Er kann ja doch süß sein...

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Kat POV


Ich weine. Ich weine viel. Ich schreie. Laut. Ich schlage um mich. Ich kann nicht mehr. Ich habe absolut keine Kraft mehr. Das, was Jason da zu mir gesagt hat, hat mir dann endgültig den Rest gegeben. Und ich habe einfach keine Ahnung, ob er mir überhaupt die Wahrheit gesagt hat. Ob er mir wirklich helfen will. Oder ob das alles wieder nur gelogen war... und die einzige Möglichkeit es herauszufinden ist ihm zu glauben und entweder am Ende glücklich zu sein oder wieder auf die Fresse gefallen zu sein. So hart es auch ist. Während ich einfach nur einen der schlimmsten Nervenzusammenbrüche, die ich je hatte, durchmache, sitzt Jason einfach neben mir und hält mich fest. Seit 3 Jahren hat mich niemand mehr so in den Arm genommen. Hat mir das Gefühl von Geborgenheit gegeben. Er erträgt jeden Schlag, jeden Schrei, alles. Und ich bin ihm so dankbar, dass er das mit mir zusammen durchsteht. Wenn ich jetzt alleine wäre, wäre wohl meine Lösung meine Rasierklinge, aber Jason würde den Teufel tun und dies zulassen. Ich weiß nicht wie ich das je gut machen kann. „Hier zieh das an, du frierst" unterbricht mich Jason und hält mir mein ausgezogenes Shirt hin. Ach ja da war ja was... ich laufe im Gesicht rot an, reiße es ihm aus der Hand und ziehe es schnell an. Sofort lehne ich mich wieder an ihn. Ich brauche ihn auch wenn ich ihn hasse. Klingt kompliziert. Ist es auch. Aber kompliziert ist mein ganzes Leben und es füllt sich einfach zu gut an um mich aus dieser Situation zu lösen. „ ich werde dich nicht zwingen mit mir zu reden aber ich will das du weißt dass ich dir jederzeit zuhöre wenn ich ein offenes Ohr brauchst" unterbricht Jason die Stille. Das ist so süß von ihm... „danke" schniefe ich und wische mir die Tränen aus dem Gesicht. Aber auch ich habe frage „aber bevor ich rede habe ich ein paar Fragen an dich" ich löse mich etwas und sehe ihn an, der fragend zurück sieht. „Woher wusstest du von meinen Verletzungen? Und vorher hast du meine Nummer?" das beschäftigt mich schon eine weile und ich kann mir einfach keinen Reim drauf bilden. „Naja erstens ich bin nicht ganz so dumm wie manche denken." Fängt er an. „ich beobachte dich schon eine ganze Weile. Vor allem jetzt im Sommer. Du trägst nur lange Oberteile oder Jacken und das selbst bei über 30 Grad. Auch im Sportunterricht trägst du lange Sachen. Und ja manchmal wenn etwas nach oben gerutscht ist, hat man es gesehen. Ich weiß nicht ob es die anderen auch wahrgenommen haben, aber ich schon." Oh man... beschämt vergrabe ich mein Gesicht in meinen Händen. Man, ist das peinlich... „und deine Nummer hab ich aus der Schuldatei." Bitte was? Geschockt sehe ich ihn an. „Freiwillig hättest du mir sie ja nicht geben" zuckt er nur mit den Schulter und grinst mich doof an. Was ein Spinner. Aber ein süßer Spinner... Nein Kat! Denk nicht schon wieder so über ihn! Auch wenn es die Wahrheit ist. Jetzt bin ich wohl dran mit reden. Es wäre schließlich nur fair ihm gegenüber auch ehrlich zu sein. „meine Mutter schlägt mich" haue ich einfach raus worauf sich plötzlich sein ganzer Körper anspannt und seine Augen riesig werden. Immerhin eine Sache die er offensichtlich nicht über mich wusste. „Sie tut was?" seine Stimme ist bestimmt eine ganze Oktave nach unten gerutscht so wütend ist er wohl grade. So langsam bekomme ich etwas Angst vor ihm. „Sie schlägt mich" wiederhole ich leise, worauf Jason nur entsetzt den Kopf schüttelt „Kat..." ich merke wie seine Anspannung etwas fällt. Er nimmt mein verheultes Gesicht in seine großen Händen, worauf ich sofort eine Gänsehaut bekomme. „Du kannst jederzeit herkommen, hier übernachten oder einfach nur den Tag verbringen wenn du nicht heim willst. Du bist hier jederzeit willkommen." Na super. Und schon wieder fange ich an zu weinen. Warum ist der Kerl nur auf einmal so süß zu mir? Ich kenn so was doch gar nicht. „Hör bitte endlich auf zu weinen" er nimmt mich wieder in den Arm. „Warum machst du das alles?" frage ich leise in seine Brust. „Ich will endlich mal was gutes tun, ich will kein Arschloch mehr sein. Ich will dir helfen und ich weiß du vertraust mir nicht und das erwarte ich auch gar nicht aber vielleicht bekomme ich ja eine kleine Chance es dir zu zeigen" murmelt er in meine Haare. Ich sage gar nichts. Ich genieße einfach grade die Nähe und den Geruch. „Kann Ich heute bei dir bleiben?" frage ich leise und löse mich etwas. Hab ich das grade echt gefragt? Anscheinend des Jason sieht mich lächelnd an. „Natürlich. So will ich dich eh nicht zu deiner Mutter bringen" „danke" hauche ich und lehne mich wieder an ihn.



