Cecilia
Der Anruf kommt mitten in der Nacht. Obwohl er mich aus meinem Schlaf weckt, stehe ich sofort auf.
„Cecilia Adonis?", grüsse ich höflich.
„Cecilia, hier ist Stephan", erklingt die Stimme meines Vorgesetzten am anderen Ende. „Wir haben einen neuen Auftrag für dich. Dafür müsstest du aber sofort nach Bridgeton fahren. Kannst du das vereinbaren?"
„Natürlich. Schick mir den Standort und ich fahre sofort los."
„Bis gleich."
„Ja, bis gleich."
Sofort stehe ich auf. Obwohl es mir lieber wäre, meine Haare herrichten und mich auffrischen zu können, schlüpfe ich schnell in einen dunklen Anzug. In der dunkelblauen Bluse finde ich eine ziemlich auffällige Falte, was mir misfällt. Beim nächsten Mal in der Wäscherei werde ich Ana auf mehr Vorsicht hinweisen müssen.
Wenige Minuten später sitze ich mit einem warmen Becher Blütentee in meinem kleinen Auto und fahre konzentriert die Strasse entlang. Curt, mein eingebauter Verkehrsführer, führt mich aus der Stadt und über ein weites Feld in ein kleines Dorf. Ich drossle das Tempo. Die Einwohner scheinen aussergewöhnlich aufgebracht, schauen aus ihren Fenstern in die Nacht oder kommen gar aus ihren kleinen Häusern.
Schon von weitem erkenne ich eine kleine Gruppe an Soldaten, die in der blaugrünen Uniform des Neuen Amerika stecken. Ich stelle den Wagen in ihrer Nähe ab und nehme den Becher mit.
„Cecilia Adonis", identifiziere ich mich einem Soldaten, der zwischen einer Haustür und mir steht. „Ich werde erwartet."
„Kommen Sie bitte mit", antwortet er nur und dreht sich um. Ich folge dem hochwüchsigen Soldaten ins Innere eines unordentlichen Hauses. Die Lichter sind fast alle aus, so dass ich die anderen Menschen im Gang nur schwer erkennen kann. Wir lassen sie zurück und treten in ein hell erleuchtetes Wohnzimmer.
Eine Familie – ich nehme an die Bewohner des Hauses – warten still in einer Ecke. In der Mitte des Raumes sitzt Stephan an einem schwarzen Tisch, dessen Lack das Licht reflektiert. Die vielen anderen Menschen im Raum sorgen für eine stickige Luft. Ich trete an meinen Vorgesetzten heran und mein Blick fällt augenblicklich auf den kleinen Jungen, der neben ihm sitzt.
„Sir", wendet sich der Soldat Stephan zu. „Cecilia Adonis."
„Danke, ich habe sie bereits erwartet", nickt mein Vorgesetzter zufrieden. „Hallo Cecilia."
„Guten Abend", lächle ich leicht. Obwohl ich nach der Fahrt im Dunkeln ziemlich müde bin, trete ich aufmerksam an den Tisch.„Das ist Noe", meint Stephan und deutet auf den kleinen Jungen neben sich. Das Kind sieht im Gegensatz zu uns Erwachsenen unglaublich dreckig aus. Sofort wird mir klar, wen wir da vor uns haben: Es muss ein Funke sein. Augenblicklich bin ich hellwach und nicke verstehend.
„Noe wurde achtlos im Wald zurückgelassen, als eine Gruppe unserer Soldaten die Rebellen haben ausfindig machen können. Zum Glück haben wir dich gefunden, nicht wahr?", erklärt mir Stephan und lächelt Noe dann eindringlich an. Sein voller Bart scheint dem Kind gut zu gefallen, da sein Blick daran hängen bleibt. Dennoch scheint der Junge so müde zu sein, dass ihm die Augen beinahe zufallen. Er bleibt stumm.
Bei den Worten verbreitet sich ein aufregendes Kribbeln in mir. Man hat die Rebellen ausfindig gemacht. Ein Lächeln findet seinen Weg auf meine Lippen.
„Brauchst du ein neues Zuhause?", lächle ich süss und zwinkere dem Jungen zu. Doch seine Miene bleibt gleichgültig. Er scheint viel zu müde, um dies alles wahrzunehmen.
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Fehlerhaft - Bist du das Leben wert?
Ciencia FicciónEs ist kein Geheimnis: Die Ressourcen sind begrenzt. Wasser, Erdöl, Kohle; all das wird irgendwann ausgehen, womöglich schon bald. Aber wie soll man dann eine stetig wachsende Bevölkerung versorgen? Nun, es gibt nur eine Lösung, die auf längere Z...