Ernesto
„Roscoe!", rufe ich wutentbrannt, „das steht nicht zur Diskussion."
„Weil nie etwas zur Diskussion steht, verdammt noch mal", funkelt er mich mörderisch an und kommt mir dabei beängstigend nahe. Das Blut an seinen Händen ist noch nicht getrocknet und obwohl Nathalia nach Stunden endlich aufgewacht ist, macht das die Situation nicht besser. Aus dem Tattoostudio dringen schmerzerfüllte Aufschreie und ein andauerndes, lautstarkes Weinen. Obwohl der Morgen bald anbricht, habe ich mich nie so restlos gefühlt.
„Das kannst du nicht bringen, du Idiot", schreit Roscoe und kratzt furios seine Handflächen. Obwohl das bisherige Blut an seinen Händen nicht das seine ist, wird es das bald werden. Doch das ist mir egal. Auch in mir drin tobt ein Sturm. In die Wut auf Roscoe mischt sich die Angst vor dem Kommenden. Doch natürlich erwähne ich das nicht. Stattdessen mache ich beschwichtigend einen Schritt zurück. Seine eklige Spucke auf meinem Gesicht brauche ich nicht auch noch.
„Du bist hier nicht der Anführer", verteidige ich mich stolz und hebe mein Kinn ein bisschen. Von Roscoe bin ich mir solche Gewaltdrohungen schon fast gewohnt. „Was ich bringen kann, entscheide immer noch ich."
„Manchmal bezweifle ich wirklich, dass du ein Gehirn hast", schüttelt der Funke seinen Kopf und funkelt mich weiterhin mit bösen Augen an. „Das ist doch absoluter Schwachsinn. Ich will, dass das die Inneren Funken entscheiden! Marleen hat da ganz bestimmt auch was zu sagen."
„Nur weil du immer gleich bei der ersten Gelegenheit einen Aufstand anzetteln würdest, heisst das nicht, dass das die beste Lösung ist", erwidere ich selbstsicher.
Noch immer dringen schmerzerfüllte Schreie vom Keller herauf, was mich nicht gerade beruhigt. Wie hat das alles nur passieren können? Wie hat Roscoe das alles zulassen können? Obwohl er normalerweise einen guten Instinkt für Gefahren und das richtige Handeln hat, ist er dieses Mal überhaupt nicht zu gebrauchen gewesen. Hat er sich ablenken lassen? Aber von was? Und nun müssen Nathalia und Noe dafür büssen.
Ich bezweifle, dass er sich überhaupt um die Schreie unten kümmert, so versessen wie er auf mich einredet.
„Noe jetzt dort herauszuholen wäre Wahnsinn", erkläre ich ihm über den schrillen Klang hinweg. „Bevor wir das tun, müssen wir mehr über unsere Situation wissen. Ob sie dir gefolgt sind, ob sie wissen, wo wir uns alle aufhalten."
„Das sind sie nicht", fuchtelt er wild mit den Armen herum, „das habe ich doch gerade eben gesagt. Hörst du mir überhaupt zu? Deine übertriebenen Haare stopfen sich wohl in deine Ohren."
„Hör doch auf", schüttle ich entrüstet den Kopf. „Das ist so kindisch, Roscoe."
„Jetzt hör mir mal zu..."
„Nein!", unterbreche ich ihn. „Jetzt hörst du mir mal zu! Ich habe deine ewigen Ansprüche langsam aber sicher satt. Ich will Noe genauso sehr da rausholen, wie du. Aber zuerst will ich wissen, ob wir uns alle in Gefahr befinden. Wir können nicht einfach tun, was wir wollen. Wir haben Menschen, die auf uns zählen."
„Ah", schreit Roscoe lautstark heraus. „Mit dir kann man einfach nicht reden. Wenn du nichts unternimmst, dann werde ich das eben tun."
„Wenn du das tust, dann bist du raus."
Rauchend vor Wut bleibt der stämmige Funke einen Moment vor mir stehen und ich glaube schon, im nächsten Moment eine Faust einkassieren zu müssen. Doch dann dreht er sich auf der Ferse um und stapft fluchend davon. Nicht weit von mir entfernt tritt er gegen einen kleinen Stein und stösst erneut einen Schrei aus.
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Fehlerhaft - Bist du das Leben wert?
Science FictionEs ist kein Geheimnis: Die Ressourcen sind begrenzt. Wasser, Erdöl, Kohle; all das wird irgendwann ausgehen, womöglich schon bald. Aber wie soll man dann eine stetig wachsende Bevölkerung versorgen? Nun, es gibt nur eine Lösung, die auf längere Z...