Gefühlt 2 Stunden sitzen wir einfach nur auf seinem Boden. Arm und Arm und sagen gar nichts. Ich glaube, ich bin zwischendurch sogar leicht eingenickt aber ich bin mir nicht so sicher. Jason hat jedenfalls keine Anstalten gemacht aufzustehen oder was zu sagen. Auch er wollte den Moment nicht kaputt machen. Doch irgendwann unterbricht er doch die Stille „sollen wir wir noch kurz zu dir fahren ein paar Klamotten holen fürs Wochenende?" ach ja da war ja was. Spätestens heute Abend werde ich meine Zahnbürste und Unterwäsche brauchen. „Aber nur wenn du mit kommst" flehend sehe ich ihn an. Ich will da nicht alleine rein. Nie wieder. „Klar" lächelt er steht auf und hält mir die Hand hin. Er hilft mir auf meine wackeligen Beine. Ich gehe zu seinem großen spiegel und sehe jetzt erst wie schrecklich ich aussehe. Komplett zerzauste Haare, rote Augen und riesige Augenringe. Ich versuche meine Haare mit meinen Fingerspitzen etwas durch zu kämmen worauf ich von Jason nur ein sportives lachen ernte. „Hier" er wirft mir eine Bürste zu welche ich wortlos fange und meine Haare käme. Idiot. Als ich fertig bin, drehe ich mich wieder zu Jason der sich grade sein Shirt ausgezogen hat. Nicht hingucken Kat! Aber er sieht zu gut aus um weg zu gucken. Was rede ich da eigentlich? Sofort werde ich rot wie eine Tomate und drehe mich weg. Auffälliger geht's wirklich nicht. „Ich weiß, dass ich gut aussehe" höre ich lachen. Er ist und bleibt ein Riesen Idiot. „Blödmann" ohne mich wieder zu ihm umzudrehen verlasse ich das Zimmer und gehe in den Flur wo ich mir meine Schuhe und meine Jacke anziehe. Ungeduldig und nervös warte ich auf Jason der keine zwei Minuten zu mir kommt, sich auch anzieht und mich zu seinem Wagen zieht.



