Kapitel 22: Lügengeflochte oder Wahrheit

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"Du...du...ha...hast was?!", Lamiras Stimme zittert, sie bricht zusammen und weint bitterlich.

"Ich hatte keine andere Wahl, es tut mir Leid. Es tut mir wirklich Leid", flüstert Verena leise und schluckt, sie kratzt sich verloren am Nacken und hockt sich anschließend vorsichtig neben sie.

Sie versteht ihre eigenen Reaktionen nicht mehr, sie kann nicht verstehen, wieso sie Lamira Wärme geben kann , wieso sie Gefühle für dieses Mädchen aufbringen kann.
Zuneigung und auch Liebe ist etwas, das Vanessa nicht kennt und auch nie erlernt hat. Sie wurde nie geliebt.
Seit dem Kleinkindesalter, hat Satan die junge Frau zu einer emotionslosen Maschine erzogen, sie hatte zu gehorchen und Befehle durchzuführen, Gefühle hatten dabei keinen Platz, sie wurden durch harte Strafen völlig ausradiert und vernichtet.
Verena empfindet für niemanden etwas, schon gar kein Mitleid, oder Reue.
Außer für diesen Jungen, den ihr ihr Vater vor Jahren genommen hat und nun ist es dieses Mädchen, dass weinend neben ihr am Boden sitzt.

"WARUM?! Was redest du für eine verdammte Scheiße? Man kann sich immer dagegen entscheiden einen verdammten Menschen zu töten!", schreit Lamira plötzlich und stürzt sich von Wut und Hass erfüllt, auf Verena, die damit nicht gerechnet hat und rücklings auf den Boden geschleudert wird.
Sofort ist Lamira auf ihr und funkelt sie hasserfüllt an.

Verena erwidert ihren Blick traurig und dreht ihren Kopf anschließend zur Seite.
"Schau' mich gefälligst an! Es gefällt dir doch mich so zu sehen! Dann schau' mich an und genieß' den Anblick! Komm' schon!", Lamira packt Verenas Kinn und zwingt sie ihr ins Gesicht zu sehen. Tränen laufen Lamira in Strömen über das zerschundene Gesicht. Reue und Schmerz breitet sich in Verena aus, sie verzieht das Gesicht und weicht ihrem Blick aus. Lamiras Hand krallt sich fester in ihr Kinn und lässt sie anschließend los.
Verzweifelt und voller Schmerz beginnt sie auf Verena einzuschlagen, doch diese wehrt sich nicht, sie lässt Lamiras Schläge über sich ergehen und schließt die Augen.
"Was habe ich getan?", flüstert Verena leise und kaum hörbar, Lamira bekommt davon jedoch ohnehin nichts mit. Ihre Schläge verloren langsam an Kraft und auch ihre körperlichen Schmerzen beginnen sich erneut zu zeigen.

Irgendwann verlassen Lamira auch die letzten Kräfte und sie fällt auf Verena in sich zusammen.
Verena versucht nicht einmal sie von sich stoßen, im Gegenteil, sie legt ihre Arme fest und schützend um Lamiras ausgemerkelten Körper, der mittlerweile mehr Wunden und Narben als Haut auf sich trägt .

Lamira atmet flach und kaum hörbar, nur ihr leises Schluchzen erfüllt sie kalte Luft.
Ihr Brustkorb bewegt sich unregelmäßig auf und ab.
Ein Zittern durchfährt sie und ihr Körper krampft sich immer wieder zusammen.
So bleiben die Beiden eine Weile im schlammigen Boden liegen, Verena rührt sich nicht, sie hält das Mädchen fest und starrt in den kalten, grauen Himmel.
Langsam senkt Verena den Blick und betrachtet sie, Lamira sieht entsetzlich aus, sie hat bereits in der kurzen Zeit mehr mitmachen und ansehen müssen, als andere Jugendliche in ihrem ganzen Leben erleben werden.

