-Freitag, 29. Juni 2018-
Endlich kann ich hier weg. Zwar werde ich meine Freunde mehr als nur vermissen, aber ich muss hier einfach raus. Meine Familie bricht gerade auseinander, weil mein Vater depressiv ist und das wohl auch schon länger und wir gerade alle irgendwie versuchen, das zu verarbeiten. Ganz ehrlich, die Stimmung ist so angespannt, dass ich mittlerweile nicht mal mehr daran glauben kann, dass alles wieder gut wird. Selbst meine Mutter überlegt, ob es nicht besser wäre, wenn sie sich nicht von meinem Vater trennt und irgendwo kann ich das auch verstehen. Zwar hatte ich noch nie einen Freund, aber darüber muss ich mir jetzt erst recht keine Gedanken machen.
Denn heute kann ich für ein Jahr raus hier, ich fliege für ein Jahr nach Kanada, genauer gesagt nach Pickering in der Nähe von Toronto. Ich kenne meine Gastfamilie dort noch nicht persönlich, weiß aber, dass sie eine heile Familie mit einer Tochter ist, die ungefähr in meinem Alter ist. Sie ist 17, wenn ich mich nicht irre. Wir schreiben heute den 29. Juni 2018 und ich stehe mit gepackten Sachen am Hamburger Flughafen, bereit für den Abflug."Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du uns wirklich für ein Jahr verlässt!", meint Lynn, eine meiner beiden besten Freundinnen, und verschränkt schmollend die Arme vor der Brust. Amalia, meine zweite beste Freundin, von mir auch oft Lia genannt, steht still daneben und nickt einfach nur.
"Können wir dich nicht doch noch umstimmen?", fragt Lynn weiter und guckt mich beinahe schon bettelnd an. Ich schüttle schmunzelnd den Kopf.
"Tut mir leid Leute, aber ihr wisst, warum ich das hier mache. Glaubt mir, vor einem halben Jahr hätte ich selbst nicht gedacht, das jemals zu machen. Und in einem Jahr habt ihr mich doch schon wieder!"
"Ein Jahr zu viel", murmelt Lia augenverdrehend, woraufhin ich leise lache.
„Letzter Aufruf für den Flug C172 nach Toronto. Fluggäste mögen sich bitte zum Boardingbereich begeben."
„Das ist meiner. Also Leute, wir skypen, verstanden?", sage ich schmunzelnd und nehme die beiden fest in den Arm, bevor ich mich auch von meiner Familie verabschiede.
"Bring mir ein Souvenir mit, ja?", fragt Jo, mein kleiner Bruder, als ich ihn umarmt habe.
"Klar doch, ich finde bestimmt etwas für dich."
Mit einem letzten Winken drehe ich mich weg und gehe auf direktem Wege zum Boarding, wo ich mein Ticket vorzeige und dann in den langen Gang zum Flugzeug gehe. Meinen Platz zu erreichen war dann auch erst noch eine Meisterleistung, weil neben mir eine etwas dickere Frau mit ihrem Freund, wie ich annehme, sitzt und ich mich zum Fenster durchkämpfen musste. Diese 10 1/2 Stunden werden der reinste Horror für mich, weil ich mit sehr eingeengt neben dem Mann fühle. Ich bin nicht gerade eine Person, die sehr viel Platz verbraucht, aber auch ich habe so meine Bereiche der Privatsphäre.
Nach Abflug hole ich meine Kopfhörer aus meinem Handgepäck und schließe sie an mein Handy an, um es mir so bequem wie möglich machen zu können und etwas zu schlafen. Erstaunlicherweise klappt das mehr als gut, aber lange konnte ich nicht schlafen, da wir noch eine Zwischenlandung in Dublin machen mussten. Und da wir uns dort 2 Stunden und, warum auch immer, 5 Minuten aufhalten mussten, beschließe ich, etwas essen zu gehen. Am Ende ist es zwar auf etwas von McDonald's hinausgelaufen, aber immerhin war ich danach satt und konnte mich auf den Weiterflug gefasst machen.
Als ich aber nach diesen zwei Stunden wieder auf meinem Platz sitze und die Stewardess uns bittet, uns wieder startbereit zu machen, fehlen die beiden neben mir immer noch. Wahrscheinlich sind sie hier ausgestiegen, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das überhaupt möglich ist. Jetzt ist es 13:40 Uhr und wir starten erneut. Zwar sind einige neue Passagiere zugestiegen, aber die Plätze neben mir bleiben weiterhin frei. Für mich persönlich ist das kein Problem, so habe ich weitaus mehr Platz und der Flug geht eventuell schneller vorbei. Jetzt muss ich hier noch etwas mehr als 7 1/2 Stunden herumkriegen, dann bin ich endlich in meiner neuen Heimat für das nächste Jahr angekommen. Ich werde bis zum 30. Juni 2019 in Toronto bleiben, also etwas mehr als ein Jahr, aber ich hoffe, dass der Abstand zu meinen Problemen zuhause mich etwas lebendiger fühlen lässt.
Da wir im Flugzeug Netz hatten, konnte ich mit Lynn und Lia schreiben, sodass die Zeit etwas schneller vorbeiging. Als mein Akku dann aber langsam leer wurde, habe ich mein Handy an eine Powerbank angeschlossen und mir die restliche Zeit damit vertrieben, entweder zu lesen oder ein wenig zu zeichnen, soweit zeichnen halt in einem Flugzeug möglich war. Es wurde zusätzlich noch Essen serviert, was ich persönlich nicht sehr lecker fand. Ich bin aber sowieso eine Person, die sehe speziell im Geschmack von Essbarem ist und genau deshalb fühle ich mich oft unwohl, wenn ich bei jemandem zu Besuch bin und dann ablehnen muss, etwas zu essen, weil ich es einfach nicht mag.
Ich schüttle leicht den Kopf und konzentriere mich wieder auf meine Zeichnung, als auf einmal das Anschnallzeichen aufleuchtet. Verwirrt mustere ich es, als auch eine Stewardess mich dazu auffordert, alles zu verstauen und mich anzuschnallen. Dann weckt sie vorsichtig den Mann in der Reihe parallel zu meiner und erst dann komme ich ihrer Aufforderung nach. Keine Sekunde zu früh, denn als ich mich angeschnallt habe, sinkt das Flugzeug ein spürbares Stück nach unten. Überrascht reiße ich meine Augen auf, als sich mein Magen beinahe umdreht, aber ich konnte das bisschen Essen, das ich gegessen habe, noch bei mir behalten. Leider geht das Flugzeug noch ein paar weitere Male so plötzlich nach unten, bevor das Anschnallzeichen dann wieder verschwindet.
"Entschuldigen Sie diese Maßnahmen bitte, wir waren in ein kleines Unwetter geraten. Da wir nun aber hindurchgeflogen sind, ist alles wieder in bester Ordnung. Genießen Sie den weiteren Flug!", meldet sich der Kapitän zu Wort und ich hebe fragend eine Augenbraue. Unwetter? Na toll, hoffentlich kommen wir nicht in einem Unwetter in Toronto an, das wäre ja ein typisch misslungener Empfang für mich.
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ᴛᴏʀᴏɴᴛᴏ ʟᴏᴠᴇ || sᴍ
FanfictionEmma bekommt durch ein Auslandsjahr in Kanada die Chance, ihrem alten Leben kurzzeitig zu entfliehen. In Kanada angekommen muss sie sich allerdings bereits ihren nächsten Problemen stellen, denn nichts läuft so, wie geplant. Zu allem Überfluss tritt...