Kapitel 26

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Ich wünschte ich hätte darauf geachtet, ob Archie uns gefolgt ist. Aber jetzt war es zu spät, denn unsere Wege haben sich rasch getrennt. In der Dunkelheit verlor man sich schnell aus den Augen, auch die Taschenlampe von Veronica leuchtete nicht mehr. Wahrscheinlich wollte sie nicht die ganze Aufmerksamkeit von Blackhood auf sich ziehen. Ich für meinen Teil rannte was das Zeug hielt, auch wenn ich noch vor wenigen Minuten vorhatte, mich selbst umzubringen. Urplötzlich waren meine Flucht- und Überlebensinstinkte erwacht und in meinem Kopf spielten sich die Szenen ab, wie ich Betty diesen Mord erklären könnte. Zumindestens lenkten mich diese Gedanken von dem Geraschel hinter mir ab, das mir sagte, dass Blackhood mir gefolgt war. Lange würde ich dieses Tempo nicht behalten können, denn meine Lungen brannten schon und meine Beinmuskeln fühlten sich schlaff und kaputt an. In dieser Dunkelheit konnte ich nicht sehen, wohin ich rannte, also kam es schon Mal vor, dass ich Begegnungen mit dem Baum und dem Geäst auf dem Boden machte. Leider nahmen mir diese Ausrutscher viel des Vorsprungs und so holten die Geräusche hinter mir immer mehr auf. Mein Herz raste. Waren jetzt doch meine letzten Minuten? War es mein Schicksal genau heute zu sterben? Soll mein Leben beendet werden, wie ich Chics beendet habe? Mir wurde klar, dass ich das verdient hätte. Niemals hätte ich einen Jungen töten und sein Blut im Wald von Riverdale vergießen dürfen. Karma holte die Menschen ein. Jeder bekam das, was er verdient hatte.
Doch ich sah ein Licht am Ende der Dunkelheit, wie bei einem Tunnel. Es bedeutete für mich vielleicht nicht sterben zu müssen, deshalb lief ich voller Gier und Hoffnung darauf zu, wollte es mit der Hand packen, damit mir das ja nicht entwischen konnte. Nannte man eine solche Szene schon als Hochmut? Wenn ja, dann war es dieser Hochmut, der vor dem Fall kam, wortwörtlich. Denn kurz bevor die Dunkelheit dem Licht wich, stolperte ich über einen dünnen Baumstamm, den man mühelos bei dieser Helligkeit hätte sehen können, und landete noch kurz schlitternd mit dem Bauch auf den Boden. Es war kein besonders schmerzlicher Sturz, sondern ein Normaler mit brennenden Händen, Armen und Knien. Trotzdem bedeutete er meinen Tod und das konnte niemand leugnen. Um Aufzustehen und weiter zu rennen war es zu spät, denn hinter mir hielten die Schritte an, die mich durch den Wald verfolgt haben. Ich hörte sein Schnaufen ganz dicht bei mir, sodass sich mir die Nackenhaare aufstellten. Zudem klopfte mein Herz lauter als eine Bohrmaschine je sein könnte. In meinen Ohren rauschte das Blut und für mich fühlte sich das Warten auf den Untergang wie eine Ewigkeit an. Und plötzlich wurde ich am Fuß zurückgezogen.

Fangs saß da, blickte glasig in die Sterne. Nichts besonderes, wenn er nicht schon den ganzen Tag dort gesessen hätte und den letzten Tag auch. Seine Wangen waren feucht und wurden am laufenden Band von einem neuen Flüssigkeitsfilm aufgefrischt. Seine Haare sahen strubbelig und strähnig aus, dazu trug er immer noch die blutverschmierten Hemden, die er auch im Whyte Wurm trug.
"Fangs?", rief jemand vor seinem Trailer, aber in seinen Gedanken versunken nahm der verwahrloste Serpent die Stimme nicht wahr. Auch als er den schlanken Körper mit dem schwarzen T-Shirt direkt vor der Nase stehen hatte, bemerkte er rein gar nichts. Alles in ihm schien ausgeschaltet, wie ein kaputter Roboter. Nachdem er aber von dem Jungen kräftig gerüttelt wurde, schien er zumindestens wieder anzugehen. "Sweet Pea?", fragte er in der Hoffnung seinen toten Freund wiederzusehen, die aber mit dem Gesicht von Kevin niedergeschmettert wurde. Er ließ sich wieder zurückplumpsen und verlor erneut jegliche Energie und Feuer in seinem Körper. Sein Kampfgeist war gebrochen wie ein Stück Holz.
Da Fangs auf dem Geländer vor seinem Trailer saß, konnte Kevin sich neben ihn setzen und schaute schweigend in die Sterne. Und auch wenn er Sweet Pea gehasst hatte, fragte er sich, welcher dieser Sterne er war. "Du liebst ihn", sagte er nach einiger Zeit hilfloser Stille. Es musste irgendwann ausgesprochen werden, auch wenn er selbst das Thema mehr als abartig fand. Jeder blinde Fisch konnte erkennen, dass Sweet Pea nicht schwul war. Fangs ließ den Kopf sinken.
"Ich will nicht schwul sein", gab er zu.
Kevin seufzte. "Das will keiner."
Fast gleichzeitig rutschten beide voneinander weg, Kevin sogar noch davor.
"Mein Vater hat mich Mal gefragt, ob es an unsere Schule keinen netten schwulen Jungen gibt", murmelte er plötzlich. In der Dunkelheit konnte er Fangs braune Augen sehen.
"Was hast du geantwortet?", wollte der Serpent eher desinteressiert wissen. Es waren wie Stiche ins Herz, dass es ihm so schlecht ging und dass jeder seiner Gedanken Sweet Pea galten.
"Ja mich. Genau das habe ich gesagt", lachte er, ein eher nervöses Lachen. Sein Blick wanderte zu Fangs, der weiter leer in die Ferne starrte.
"Würde Dad mich das Gleiche noch einmal fragen, würde ich etwas anderes antworten", fügte er hinzu, in der Hoffnung, dass er darauf anspringen würde, tat er aber nicht. Und jetzt war der Moment, wo er sich Fehl am Platz fühlte. Also sprang er vom Gelände, das seinen Hintern wund gemacht hatte und lief weg, ohne einen letzten Blick auf Fangs zu werfen.

Eine dunkle Gestalt jagte über den Parkplatz des Pops. Auf ihrem Kopf lag eine Kapuze, die ihr Gesicht verbarg. Gespannt sah sich das Feuer an, das immer noch in der Dunkelheit leuchtete. Neben ihr trat die nächste beinahe unsichtbare Person. "Das ist der Untergang von Riverdale", murmelte eine weibliche Stimme, die zischend und spitz war. Die Person neben ihr nickte, sagte aber nichts, als würde sie befürchten, belauscht zu werden. Als die rechte Person, die eher die Plaudertasche war, sich zur Seite drehte, um den Wald im Blick zu haben, sah man ihre schwarzen langen Haare. Dann drehte sie sich abrupt nach hinten, als hätte sie ein Geräusch gehört. Im Licht der Laterne sah man ihr Gesicht. In der schwarzen Hülle befand sich Jugheads Mutter.

Southsider VS Northside - Riverdale, die Stadt des KriegesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt