Kapitel 18

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Sicht Kedos

Ein Schrei ertönte. Doch nicht von Zimbelfrau, sondern von mir. Verdammt, ich wollte das alles nicht. Die kleine Frau starrte nur fassungslos auf das Messer, das in ihrer Brust steckte und dessen Griff ich immer noch umklammerte. Mit einem schneidenden Geräusch, zog ich das Messer heraus. Rubinrotes Blut klebte daran und darin spiegelte sich das Gesicht ihres Mörders. Meines. Der lila Pullover von Zimbelfrau färbte sich rot und die Blutlache breitete sich rasend schnell aus. Mit den Händen presste sie sich auf die Stichwunde und sackte ohne einen Laut auf den Boden. Während ich einfach nur tatenlos zusah, wie sich der Blutteppich wie ein gefräßiges Monster über den Boden verbreitete. Schwache Zuckungen schüttelten ihren kleinen Körper. Sie blickte auf und in ihren Augen spiegelte sich meine eigene Angst. "Tut mir leid", war das einzige, was ich mit meiner brüchigen Stimme zustande brachte. Und in diesem Moment realisierte ich, dass nicht nur sie gerade starb. Auch ich fühlte mich tot. Leer, gefühlslos, einfach nichts mehr. Mich wunderte, dass ich meinen eigenen Herzschlag fühlte, obwohl ich mich so tot vorkam. Der dritte Mensch, der meinem Messer zum Opfer gefallen war. Und das alles nur, um einen zu retten. Wegen meinem Egoismus und meiner Dummheit mussten drei Menschen sterben.

Ich musste hier raus, einfach weg. Mit einem letzten verzweifelten Blick auf Zimbelfrau drehte ich mich um und verließ das Haus. Mein Verstand war wie vernebelt und wankend stolperte ich durch das Dorf, welches immer mehr zum Leben erwachte. Ein paar mal lief ich in andere Bewohner hinein, doch ich achtete nicht darauf. Es schien mir, als würde sich die Welt drehen. Irgendwann stand ich plötzlich außerhalb des Dorfes und ohne ein wirkliches Ziel rannte ich einfach los. Als könnte ich vor meinen Problemen davonlaufen, weg von den Bildern, die sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt hatten. Jedes Mal wenn ich blinzelte, zeigte sich ein anderes schreckliches Bild, welches ich in den letzten Wochen gesehen hatte. Die Frau im Wald, dieses verängstigte Mädchen mit den pinken Haaren, der Mann, das zusammengekauerte Mutantenmädchen im Labor.

Ich wusste nicht, wie lange ich schon rannte aber irgendwann gaben meine Beine nach und ich brach zusammen. Ich spürte etwas Feuchtes auf meinen Wangen. Zuerst dachte ich, es wäre Schweiß, doch dann realisierte ich, dass es Tränen waren. Ich war gebrochen, heimatlos und sogar noch einsamer, bevor Herr Bergmann aufgetaucht ist. Ich hatte niemanden mehr...

Visionen - Ewiger Fluch [FreedomFF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt