Aller Anfang ist schwer

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Die Sommerferien waren schrecklich.
Nie hätte ich gedacht, dass ich das einmal sagen würde.
Zuerst Cedrics Beerdigung, das grauenhafte Wetter und dann noch das Ministerium, welches allen Ernstes die Rückkehr von Du-weißt-schon-wem leugnete.
Es war einfach schlimm.
Nicht einmal meine Freunde konnten mich aufheitern. Ich hätte gerne Briefe gelesen, in denen sie von ihren spannenden Reisen durch Afrika oder von dem letzten Quidditchspiel erzählten, stattdessen wurde ich in jedem einzelnen Brief bemitleidet.
Ich weiß, dass sie mich nur aufmuntern wollten und das wusste ich auch zu schätzen, aber gerade jetzt, wo mein ganzes Leben auf dem Kopf stand, hätte ich ein bisschen Normalität gut gebrauchen können.
Nicht, dass ich Cedric vergessen wollte, das konnte ich auch gar nicht, aber das Leben ging weiter.
Es war schon so schwer genug, jetzt wo das Haus so leer ohne Cedric war. Unsere Gespräche beschränkten sich auf Monologe, die ich vor seinem Grab hielt. Alleine den Sternenhimmel von unserem Dach zu beobachten war deprimierend und Dad war beunruhigend still geworden.
Das schlimmste war der Brief.
Vor einigen Tagen kam eine graue Eule durch mein Fenster geflogen und ich wünschte, dass ich den Brief nicht entgegengenommen hätte.
Ich hatte gedacht, dass Susan endlich eine eigene Eule besaß, da die Schrift auf dem Umschlag ihrer unheimlich ähnelte.
Leider lag ich falsch.
Der Brief kam von einer Person, von der ich es niemals erwartet hätte mir zu schreiben.

Hallo Emma,
Es ist schwierig so einen Brief anzufangen...
Ich weiß gar nicht genau was ich schreiben soll.
Ich habe das mit Cedric im Tagespropheten gelesen.
Es ist einfach schrecklich. Wollen wir nicht darüber reden? Du brauchst doch sicherlich jemanden, der dich in dieser schrecklichen Zeit unterstützt. Wie wäre es mit kommendem Freitag um 13 Uhr bei Florean Fortescue? Ich lade dich auch zu einem Eis ein.
Deine Mum

Ich hatte die Zeilen so häufig gelesen und doch war ich immer noch unentschlossen, ob ich mich auf den Weg zur Winkelgasse machen sollte. Ich weiß nicht, was ich von dem Treffen halten sollte.

Letzendlich entschied ich mich hinzugehen. Auch wenn ich nicht zugesagt hatte und mein Mutter deshalb wahrscheinlich sowieso nicht kommen würde.
Doch entgegen aller Erwartungen war sie da.
Ich erkannte sie sofort.
Ein schmales blasses Gesicht, runde braune Augen, dunkelbraune Haare.
Sie hatte sich kaum verändert.
Es war einer dieser merkwürdigen Momente, wo man nicht wusste, ob man eine Person umarmen oder ihr die Hand geben soll.
Wir entschieden uns für ein Zunicken.
"Hallo", sagte ich und ärgerte mich darüber, dass meine Stimme so ruhig und nicht kühl, wie ich es eigentlich geplant hatte, klang.
Warum musste sie mich auch so freundlich anlächeln?
"Emma, ich weiß das ganze hier ist komisch, aber ich musste dich einfach sehen. Nach allem was passiert ist..."
Die Worte blieben mir im Hals stecken.
"Wollen wir nicht ein Eis essen? Magst du immer noch den Schokoladenbecher mit Erdbeeren so gerne?"
Ich nickte langsam.
Sie erinnerte sich.
Sie erinnerte sich tatsächlich daran.

