Schon ein paar Tage bin ich hier im Versteck von Cherubimon. Als ich mich das erste Mal in dieser Höhle verlaufen habe, habe ich zufällig eine Aussichtsplattform entdeckt. Normalerweise ist mein Orientierungssinn nicht so schlecht, aber da hier wirklich alles gleich aussieht, kann man sich doch nur verlaufen.
Auch jetzt sitze ich auf der Aussichtsplattform und betrachte die drei Monde der Digiwelt. Dabei schweifen meine Gedanken irgendwie zu Takuya und die anderen. Was werden sie jetzt machen? Sind sie weiterhin auf dem Weg zu dem Stern der Rosen? Dann werden wir uns bald wieder sehen. Und dieses Wiedersehen nutze ich, um meinen neuen Spirit auszuprobieren. Ich bin echt gespannt, welche neuen Kräfte ich dadurch erhalten werde.
Ich schließe meine Augen. Unwillkürlich muss ich an meinen Bruder denken.
„Aura", erklingt die Stimme von Lucian. „Was denn?", das kleine schwarzhaarige Mädchen dreht sich zu ihrem großen Bruder um. „Schau dir das mal an." Dabei deutet der braunhaarige Junge auf ein Plakat. Das Mädchen stellt sich zu ihrem Bruder und betrachtet das Plakat worauf steht: 'Sommerfest am 1. August im Yoyogi-Park'. Die Augen des Mädchens beginnen zu glitzern. Ein begeistertes Grinsen breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Auch auf dem Gesicht des Jungen zeigt sich ein Lächeln. Er weiß genau, was dieses Strahlen bedeutet. „Gehst du mit mir da hin?", fragt die kleine Schwarzhaarige. Und wie der Junge recht behalten hat. Sanft legt er eine Hand auf den Kopf seiner Schwester. „Sonst hätte ich dir dieses Plakat nicht gezeigt, Aura." Stürmisch umarmt sie den Jungen. „Du bist der beste große Bruder, den es gibt. Danke, Lucian!" Der Angesprochene lacht auf. „Für dich doch immer, meine kleine Aura."
„An was denkst du?" Erschrocken drehe ich mich um. „Koichi." Er setzt sich neben mich. Auch wenn ich erst eine kurze Zeit hier bin, ist Koichi meine einzige Bezugsperson. „Also, an was hast du gedacht?", stellt Koichi seine Frage erneut. Ich wende mich den drei Monden wieder zu, als ich antworte: „An meinen Bruder." „Du musst ihn sehr vermissen, hab ich recht?" Leicht nicke ich. Zwar sind meine Gefühle im Moment ziemlich abgestumpft, dennoch weiß ich, dass ich meinen Bruder vermisse. Dieses Gefühl als auch das Schuldgefühl, dass mich seit seinem Tot plagt, spüre ich nach wie vor. Auch wenn es sehr tief in mir drin steckt. „Deshalb werde ich auch alles machen, um ihn zurückzubekommen. Das bin ich ihm einfach schuldig." „Du wirst also Cherubimon folgen?" Wieder nicke ich. „Solange sie sich an unsere Abmachung hält, werde ich tun, was sie sagt. Nur sie scheint die Möglichkeit zu haben, mir meinen Bruder zurückzuholen."
Mein Blick wandert zu Koichi. Die Ähnlichkeit zu Koji ist wirklich verblüffend. Das kann doch nicht nur Zufall sein. „Hast du Geschwister?", erkundige ich mich bei meinem Gegenüber. Er weicht meinem Blick aus. Dieses Thema ist ihm unangenehm. Leicht ziehe ich eine Augenbraue nach oben. „Ja, einen Zwillingsbruder", kommt es nach einer langen Zeit. „Du siehst einem der Digiritter ähnlich. Du siehst fast so aus wie..." „Koji", unterbricht Koichi mich. Also doch. „Aber Koji meinte, er habe keine Geschwister." „Weil er nichts davon weiß. Meine Großmutter hat es mir erzählt. Ich bin bei unserer Mutter aufgewachsen. Koji lebt bei unserem Vater." Daher weiß Koji nichts. Das erklärt natürlich einiges. „Ich habe ihn dann einige Zeit lang beobachtet. Er hat ein schönes Leben. Und meine Mutter musste schuften, um mir irgendwas bieten zu können."