"Ich hatte keine andere Wahl. Es tut mir von Herzen Leid, ich wünschte mir langsam ich könnte es ungeschehen machen", wiederholt sie sich in einem leisen Flüsterton, "mein Vater verprach mir, mich hier raus zu lassen, wenn ich den neuen Virusträger töte, ich könne zurück in ein normales Leben. Ohne Mord, Schmerz und Verlust. Er hat gelogen, ich hätte es schon vorher wissen müssen. Du hast Recht, ich habe all das hier verdient. Ich bin nie eine von den Guten gewesen. Doch ich möchte, dass du weißt, dass es niemals etwas persönliches gegen deinen Freund war"

Lamira ist zu schwach um sich aus Verenas Armen zu befreien, ihre Finger krallen sich schmerzhaft in Verenas Schultern, doch das kümmert sie nicht.
Sie weiß, das sie den Schmerz verdient hat.
Er ist ohnehin zu ihrem treuen Begleiter geworden.

"Dreckige Lügnerin! Du hast Tyler gehasst!", Lamira hebt den Kopf und blickt ihr schmerzlich in die Augen. Langsam richtet sie sich auf und bleibt auf Verenas Bauch sitzen, Verena hindert sie nicht daran, obwohl Lamira ihr sichtlich das Atmen erschwert. Verena scheint ebenso angeschlagen zu sein, da Lamira eigentlich kaum etwas auf die Waage bringen konnte.

"Nein Süße, ich hasse nur meinen Vater. Nicht Tyler. Siana hat ihn zu hassen gelernt und sie tötete ihn anschließend, nicht ich", seufzt Verena und wendet beschämt den Blick von ihr ab.

"Von wegen, das warst ganz alleine, du, du und keine Siana! Du versuchst immer noch die Schuld von dir zu schieben, du bist armselig! Ach und hör auf mich 'Süße' zu nennen, du verdammtes Miststück. Ich wünschte du wärest an seiner Stelle gestorben!", faucht Lamira sie wütend an.

"Geh' von mir runter!", plötzlich verschwindet alles sanfte in Vanessas Stimme und auch ihr Gesicht übernimmt wieder die kalte emotionslose Maske, die sie ihr komplettes Leben lang angelernt bekommen hat.

Larissa lacht auf.
"Wieso sollte ich, wenn du elendiglich erstickst, ist es mir nur Recht!"

"Pass bloß auf was du sagst 'Süße', ich bin dir immer noch überlegen und werde es auch immer sein. Also mach' lieber was ich dir sage!"

Larissa will ihr eine Ohrfeige verpassen, doch Vanessa ist schneller und ergreift ihr Handgelenk.
Mit einer geschickten Bewegung, verdreht sie es ihr.

Lamira schreit vor Schmerz kurz auf.
"Lass' verdammt noch mal los!", faucht sie ihr Gegenüber an und beißt die Zähne zusammen. Lamira versucht den Blick möglichst gleichgültig aussehen zu lassen, während ihr Handgelenk bereits zu pochen beginnt.

Danach geht alles viel zu schnell für Lamira, Vanessa rollt sich blitzschnell auf sie und nagelt sie mit einem gekonnten Griff auf den Boden.
"Du wirst mir jetzt zuhören, ob du willst oder nicht!"

Larissa spuckt ihr ins Gesicht.
"Ich werde garnichts tun. Du kannst mich mal, du verdammte Irre!"

"Ich kann mich nicht erinnern, dich um Erlaubnis oder einer Meinung gefragt zu haben. Du wirst mir einfach zuhören, was anderes bleibt dir ohnehin nicht übrig. Somit würdest du uns beiden die ein oder andere Unannehmlichkeit ersparen, wenn du dich einfach benimmst und machst was ich dir sage. Ok?"

Lamira antwortet nicht und versucht weiterhin vergeblich Verena von sich zu stoßen.

"Erbärmlich. Du siehst aus wie ein Fisch, der am Trockenem zappelt", meint Verena abfällig und verdreht anschließend genervt die Augen.
"Wir können es auf die harte oder auf die Weiche Tour machen. Also geh' mir besser nicht länger auf die Eier", schnauzt sie und verstärkt den Druck auf Lamiras ausgemerkelten Körper.

Schließlich drehte diese den Kopf zur Seite und seufzt leise, ansonsten gab sie jedoch keinen Mucks von sich.

"Na geht doch, warum denn nicht gleich so?", Verena lächelt sie an und holt noch einmal tief Luft, bevor sie zu erzählen beginnt.

Blutsünden JägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt