Roscoe
Ich bin fertig. Das ist das letzte Mal, dass ich Ernesto die falsche Entscheidung treffen lasse. Noe muss da raus. Und zwar so schnell es geht. Schon sechs Funken haben zugestimmt, dass sie bei einer gut geplanten Aktion sofort mithelfen. Wenn ich noch einen mehr finde, sind wir bereit. Acht Rebellen – das ist alles, was ich brauche.
Und ich weiss schon ganz genau, wo ich den letzten finde.
„Trevor", rufe ich über das stete Rauschen des Wassers. Sofort dreht sich der Rebell um und schaut mich grimmig an. Mit seinem dichten Bart sieht er noch unzufriedener und strenger aus, als er es wirklich ist. Allerdings ist er ausserdem seit einer Ewigkeit ein Funke. Und dazu extrem friedliebend. Er wird mir ganz bestimmt nicht bei meiner riskanten Aktion helfen. Eher würde er uns alle bei Ernesto verraten.
„Was gibt's?", fragt er zurück und nickt mir aufmerksam zu.
„Ich löse dich für heute ab."
„Aber ich bin den ganzen Tag hier eingeteilt", erklärt er stirnrunzelnd.„Na und? Willst du lieber am stinkigen Wasser sitzen, oder die Waffenkammer aufräumen?", frage ich gekonnt. Das Angebot, unsere Posten zu tauschen, muss ziemlich verlockend sein. Auch ich wäre unter anderen Umständen froh darüber, den Tag unter der Halle zu verbringen. Stattdessen drücke ich mein Bandana enger an meine Nase.
„Ist das abgesprochen?", will er kritisch wissen.
„Spielt das eine Rolle?", entgegne ich ungeduldig. „Solange alles erledigt wird, kann niemand etwas maulen."
„Da ist doch was faul", wittert Trevor natürlich. Er ist nicht nur friedliebend, sondern hat auch ein sehr gutes Gespür für seine Mitmenschen. „Wieso willst du das tauschen?"
„Trevor, akzeptier einfach das Angebot und verschwinde."
„Na gut, wie du willst."
„Vielen Dank."
Während Trevor seine Tätigkeit einstellt und den Wasserfilter am Dock anknotet, stelle ich meinen Rucksack auf den Boden. Obwohl es so nahe am Wasser wirklich übel riecht, vergeht meine schlechte Laune ein wenig. Grund dafür ist sie.
„Hey", rufe ich über das Rauschen zu ihr hinüber. Angestrengt versuchen ihre langen Finger, den Wasserfilter Nummer zwölf zu leeren. Die vielen Liter Wasser im Behälter sind eigentlich viel zu schwer für ihre zarte Figur.
„Kat", rufe ich noch einmal, da sie mich nicht gehört zu haben scheint. Zu meiner Erleichterung stapft Trevor endlich davon.
Der Klang des strömenden Wassers verdrängt alle anderen Geräusche. Da Katherine so konzentriert arbeitet, habe ich eine Weile Zeit, um sie zu beobachten. Mit verengten Augenbrauen kniet sie am Ufer und lässt nicht von dem Knoten ab, den sie so angestrengt zu lösen versucht.
Ihre inzwischen rastaähnlichen Zöpfe hängen ihr teils über den Rücken, teils trägt sie sie als Knoten auf dem Hinterkopf. Ihre Lippen presst sie konzentriert aufeinander. Obwohl ich ihre wunderschönen Augen momentan noch nicht sehen kann, überkommt mich ein Gefühl der Zuneigung. Ein seltsames Gefühl.
Selbstsicher hole ich einen leeren Wasserbehälter vom gut versteckten Lager und trete gleich darauf zügig zu ihr heran.
„Hey", grüsse ich noch einmal und lege den leeren Tank neben ihr ab. Die neue Rebellin schreckt sofort aus ihren Gedanken. Obwohl ich mir ein Lächeln nicht verkneifen kann, schaut sie mich gefühllos an. Selbst ihre feurigen Augen haben ihr Glitzern verloren.
Ich habe gehört, was ihrem Bruder widerfahren ist – schliesslich bin ich ein enger Verbündeter von Cassius. Obwohl mich fremde Menschen grundsätzlich nicht interessieren, tut mir ihr Verlust leid. Ich selber habe noch nie jemanden verloren, der mir wichtig ist, was wohl auch daran liegt, dass das sowieso grundsätzlich niemand ist. Deshalb kann ich ihren Schmerz auch nicht nachempfinden. Dennoch möchte ich da sein für dieses sonderbare Herz, dass mich seltsamerweise zu bewegen vermag.
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Fehlerhaft - Bist du das Leben wert?
Science FictionEs ist kein Geheimnis: Die Ressourcen sind begrenzt. Wasser, Erdöl, Kohle; all das wird irgendwann ausgehen, womöglich schon bald. Aber wie soll man dann eine stetig wachsende Bevölkerung versorgen? Nun, es gibt nur eine Lösung, die auf längere Z...