Nach 20 Minuten Fahrt kommen wir bei mir an. Je näher wir kamen desto nervöser wurde ich, dass selbst Jason es gemerkt hat. „Ich bleibe bei dir. Ich lasse dich da ganz bestimmt nicht alleine rein" er legt seine Hand auf meinen Oberschenkel und sieht mich aufmunternd an. „Danke" hauche ich und steige aus. Er tut es mir gleich und geht mit mir zusammen zur Haustür. Was meine Mutter wohl sagen wird wenn ich ihr vor den Kopf werfe, dass ich das Wochenende über nicht zuhause seine werde? Wahrscheinlich nichts nettes... ich öffne die Haustüre und gehe hoch zu unsere Wohnungstür. Okay. Jetzt oder nie. Leben oder sterben. Vorsichtig stecke ich denn Schlüssel ins Schloss und öffne sie. Keine Reaktion. Sehr gut. Ich nehme Jasons Hand und will ihn grade in mein Zimmer ziehen als ich die liebliche Stimme meiner Mutter höre. „KAT!" sofort spannt sich jede Faser meines Körpers an und mein Herz schlägt einen sehr ungesunden Rhythmus. „Keine Angst Süße" Jason stellt sich bestimmend neben mich und lässt meine Hand keine Sekunde los. „Wo warst du so lange?" sie torkelt auf uns zu und schon von weitem kann man ihre Alkoholfahne riechen. Ich schäme mich so das Jason das hier alles miterleben muss. „Ich... Ich..." will ich anfangen doch ich werde unterbrochen. „Sie war bei mir" sagt Jason bestimmend und stellt sich vor mich um mich zu beschützen. „und du bist wer?" sie wackelt weiter auf uns zu. „Jason. Ein Freund ihrer Tochter" meine Mutter lacht dreckig auf. „Kat hat keine Freunde. So etwa wie sie kann keine Freunde habe. So was kann man nicht mögen" Autsch. Das hat gesessen. Sofort steigen mir wieder die Tränen in die Augen. Das reicht. Ich kann das nicht mehr. Ich reiße mich von Jasons Hand los und renne in mein Zimmer wo ich in windeseile meine Sporttasche schnappe, irgendwelche Klamotten reinstopfe und ins Bad renne wo ich zum Schluss noch meine Kosmetika und Zahnbürste einpacke. „Was sind sie eigentlich für eine Mutter?" höre ich Jason sie anpampen. Keine gute Idee... „ich bin eine gute Mutter" lallt sie als Antwort zurück. Da lebt wohl jemand ganz weit von der Realität weg. „So was wie sie gehört in den Knast" ich muss hier raus. Und das schnell. Ich renne schnell wieder zu den beiden und ziehe Jason zur Wohnungstür. „WO WILLST DU HIN?" „weg" sage ich nur und öffne die Türe. „Wenn du jetzt gehst brauchst du nie wieder hierher kommen!" nichts lieber als das. Ich verlasse einfach die Wohnung und schlage die Tür hinter uns zu. Schnelle rennen wir zu seinem Auto und steigen ein „Ich werde dafür sorgen das sie dir nie wieder was tun kann. Dass sie ihre gerechte Strafe bekommt" sagt Jason als wir vor seinem Haus stehen. „Danke" Murmle ich. Ich habe nun offiziell kein Zuhause mehr... sie hat mich rausgeworfen...



„Du musst sie anzeigen. Das ist häusliche Gewalt" redet mir Jasons ins Gewissen als wir eine stunde später in der Küche sitzen und zu Abend essen. Er hat ja recht... aber sie ist immer noch meine Mutter... „sie ist doch meine Mutter" „grade dann musst du zur Polizei. Sie muss ihre Strafe bekommen. Sie ist Alkoholikerin. Sie ist eine Schlägerin. Sie behandelt dich wie ein Stück Dreck. Und du weißt selber das du so viel mehr verdienst als das" er sieht mich mit seinen giftgrünen Augen an. Er hat recht. Aber ich brauche ihn dazu. Ohne seine Hilfe, ohne seine Unterstützung schaffe ich das nicht. „Hilfst du mir?" frage ich leise. „Natürlich" lächelt er mich aufmunternd an und beißt in sein Brot. Er kann ja doch ganz süß sein...


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