Unsere Bestellungen wurden aufgenommen und meine Mutter schaute mich danach lange an. Es war ein merkwürdiger Moment. Ich hatte mir dieses Gespräch so oft vorgestellt. Es gab so viele Dinge, die ich ihr an den Kopf werfen wollte.
Doch jetzt, wo sie mich mit einem liebevollen Blick anschaute, bekam ich keinen Ton heraus.
In den letzten Jahren hatte ich den Wunsch nach einer Mutter so sehr unterdrückt, dass ich diesen komplett vergessen hatte. Und jetzt kamen all die alten Gefühle wieder hoch.
"Wie groß du doch geworden bist."
Wieder wusste ich keine Antwort.
"Wie geht es denn jetzt überhaupt bei dir weiter? Wirst du wieder nach Hogwarts gehen?"
Warum war meine ganze Wut auf einmal verschwunden?
"Ja, es muss ja weitergehen."
Sie nickte traurig.
Unsere Eisbecher kamen und überbrückten eine unangenehme Stille.
Ich wusste immer noch nicht worauf sie hinauswollte.
Während wir unser Eis aßen, kamen wir ins Gespräch. Es war immer noch eine komische Situation, aber irgendwie auch schön.
Ich gab mir solche Mühe sie zu hassen, aber meine Mutter war einfach liebenswert.
Bis zu dem Moment als ich dabei war von der Quidditch-Weltmeisterschaft zu erzählen.
Ein Mann, der ungefähr im Alter meiner Mutter war, tauchte am Tisch auf.
Hinter ihm standen zwei Kinder.
Zuerst dachte ich, dass er einen Platz für sich und seine Kinder suchte, doch dann sprach er mich an.
"Hi, du musst Emma sein. Ich bin Benedict, Benedict Scott."
Ich war viel zu verwirrt um etwas zu sagen.
Wer zur Hölle war dieser Mann?
Die Art wie er meine Mutter anschaute, die Hand auf ihrer Schulter und die Ringe an ihren Fingern...
"Du hast wieder geheiratet?", fragte ich entgeistert.
"Das muss jetzt ein riesiger Schock für dich sein", versuchte mich meine Mutter zu beruhigen. "Aber du hast doch selber gesagt, dass es weitergehen muss."
"Das ist doch nicht dein Ernst! Sind das deine?"
Ich zeigte auf die Kinder, die mich verschreckt anstarrten.
"Bitte beruhig dich, Emma. Die Leute gucken schon."
"Sollen sie doch gucken! Ich habe dich was gefragt!"
"Ja, das sind meine Kinder."
Woher nahm sie nur diese verdammte Ruhe?
"Ein Junge und ein Mädchen", brachte ich hinter zusammengepresseten Zähnen hervor. "Schon wieder. Was für ein... Glück."
"Emma..."
Doch ich kam gerade erst richtig in Fahrt.
"Dafür hast du uns verlassen? Warum?"
Meine Mutter blickte mich verzweifelt an.
"Weist du was, ich will gar keine Antwort darauf. Ich bin bisher sehr gut ohne dich klargekommen und das werde ich auch weiterhin. Ich wünsche dir noch ein schönes Leben!"
Mit diesen Worten sprang ich auf und rannte davon.
Was hatte ich mir nur dabei gedacht?
Warum sollte sich meine Mutter auch verändert haben?
Ich wollte sie einfach nur vergessen!
Doch jetzt, wo ich sie gesehen hatte, war Vergessen nicht gerade einfach.
War ich zu gemein gewesen?
Immerhin hatte sie ja versucht alles wieder gut zu machen.
Machten wir nicht alle Fehler?
Aber in all den Jahren hätte sie wenigstens einen Brief schreiben können.
Andererseits war ihre Einsicht gekommen.
Wenn auch ziemlich spät.
Ich hatte nie erfahren, was zwischen Dad und ihr vorgefallen war...

Es verging eine Woche bis ich beschloss den Brief zu schreiben.
Ich konnte Hannahs Stimme förmlich sagen hören, dass ich zu gutmütig sei.
Aber ich konnte nicht anders.
Meine Mutter war ein Teil von mir, ob ich wollte oder nicht.
Es war an der Zeit das zu akzeptieren.

Hallo Mum,
Du hast recht, es ist schwierig solche Briefe zu schreiben...
Es war irgendwie schön dich letzte Woche zu sehen. Aber ich weiß nicht was Dad davon halten würde, wenn er wüsste, dass wir Kontakt haben.
Vielleicht ist es deshalb besser, wenn wir es erstmal bei den Briefen belassen. Du hast ja gesehen wie das letzte Woche geendet hat...
Es wäre irgendwie schön, wenn wir wirklich wieder Kontakt hätten.
Das heißt aber noch lange nicht, dass ich vergessen werde was in den letzten Jahren geschehen ist.
Ich weiß es aber zu schätzen, dass dir das mit Cedric wirklich ans Herz ging. Das hat mir erstmal gezeigt, dass du wirklich noch ein Herz besitzt.
Also ich denke, dass wir einfach Zeit brauchen.
Für mich geht es dann morgen nach Hogwarts.
Tja, bis dann oder so.
Deine Emma

Ja, das war in Ordnung.
"Na Nyx, bist du bereit für einen Flug?", fragte ich meine Eule und streichelte ihr liebevoll über den Kopf.
Sie krächzte, stupste mich an und breitete ihre Flügel aus.

The Story of a HufflepuffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt