Kapitel 1

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Sicht Candy

Knapp vier Monate waren vergangen, seit ich das Freedom-Dorf verlassen hatte. Nachdem Manu mir einen Korb gegeben hatte, sah ich keinen wirklich großen Grund, noch dort zu bleiben. Ich hatte ein gebrochenes Herz und da hätte ich in der Nähe dessen bleiben sollen, der es gebrochen hatte? Deshalb war ich wieder in mein Heimatdorf gezogen. Es war schwer für mich gewesen, sich wieder an ein normales Leben anzupassen. Doch letztendlich war es mir doch gelungen. Bei einem Schmied hatte ich eine Ausbildung zur Waffenmeisterin gemacht. Doch anstatt eine eigene Schmiede, nach dem Abschluss der Ausbildung, zu eröffnen, blieb ich bei meinem Ausbilder und wohnte mittlerweile bei ihm. Ich hätte nie gedacht, dass man sich so schnell wieder jemanden anvertrauen kann, obwohl es noch nicht solange her war, dass man abserviert wurde, aber letztendlich hatte ich eine sehr tiefe Bindung zu Markus, meinem Ausbilder, aufgebaut.

"Essen ist fertig!", rief ich so laut, dass auch Markus mich in der zum Haus angrenzenden Schmiede hören würde. Draußen regnete in Strömen und hin beinahe durchgängig blitzte und donnerte es. Der Wind peitschte gegen das Fenster und die dicken Regentropfen trommelten gegen die Scheiben. Der Strom war schon lange ausgefallen, weshalb nur zwei Kerzen unsere Wohnküche erleuchteten. Das gesamte Erdgeschoss war unser Wohnzimmer und Küche in einem. Im oberen Stockwerk war unser Schlafzimmer und im Anbau war unsere Schmiede. Markus zählte zu einen der besten Schmiede weit und breit und hatte hohes Ansehen. Es war eine Ehre, seine Lehrling gewesen zu sein.

"Ich komme!", rief Markus und schon bald erschien er in der Tür zur Schmiede. Ruß bedeckte sein braunes Haar und sein Gesicht. Die schwere Schürze war, wie seine Hände, ebenfalls mit Asche bedeckt. Er wischte sich mit einer Hand über die schweißbedeckte Stirn und er atmete geräuschvoll aus. "Du solltest dich nicht so überanstrengen", meinte ich nur. "Würde ich ja gerne, aber die Bestellung muss leider schon morgen ausgeliefert werden", antwortete Markus und legte die Schürze ab. Trotz des schlechten Lichts zeichneten sich sichtbar seine Muskeln unter seinem rußbedeckten Hemd ab. Betreten sah ich auf den Boden und strich mir eine eine Strähne meines pinken Haars aus dem Gesicht. Verdammt, Candy. Er war dein Ausbilder!, ermahnte ich mich selbst. Während Markus sich das Gesicht und die Hände wusch, fragte er: "Und was gibt es heute?" "Ähm...nur etwas Karotteneintopf", meinte ich und nahm Platz. "Klingt fabelhaft", sagte Markus, lächelte mich an und setzte sich ebenfalls hin. Ich zuckte zusammen, als ein ohrenbetäubender Donner zu hören war. "Du hast doch nicht Angst vor Gewitter", sagte Markus schelmisch. "Haha", lachte ich tonlos, obwohl ich mir ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Wieder erhellte ein Blitz das Zimmer und ich erkannte die Umrisse einer dunklen Gestalt vorm Fenster. Ich konzentrierte mich auf die Gestalt, doch im nächsten Moment war sie wieder verschwunden. Markus drehte sich um und blickte dort hin, wo ich gerade so angestrengt hingeschaut hatte. "Was los? Hast du einen Geist gesehen?", witzte Markus geschmacklos. Ich verdrehte nur die Augen.

Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und der Wind wehte den Regen hinein. Markus sprang auf. Mit zusammen gekniffenen Augen, um mich gegen die Regentropfen zu schützen, wandte ich meinen Kopf zur aufgestoßenen Tür. Eine dunkle Gestalt stand darinnen. Ihr dunkler Umhang bewegte sich durch den Wind.  gespenstisch, das Gesicht war in eine Kapuze gehüllt. Ein Blitz zuckte über den Himmel und ließ ein Messer silbern aufleuchten. "Was willst du?", fragte Markus ernst ohne den Hauch einer Spur Angst in der Stimme. Die Gestalt trat ohne ein Wort näher und striff die Kapuze ab. Ich erkannte das bärtige Gesicht. Ich hatte versucht, zu verdrängen, was vor ein paar Wochen geschehen war. Der Wald, ein aufblitztendes Messer, der Schrei des Mädchens und dann dieses höhnische Lachen. "Es tut mir leid, Schätzchen. Aber ich kann mir leider keine Zeugen erlauben", säuselte der Mann. Wieder zuckte ein Blitz über den Himmel und Donner grollte. Markus stellte sich schützend vor mich. Noch nie hatte ich in meinem Leben mehr Angst. Nicht als mich diese Mutanten angegriffen hatten oder beim Kampf gegen Evil Professor Ente. Damals hatte ich Waffen und... den Freedomsquad. Doch jetzt? "Wenn du sie töten willst, musst du erst an mir vorbei", sagte Markus heldenhaft. "Wie schade, dass du ihn mit rein gezogen hast. Eigentlich hätte ich ihn am Leben gelassen", sagte der Mann. Markus soll wegen mir sterben?! Nein, nicht er. Ich versuchte, mich an ihn vorbei zu drücken doch er stellte sich immer wieder in den Weg. Vorsichtig lugte ich hinter Markus' Rücken hervor. Sanft strich der Mann mit dem Daumen über die Klinge seines Messers und kam langsam auf uns zu. Wir wichen auch immer weiter zurück und Markus machte keine Anstalten, von mir wegzugehen. Wir waren an der Wand angekommen, der Mann schlich auf uns zu wie eine Katze, die sich an ihre Beute heranpirschte. Es gab nur einen Ausweg. Endlich quetschte ich mich hinter Markus hervor und sagte mit fester Stimme: "Hör auf. Du willst mich, nicht ihn. Verschone ihn und ich werde mit dir kommen." "Es tut mir leid, Schätzchen", sprach der Mann mit gespielt trauriger Stimme. "So funktioniert das nicht und wie schon gesagt: Ich kann mir keine Zeugen leisten..."

Visionen - Ewiger Fluch [FreedomFF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt