Kapitel 9

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Sicht Candy

Ich zitterte. Aber nicht wegen dem kalten Wind, der wehte, sondern wegen dem Schmerz, der mich innerlich immer mehr zerstörte, bis nichts mehr von mir übrig war. Mein Blick war immernoch auf das Geländer gerichtet. Wieso auf das Ende warten, wenn man es selbst jederzeit beenden kann? Mir fiel kein Grund ein, warum ich es nicht tun sollte. Ich wäre bei Markus, der Schmerz würde aufhören und ich müsste mir keine Sorgen mehr machen. Es war niemand zu sehen. Auf der Brücke war ich vollkommen allein, wie auch sonst immer. Der Wind wehte immer heftiger und ließ meine pinken Haare durch die Luft tanzen. Immernoch rollten Tränen unaufhörlich meine Wangen hinunter. Ich wusste, mein gebrochenes Herz würde nie wieder heilen und vermutlich würde ich nie wieder ein normales Leben führen können.

Ich fasste einen Entschluss. Den letzten Ausweg, der mir einfiel. Mit zitternden Beinen stand ich langsam auf. Taumelnd und mit verschwommener Sicht aufgrund der Tränen stolperte ich zum Geländer. Ich stellte mich direkt daran und blickte in die durch den Wind aufgewühlten dunklen Wassermassen, die unentwegt gegen die steinernen Pfeiler der großen Brücke schlugen. Das Wasser rauschte. Allein der Anblick bereitete mir wegen meiner Höhenangst ein Schwindelgefühl. Mit meinen Händen umfasste ich das kalte Geländer fester. Ich war fest entschlossen, das zu tun, was ich vorhatte. Zitternd stieg ich mit einem Bein über die Brüstung und danach mit dem andere. Meine Zehen ragten über den Brückenrand hinaus. Viele dutzende Meter unter mir schäumte der reißende Fluss. Mit den Händen hielt ich mich noch fest. Ein Schritt und alles war vorbei. Mein Tod war für niemanden von Bedeutung. Markus war tot, zu meiner Familie hatte ich schon lange keinen Kontakt mehr und Freunde hatte ich keine mehr. Vom Freedomsquad hatte ich auch schon lange nichts mehr gehört. Wer würde mich vermissen? Richtig. Niemand.

Ich kam mir wie Rose aus dem Film Titanic vor. Sie wollte sich auch ins Meer stürzen und Selbstmord begehen. Doch Jack kam zu ihr und überredete sie, nicht zu springen. Aber zu mir würde niemand kommen. Ich war einsam, allein und unbedeutend. Ich sah zum grauen Himmel auf. Eigentlich konnte man dies hier nicht Selbstmord nennen. Viel eher Befreiung. Ich atmete noch einmal aus und machte mich bereit, allem ein Ende zu setzen.

Visionen - Ewiger Fluch [FreedomFF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt