-Montag, 2. Juli 2018-
Ich winke schnell ab.
"Das ist eine mehr als nur lange Geschichte."
Dann fahre ich mir durch meine Haare und räuspere mich.
"Also, danke nochmal, dass du mich gerettet hast."
Ich lächle ihn leicht schüchtern an, was er erwidert.
"Vielleicht sieht man sich ja mal wieder, dann kannst du mir alles in Ruhe erzählen."
Shawn zwinkert, streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und macht dann einen kleinen Schritt zurück. Schließlich winkt er, bevor er sich umdreht und wieder zurückgeht. Ich warte, bis er in die nächste Straße abgebogen ist, ehe ich tief durchatmet. Dann beiße ich mir leicht auf die Unterlippe und gehe zurück ins Haus. Gerade bin ich zur Tür hereingekommen, da guckt Avery mich schon schuldbewusst an.
"Emma, wir... es tut uns leid, dass du das so miterleben musstest."
Ich nicke und verschränke meine Arme vor der Brust.
"Ich denke, ich habe eine Erklärung verdient."
Avery nickt und deutet auf den Hocker, der am Tresen steht. Nach kurzem Zögern komme ich ihrer Aufforderung nach und setze mich. Sie setzt sich zu mir und faltet ihre Hände, ehe sie mir fest in die Augen guckt.
"Hör zu, wir verdienen einfach nicht gut genug, um uns finanziell über Wasser halten zu können. Und aufgrund dessen müssen wir manchmal das ein oder andere stehlen."
Ich hebe eine Augenbraue.
"Aber es gibt doch bestimmt die ein oder andere Möglichkeit, sich zu helfen. Kriminell zu werden ist niemals eine Lösung."
Avery guckt mich zerknirscht an, als plötzlich Ethan zur Tür hereinkommt und einige Tüten mit Lebensmitteln in den Händen hat.
"Liebling, wo soll ich die Sachen ver- oh, hallo Emma."
"Hallo Ethan", begrüße ich ihn zurück und lege den Kopf leicht schief.
"Ist das etwa auch alles geklaut?"
Er guckt mich fragend an und wechselt einen kurzen Blick mit Avery, die ihn daraufhin nur bittend anschaut.
"Olivia hat ein junges Paar beklaut. Ich will gar nicht wissen, was das Zeug darin alles wert ist!"
Ich stehe auf und will mich auf den Weg in mein Zimmer machen, allerdings bleibe ich auf halbem Wege noch einmal stehen.
"Es gibt immer andere Wege als zu klauen", sage ich dann noch einmal so eindrucksvoll wie ich kann, bevor ich wirklich mein Zimmer betrete.
Nach gut 2 Stunden habe ich Lynn und Lia alles erzählt und die beiden gucken mich nur schockiert an.
"Wir könnten deinen Eltern Bescheid sagen, die sorgen sicherlich dafür, dass du in einer anderen Familie unterkommst."
Schnell schüttle ich den Kopf.
"Es ist zwar schwierig, hier zu leben in dem Wissen, dass hier geklaut wird, aber ich weiß auch, wie gut ihnen das Geld tut, das sie für meinen Aufenthalt bei ihnen bekommen. Ich würde mich schuldig fühlen, wenn ihnen das Geld jetzt einfach gestrichen wird, nur weil ich die Familie wechsle. Außerdem würde ein Umzug neben dem zusätzlichen Papierkram noch Verzögerung für meinen Schulanfang bedeuten."
Lia hebt spöttisch eine Augenbraue und lacht leicht.
"Als wenn das so dramatisch wäre."
Nun verdrehe ich die Augen und seufze.
"Das Schulsystem ist hier etwas anders als in Deutschland. Ich freue mich darauf, das alles kennenlernen zu dürfen. Außerdem möchte ich ein gutes Zeugnis mit nach Hause bringen, um ganz sicher zu gehen, die 11. Klasse nicht wiederholen zu müssen."
Da stimmen die beiden mir dann endlich zu und nachdem sie mir dann noch erzählt haben, was sie in ihren Ferien bisher so gemacht haben, verabschiede ich mich dann auch recht schnell von ihnen.
„Emma?", fragt jemand vor der Tür und ich bitte sie herein. Avery lächelt mich schwach an und hält mir ein wenig Kleidung hin. Leicht misstrauisch mustere ich sie, bevor Avery abwinkt.
"Keine Sorge, das ist deine ‚Schuluniform' für das nächste Schuljahr. Und nein, es ist kein Rock dabei, falls du das jetzt denkst. Es ist einfach nur ein T-Shirt, ein Sweatshirt und ein Hoodie mit dem Schullogo. Du bist nicht dazu verpflichtet, die Sachen zu tragen, aber vielleicht sind sie das ein oder andere Mal ganz bequem. Die Sachen sind auch gemäß dem Gesetz bezahlt."
Zögernd nehme ich die Sachen und packe sie in die Kommode. Avery steht noch eine Weile im Zimmer rum, bevor sie sich verabschiedet und die Tür hinter sich wieder zuzieht.
Na toll, ich wollte den Problemen zuhause entfliehen und dann werden mir hier gleich neue Steine in den Weg gelegt. Mal sehen, wie die Schule ist, die ich in zwei Wochen das erste Mal besuchen werde. Meinen Stundenplan habe ich gestern von der Schule geschickt bekommen und es sieht eigentlich sogar recht entspannt aus. Klar wurde der Plan gemäß meinen Wahlen an meiner Schule in Deutschland angepasst, aber ich habe nur ein Mal in der Woche lange Unterricht, was für mich persönlich relativ entspannt ist.
Da es hier im Zimmer, besser gesagt im Haus allgemein, sehr schnell sehr langweilig geworden ist, habe ich mir schnell eine Jacke übergeworfen und bin nach draußen gegangen, um die Umgebung noch einmal für mich etwas genauer zu erkunden. Die Straße direkt vor dem Haus geht nur nach links und rechts ab, wobei sie links nach ungefähr 300 Metern erneut nach links abbiegt. Da ich aber Lust hatte, noch einmal in sie Stadt zu gehen, laufe ich den Weg, den ich mit Shawn zurückgelaufen bin, wieder entlang und finde mich so recht schnell wieder an dem Platz, an dem ich Shawn das erste Mal getroffen habe, wieder.
Lächelnd betrachte ich das Gebäude, durch das ich Shawn überhaupt erst erkannt habe, bevor ich weitergehe. Die Stadt ist gerade jetzt zum frühen Abend noch einmal belebt, da die meisten nun mit der Arbeit fertig sind und eventuell noch einkaufen müssen. Ich sehe auch einige Jugendliche, die in kleinen Gruppen umherlaufen, bevor ich diesen süßen Eisladen am Ende der Einkaufsstraße entdecke. Und da ich genug Geld für ein Eis dabeihatte, habe ich es mir auch nicht nehmen lassen, mir eine große Kugel Joghurteis zu kaufen.
Dann setze ich mich auf eine der nächstbesten Bänke und esse genüsslich mein Eis, während ich das Treiben beobachte, dass sich vor mir abspielt. Gedankenverloren beobachte ich ein junges Mädchen, dass dort ganz alleine steht und auf jemanden zu warten scheint. Gerade habe ich überlegt, zu ihr zu gehen, da kommt eine Person auf sie zu und nimmt sie in den Arm. Als die beiden sich wieder lösen, geben sie sich einen Kuss und von da an habe ich nicht mehr hingeschaut.
Paare machen mich immer irgendwie eifersüchtig...
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ᴛᴏʀᴏɴᴛᴏ ʟᴏᴠᴇ || sᴍ
FanfictionEmma bekommt durch ein Auslandsjahr in Kanada die Chance, ihrem alten Leben kurzzeitig zu entfliehen. In Kanada angekommen muss sie sich allerdings bereits ihren nächsten Problemen stellen, denn nichts läuft so, wie geplant. Zu allem Überfluss tritt...