„Lass es uns ihm zeigen. Lass uns die Digiritter besuchen gehen. Dann kann ich gleich mal meinen neuen Spirit ausprobieren", schlage ich vor. „Solltest du nicht erst einmal probieren, ob du ihn überhaupt beherrschen kannst?" „Quatsch. Das krieg ich schon hin." „Gut. Zuvor muss ich aber noch etwas erledigen. Ich hole dich dann ab." „Von mir aus." Zwar wäre es mir lieber sofort aufzubrechen, aber dann muss ich halt warten. Hilft nichts. Koichi digitiert zu Duskmon und verschwindet in der Dunkelheit.
Auch ich stehe auf und begebe mich zurück in die Höhle.
„Die Schnepfe! Was will die hier?", beschwert sich Lanamon lautstark, als sie mich sieht. Tatsächlich ist es das erste Mal, dass sie mich hier im Versteck sieht. Was weiß ich, was sie in der Zwischenzeit getrieben hat. „Die heißt Aurora", berichtige ich sie leicht genervt, „Und eure Herrin wollte, dass ich hier bin." Lanamon wedelt mit ihrer Hand direkt vor mein Gesicht. „Aber du gehörst zu den Gören." Gereizt packe ich ihren Arm. „Vergleiche mich nie wieder mit diesen Kindern. Ich habe noch nie richtig zu ihnen gehört. Verstanden?", stelle ich mit bedrohlicher Stimme klar. Ich drehe ihr den Arm auf den Rücken, stoße sie weg und gehe an ihr vorbei. Soll sie sich doch beschweren. Aber bitte nicht bei mir.
„Prasselnder Regenschauer", ertönt Lanamons nervige Stimme. Über mir bildet sich eine dunkle Wolke. Ihr Ernst? Bevor es daraus zum Regnen anfängt, springe ich zur Seite und ramme Lanamon meine Faust in den Bauch. Diese fliegt einige Meter zurück und zerstört dabei eine Säule. Wahnsinn. Wo nehme ich diese Kraft her? Kommt das von der Finsternis? Von diesem Spirit? Ein zufriedenes Grinsen breitet sich auf mein Gesicht aus. So viel Kraft hatte ich noch nie. Einfach Unglaublich, was so ein einfacher Spirit ausrichten kann. Diese neu erlangte Power gefällt mir richtig.
„Was soll das, du Miststück?", fragt Lanamon mich. Sie hat sich aufgerappelt. „Es reicht", ertönt die Stimme von Mercurymon. Dieser erscheint an einer Säule gelehnt. „Was erlaubt ihr euch, das Schloss von unserer Herrin Cherubimon zu zerstören?", erkundigt sich Mercurymon. „Die hat angefangen", rechtfertigt Lanamon sich. Ich puste mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ja genau", entkommt es mir sarkastisch. „Na komm her, du Schnepfe." „Es reicht, alle beide", kommt es erneut von Mercurymon. „Ich lasse mir doch nichts von einem Spiegel erzählen", entkommt es mir spöttisch.
Diese Aussage scheint Mercurymon nicht zu stören oder er ignoriert sie einfach. Ist mir eigentlich auch egal. „Nachdem es Grumblemon nicht mehr gibt, können wir Unterstützung gut gebrauchen", meint Mercurymon.
„Aurora", vernehme ich die Stimme von Duskmon hinter mir. Leicht drehe ich meinen Kopf zu ihm. „Können wir los?", erkundige ich mich. Als Antwort nickt Duskmon nur. Gut. Dann kann ich ja meinen neuen Spirit ausprobieren. „Dann mal los. Auf zu den Digiritter", verkünde ich und drehe mich ganz zu Duskmon um.
„Hey! Wir sind noch nicht fertig!", ruft Lanamon mir hinterher. Ohne noch irgendetwas zu erwidern, gehe ich mit Duskmon mit. Jetzt bin ich mal gespannt, was mein neuer Spirit so drauf hat. Da werden sich die Digiritter aber wundern.
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Der Wächter der Digiwelt
FanfictionAurora bekommt eines Tages eine seltsame Nachricht auf ihr Handy. Kurz darauf begibt sie sich in eine unbekannte Welt, die Digiwelt. Anfangs noch allein unterwegs, schließt sie sich bald den Digirittern an. Doch wird sie von ihrer Vergangenheit eing...