Fehlerhaft - Bist du das Leben wert?

Siebenundzwanzigstes Kapitel

Gewidmet an Mare_Herzbuecher, weil dein Kommentar mich zum Weiterschreiben motiviert hat.

Roscoe

Meine Hände kribbeln von der Vibration der Drohne. Ich weiss nicht, wie lange ich sie in den Händen gehalten habe, bis Marleen sie endlich ausgeschaltet hat. Die Stärke des fingerbeerengrossen Roboters hat mich überrascht und nun kriegt sich mein Handgelenk gar nicht mehr ein. Am weichen, dehnbaren Material der Drohne habe ich fast augenblicklich die Fortschritte in Sachen Technik, die die Regierung hervorbringt, festgestellt. Die Drohne ist so viel beweglicher und anpassbarer. Damit kann sie bei jeder Temperatur und vor allem in jedem Platzverhältnis genutzt werden. Welches Material haben die Labore dann für das Innenleben und den Chip gebraucht?

Obwohl der kleine Roboter sich nun in Marleens Händen befindet, besitzt sie weiterhin meine Gedanken. Während alle anderen bereits in die Flamme zurückgekehrt sind, habe ich beim Auto auf die Wiederkehr der elektrischen Signale gewartet. Und nun fahre ich endlich als Letzter neben die Halle und schlage die Autotür hinter mir zu. Noch immer zittert meine rechte Hand leicht. Ich massiere sie mir mit der linken und lehne mich kurz an den Jeep.

Was ein Tag. Erschöpft atme ich die stinkige Luft des Lagers tief ein. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit sind wir dem Sturz der Regierung einen winzigen Schritt entgegengetreten. Und haben dabei – es scheint mir nun fast nebensächlich – die Rettung unseres jüngsten Funkens klargemacht.

Nach einem ausgiebigen Gähnen binde ich mein Bandana vor die Nase und marschiere über den staubigen Boden in Richtung Zentrum. Die Sonne wird jeden Moment hinter dem Horizont verschwinden und mein Magen rebelliert gegen die Leere, die ihm der Tag in der Stadt verpasst hat. Mein Weg führt mich also als erstes in die Küche.

„Roscoe", ruft sofort jemand nach mir, als ich den grossen Keller betrete. Ich nicke in die Richtung, aus der die Stimme kommt, bin aber zu müde und zu hungrig, um stehenzubleiben. Erst vor den heissen Töpfen halte ich an, ziehe mein Bandana herunter und lege mir ein saftiges Stück Fleisch auf eine Scheibe Brot. Seit Tagen habe ich keine feste Nahrung zu mir genommen und der Duft ist absolut himmlisch. Und der Geschmack überwältigend.

„Roscoe", ertönt nun eine andere, schrecklich schrille Stimme. Allein der Klang zerstört mein herzhaftes Kauen. Ernesto. „Melde dich sofort in Marleens Werkstatt. Du bist uns noch eine Erklärung schuldig."

„Siehst du nicht, dass ich gerade esse?", frage ich schroff zurück und drehe mich zu unserem schwächlichen Anführer um. Kein Wunder, dass er keinen Hunger hat von seinem ganzen Nichtstun.

„Mach einfach", verdreht Ernesto die Augen.

„Nein."

„Wie bitte?"

„If effe", schmatze ich ihm ins Gesicht. Seine Ausreden und Anschuldigungen kann er mir später auftischen.

Angewidert und wuterfüllt schüttelt Ernesto den Kopf, wodurch ihm eine Strähne seiner dreckigen Haare ins Gesicht fällt. Wie konnten die dreckig werden, wo er doch das ganze Spektakel über in der Flamme Däumchen gedreht hat?

„Ich sehe dich in fünf Minuten in der Werkstatt", zischt er und dreht sich dann auf der Ferse um. Seine unausgesprochene Drohung berührt mich nicht. Ich kenne Ernesto inzwischen zu gut. Die Werkstatt werde ich heute höchstens noch aufsuchen, um mehr über die Drohne zu erfahren. Kein einigermassen intelligenter Anführer würde seinen besten Soldaten nach dessen Schlacht ins Quartier bestellen, bevor dieser die Gelegenheit hatte, sich auszuruhen. Wenn Ernesto das nicht begreift, kann ich seine Führung weniger denn je annehmen.

Stattdessen kaue ich eifrig auf dem etwas zähen Stück Fleisch und sitze halbers auf den Tisch hinter mir.

„Kann ich mal da hin?", reisst mich eine helle Stimme aus meiner Ruhe. Die kleine Rebellin, die wir vor Kurzem erst gerettet haben – und bei derer Rettungsaktion sich Nathalia verletzt hat – steht mit silbrig glänzenden Augen vor mir. Ich weiche ein wenig zur Seite, sodass sie zu den Tabletten gelangt.