll und ganz in der Band?"

"Nein", erwiderte er sarkastisch, "nur Dienstag, Donnerstag und Freitag. Natürlich voll und ganz!"

Ich war so erleichtert, dass ich laut loslachen musste. Eine ziemlich komische Reaktion, wenn man bedachte, dass ich gestern entlassen wurde, mein Freund sich vor etwa einer halben Stunde von mir getrennt hatte und ich noch dazu mehr oder weniger illegal hier wohnte - er hatte mir ja schließlich gesagt, ich solle ausziehen. Ja, wirklich nicht direkt der passendste Moment zum Lachen.

"Kann ich jetzt wieder pennen gehen?", brummte Harry verschlafen.

"Nein", bestimmte ich kurzerhand, "du ziehst dich jetzt an, steigst in dein Auto und fährst mich zu Niall, wenn du mir sonst schon nur unnützes Zeug über ihn verrätst. Mit seiner Nummer kann ich absolut nichts anfangen."

Er gab ein protestierendes Geräusch von sich.

"Und wenn du gerade schon dabei bist: Du kannst auch gerne einen Sportwagen nehmen."

"Wieso muss ich überhaupt mitkommen?", beschwerte er sich.

"Weil zwei Menschen überzeugender als einer sind."

Ein Seufzen war zu hören, dann eine kurze Pause.

"Dann sieh zu, dass du bereit bist, wenn ich bei dir bin", gab er schließlich nach und ich grinste.

"Alles klar!"

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In Rekordgeschwindigkeit hatte ich mich angezogen, war mit Karly Gassi gegangen und war somit fertig, als Harry vor der Tür stand. Dann war uns allerdings aufgefallen, dass es erst Viertel vor acht war und es etwas unhöflich wäre, zu einer so frühen Uhrzeit unangekündigt bei Niall aufzutauchen, woraufhin wir erst einmal gefrühstückt hatten - Harry hatte den Iren währenddessen nach einem Treffen gefragt, er konnte ihn ja erreichen, doch auf seine Nachricht hatte er nicht geantwortet - und erst gegen halb zehn brachen wir erneut auf.

"Wenn Niall jetzt noch schläft, hat er Pech gehabt", grummelte Harry und sog gleich darauf scharf Luft ein, als ich sein teures Gefährt nur knapp an einem silbernen Smart vorbeisteuerte.

"Hey, vorsichtig! Die Reperatur kannst du mir nicht mal bezahlen", warnte er mich mit erhobenem Zeigefinger und ich zuckte mit den Achseln.

"Von deinen 60 Millionen - oder wie viel auch immer du momentan besitzt - kannst du doch auch bestimmt eine Kleinigkeit für dein geliebtes Auto entbehren, falls ich es zu Schrott fahre. Aber ganz nebenbei, das ist ja noch nicht passiert! Nicht nur Männer können Auto fahren."


"Das sage ich ja auch gar nicht!", verteidigte er sich sofort. "Aber wenn du mit zwei Zentimetern Abstand an dem Smart da vorbeibraust ...?"

"Dann sind zwischen mir und dem Smart noch immer zwei Zentimeter Luft", ergänzte ich zufrieden und einfach nur deshalb trat ich noch ein bisschen mehr auf das Gaspedal.

Mit bleichem Gesicht krallte Harry sich am Sitz fest und ich lachte ausgelassen.

"Ach komm schon, so schlimm ist es nicht!", rief ich ihm voller Begeisterung zu.

Es gab noch Hoffnung für Louis und mich. Dieser Gedanke malte mir immer wieder ein Lächeln auf mein Gesicht.

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt