Lance
Ich ertappe mich dabei, wie meine Gedanken wieder zu Nathalia wandern. Sie gehört nicht dir, also vergiss sie. Und konzentriere dich. Das Teufelchen auf meiner Schulter grinst mich böse an.
Was sagt Roscoe immer? Tu das, was du tun kannst; nicht das, was du wünschst, tun zu können. Genau, und deshalb fokussiere ich die Tür noch genauer. Meine Beine schmerzen von den Stunden, in denen ich bereits in der Hocke sitze und mich zwischen den Containern einer Mülldeponie verstecke. Die grossen Glasflügel, die dem Betongebäude auf der anderen Strassenseite wenigstens etwas freundliches schenken, bleiben verschlossen.
Langsam aber sicher frage ich mich, ob Marleen das richtige Haus markiert hat. Die Sonne verschwindet bereits hinter den hohen, grauen Bauten des Wohnviertels, in dem diese Cecilia Adonis leben soll.
Mit langsamen Bewegungen streiche ich die schwarze Kapuze tiefer in mein Gesicht. Wenn sich nicht bald was tut, werde ich mit leeren Händen zu Roscoe zurückkehren müssen.
Nach einer weiteren halben Ewigkeit sitze ich auf meinen Hintern und strecke die Beine unter einem Container durch. Ich seufze vor Ekstase, als meine Füsse zu kribbeln beginnen. Die Sonne ist ein gutes Stück weiter gewandert und hat die Strasse ins Halbdunkle versunken.
Und dann entdecke ich ihn. Viel zu zackig ziehe ich meine Beine unter dem Müllcontainer hervor und hoffe ungemein, dass niemand das schleifende Geräusch wahrgenommen hat.
Doch die junge Frau, die unseren kleinen Rebellen an der Hand hält, scheint mit sich selbst beschäftigt. Mit langen Armen zieht sie den kleinen Noe hinter sich her auf den Gehsteig. Ich springe sofort auf meine Füsse. Das sind sie, ganz bestimmt. Ich hätte Noes Gang auch von einem Kilometer Entfernung erkannt.
Nachdem die Frau – Cecilia – hinter dem nächsten Block verschwunden ist und Noe aus meinem Sichtfeld gezerrt hat, renne ich sofort los. Praktischerweise sind die Strassen der Stadt alle parallel angelegt, sodass sie tausende quadratische Blöcke bilden. Ich sprinte also auf die parallel verlaufende Nebenstrasse und nehme immer mehr Tempo auf. So langsam, wie Cecilia mit dem Kleinen vorankommen wird, habe ich sie bestimmt nach wenigen Sekunden schon überholt. Doch ich renne weiter. Mein Herz pumpt vor Aufregung. Meine Füsse tragen mich federleicht über den Boden und hinterlassen kaum ein Geräusch. Roscoe hat die Strasse exzellent ausgewählt: Keine Menschenseele stört mein Rennen.
Nach genau einhundertzwölf Schritten biege ich in eine Gasse, die meine und Cecilias Strassen verbindet. Dank dem vielen Training bleibt mein Atem trotz des Sprints gleichmässig und leise. Ich taste nach der Kapuze auf meinem Kopf und hülle das Tuch enger um meine Nase. Dann gucke ich um die Ecke des im Schatten liegenden Wohnblocks und entdecke tatsächlich zwei Gestalten. Ich zähle auf sieben und schaue dabei hoch auf das Dach des gegenüberliegenden Gebäudes. Eine dunkle Silhouette kniet dort und beobachtet Cecilia. Roscoe. Als ich bis zehn gezählt habe, ist Cecilia ziemlich genau unter Roscoe angekommen, der das Paket wie geplant fallen lässt. Ich pfeife Ernestos Melodie.
Und dann passiert alles ganz schnell.
Auf Cecilias Schulter landet eine weisse Pfütze, die sich über ihren Anzug ergiesst. „Iiih!"
Während sie den angeblichen Vogeldreck noch angeekelt mustert, stürmt Noe bereits los. Seine kleinen Beine tragen ihn nur viel zu langsam, doch die kurze Melodie, die Ernesto all seinen Songs anfügt, hat ausgereicht, um ihm die Richtung zu weisen.
„Noe!", bemerkt die junge Frau erst viel zu spät. Kaum ist er um die Ecke gebogen, packe ich Noe und presse ihm eine Hand auf den Mund. Mit dem andern Arm hebe ich ihn hoch und sprinte sofort wieder los. Weg von Cecilia. Weg von dem leisen Klacken ihrer Schuhe, die ihr das Rennen verunmöglichen.
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Fehlerhaft - Bist du das Leben wert?
Science FictionEs ist kein Geheimnis: Die Ressourcen sind begrenzt. Wasser, Erdöl, Kohle; all das wird irgendwann ausgehen, womöglich schon bald. Aber wie soll man dann eine stetig wachsende Bevölkerung versorgen? Nun, es gibt nur eine Lösung, die auf längere Z...