Zweiundzwanzigstes Kapitel

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Lance

Ich bin schon immer sehr gut in Geschichte gewesen. Und ich weiss, dass es im Krieg schon immer maskierte Krieger gegeben hat, die eine Art Spezialeinheit gebildet haben. Die besten der besten, die niemand stoppen kann. Die verborgenen Helden einer Armee.

Irgendwie fühle ich mich aber nicht heldenhaft. Ich frage mich, ob das nur mir so geht.

Mit brausender Geschwindigkeit donnert der alte Jeep über die Felder, die uns von der Flamme wegführen. Dank meiner trainierten Beine und sicheren Arme kann ich mich trotz des ungestümen Gegenwindes relativ leicht am Fahrerhäuschen festhalten. Neben mir steht Pike, der genau wie ich in schwarze Tücher gehüllt ist, die im Wind flattern. Hinter uns sitzen drei Funken auf der holpernden Ladefläche während im Fahrerhäuschen drei weitere – inklusive Roscoe – sitzen.

Obwohl ich mich nur auf die Mission zu konzentrieren versuche, schweifen meine Gedanken immer wieder zu Nathalia ab. Mein Kopf schwirrt vor Sorge und Wut. Vor meinem inneren Auge sehe ich ständig ihre gebrochenen Knochen und all die Wunden, die sie unkenntlich zeichnen. Ich hege keinen Hass gegen die Regierung, die ich nie wirklich kennengelernt habe. Doch was sie Nathalia angetan haben, wird ihnen leidtun. Nun haben die rücksichtslosen Landesführer die Ruhe in mir endgültig zerstört.

Für Nathalia lohnt es sich zu kämpfen.

Ich verliere kurz den Truck unter meinen Füssen, als Roscoe ohne zu bremsen über einen kleinen Hügel rast. Pike neben mir stösst ein angestrengtes Ächzen aus, als wir beide wieder auf der Ladefläche landen.

Unzählige weitere Sprünge und eine gefühlte Ewigkeit später haben wir die Stadt endlich erreicht und uns in Zweierteams aufgeteilt.

„Das wichtigste bei Lance und Eva ist, nicht aufzufallen. Wenn ihr geschnappt werdet, können wir euch nicht herausholen, ist das verstanden?", erklärt Roscoe als wir uns im üblichen Parkhaus hinter dem Truck versammelt haben. Alle acht Funken sind in schwarze Kleidung gehüllt und tragen Mützen und Tücher, die ihr Gesicht verhüllen. Wenn wir nicht vorsichtig sind, wird man dadurch natürlich viel schneller erkannt, als in normaler Kleidung. Allerdings ist es momentan noch dunkel, genau unsere Zeit, um als Schatten durch die Strassen zu ziehen. Nur Eva und ich lösen die schwarze Verhüllung ab, worunter wir elegante Anzüge tragen.

„Weiss jeder, was er zu tun hat?", fragt Roscoe noch einmal herrisch und schaut jeden in der Runde eindringlich an. „Niemand wird gerettet, das können wir nicht riskieren. Seid vorsichtig und haltet euch an das Besprochene. Dann wird niemandem etwas zustossen, darauf habt ihr mein Wort. Wir dürfen uns ganz einfach keine Fehler leisten."

Ich nicke, genau wie die meisten anderen. Eva greift nach meiner Hand, was mich aus meiner Starre löst. Ein Blick in ihre dunklen Augen verrät mir, wie aufgeregt sie wirklich ist. Wir beide sind die einzigen, die nicht einfach davonlaufen können, wenn etwas schiefläuft. Zur Beruhigung drücke ich ihre Hand und lächle ihr zu.

„Jeder weiss die genaue Zeit, wann er zurück im Auto sein muss. Keiner kommt eine Minute früher, keiner eine später. Wir dürfen keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen, schon gar nicht als eine grosse Gruppe verhüllter Gestalten."

Nun zieht sich Roscoe sein Tuch noch einmal fester an, was ein Zeichen für unseren baldigen Aufbruch ist.

„Lance, Eva", wendet er sich erneut uns zu. „Ihr geht zuerst. Zuglinie vier, denkt daran."

Ich habe den Plan bereits in meinem Hirn eingebrannt, trotzdem nehme ich seine Erinnerung gerne entgegen. Unsere Mission ist keine Kleinigkeit, weshalb auch ich langsam aber sicher ein wenig nervös werde. Evas offensichtliche Unruhe hilft da kein bisschen.

Fehlerhaft - Bist du das Leben wert?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt