KAPITEL 13 - Liyubas Befreiung [Teil 2]

71 5 2
                                    

Kaum hallten seine Worte durch die Kuppel, folgte ein schockiertes, entrüstetes Aufjaulen aus dem Volk der Saldos. Sogar Amy und Rory schienen entsetzt zu sein über jene Aussage, und Lelai verharrte in ihrer Stellung.
Cýa hingegen, hielt wohl nicht so viel von der Behauptung des Time Lords und ließ sich mit einem kalten, gackerndem Lachen in ihren Thron zurückfallen.
"Bedeutet das etwa, der feine Herr kam den weiten Weg durchs Universum hierher in mein Reich, um mich der Moral willen dem Erdboden gleichzumachen?", fragte sie sarkastisch und legte den Kopf schief, um den Eindruck zu vermitteln, dass die Anklage sie beleidigt oder gar verletzt hätte.
Mit einem trickreichem Lächeln steckte der Doctor das Gedanken manipulierende Papier wieder ein und schüttelte verneinend den Kopf, dabei kratzte er sich mit einem Finger an der Nase.
"Oh nein, nein nein nein", entgegnete er charmant, "Da müsst ihr mich völlig falsch interpretiert haben. So einer bin ich nicht. Ich und meine Begleiter-" Eine Bewegung zu den Ponds andeutend, fuhr der Time Lord fort, "-sind ohne Hintergedanken an diesem Ort gelandet- eher durch Zufall, weil irgendjemand einen Hilferuf ins All gesendet hatte."
Aus seinem Augenwinkel heraus blickte er Lelai nachdenklich an, das alterlose Gesicht der Saldonerin bereitete ihm einen Anflug von unsagbarer Qual.
"Einen verzweifelten Hilferuf, der schon viel zu lange unerhört blieb."
Die abweisende Stimme der Königin brachte den Doctor dazu, aufzusehen.
"Ich halte nicht viel von deinem Gerede, Fremder." Cýas Haltung verriet, wie angespannt sie sich fühlen musste. Allerdings stach die herzlose Dominanz durch ihre grauen Augen wie ein Blitz. "Wer bist du überhaupt, und was gedenkst du zu tun?"
Der Geduld bemüht, fuhr sich der Time Lord mit der Zunge über den Gaumen.
Auf Fragen antwortete er selten dem direkten Wege, deshalb versuchte er, noch etwas Zeit zu verdrängen.
"Für die Meisten bin ich keine Gefahr", erklärte er schulternzuckend, "Niemand Besonderes, bloß ein gewöhnlicher Reisender, der seinen Freunden ein bisschen durch das Universum führt, um ihnen die schönen, außergewöhnlichen Dinge zu zeigen." Mit zusammengezogen Augenbrauen und humorloser, warnender Stimme sprach er weiter. "Doch falls Ihr zu jener Gruppe mit böswilligen Absichten gehört, seien Sie noch so klein, solltet Euer Pfad dem meinen besser nicht kreuzen. Denn dann bin ich für Euch das gefährlichste Wesen im ganzen Universum."
Eisige Stille übernahm Triskana. Man hätte eine Stecknadel auf den blanken Boden landen gehört, so leise wurde es unter dem Schutz der Kuppel.
Selbst Cýa war für einen Augenblick ruhig. Vermutlich das erste Mal seit langer Zeit.
Nachdem weilenden Schweigen fand die Monarchin ihre Stimme wieder und schaute den Doctor teilnahmlos an.
"Soll das eine Predigt oder eine Drohung werden?", kam es mit bemühtem Desinteresse von ihr.
"Eure Entscheidung", antwortete der Time Lord knapp, kaum hatte sie ihren Satz zuende gesprochen. Im Bauch des Doctors brodelte es wie in einem Teekessel, so viel Zorn konnte er kaum verbergen. "Als ich Liyuba, einen der schönsten, außergewöhnlichsten und wundervollsten Planeten aus meinen frühesten Erinnerungen das letzte Mal gesehen habe, vor ewig langer Zeit, sprießte Leben und Lachen an jedem Fleck!", erzählte er und ließ nun jedermann teilhaben an dem, was ihn so bedrückte, "Freude, Glück und Gleichgewicht herrschten über den Tag, und die Natur gleichte einem Paradies. Und heute, fast eintausend Jahre später, kehrte ich zurück. Und was finde ich vor?" Die Frage betonte er mit besonders lauter, empörter Stimme und richtete seinen schuldzuweisenden Blick einzig auf Cýa. "Eine abgespumpfte, zerrissene, kalte, verwahrloste Einöde, die von jeglicher Herzlichkeit der Vergangenheit verlassen wurde! Da fragt man sich doch- Was ist passiert? Und nun kenne ich die Wahrheit. Deshalb stehe ich vor Euch."
Der Doctor machte eine wilde Drehung nach hinten und zeigte auf die Menge, jedem einzelnen Saldoner ins Gesicht schauend, welche betroffen zusammen zuckten.
"Vor euch allen! Um euch die Augen zu öffnen!"
Das Volk brach in eine flüsternde Diskussion aus, während Amy und Rory sich gegenseitig bestürzt und zugleich verwirrt ansahen. Lelai stand neben ihnen, aufgewühlt, mit bedächtiger Miene.
Cýas genervtes Schnauben füllte den Raum aus.
"Langsam aber sicher geht mir deine Rücksichtlosigkeit gegen den Strich, du Wichtigtuer!" Die Königin fuchtelte mit einer Hand in die Richtung der Soldaten. "Wachen! Nehmt die Eindringlinge fest!"
Die angesprochenen Wachen wollten ihren Befehl ausführen und stolzierten mit eiserner Haltung zu Lelai und den Ponds, doch der Doctor bewegte warnend den Schallschrauber zu ihnen, hielt ihn beidhändig fest umklammert.
"Stopp!", befahl er eisern, "Meinen Freunden und keinem Saldoner wird auch nur ein Haar gekrümmt, verstanden? Diese Lebewesen stehen unter meinem Schutz."
Wie angewurzelt blieben die gerüsteten Soldaten an Ort und Stelle stehen. Der Time Lord würde es niemals zulassen, dass jemand die Hand der Gewalt auf seine Begleiter legte!
"Außerdem war ich noch nicht fertig!"
Inzwischen platzte Cýa der Kragen, so schrill klang ihr Geschrei.
"Hör mal zu, du schlecht frisierter Wicht!", krakeelte sie ungehalten, "Ich mag nicht wissen, aus welchen Gründen du mich so mit Vorwürfen attackierst, aber nur, dass du es verstehst: Meinem Volk geht es prächtig, und auf Liyuba geschieht alles auf genau die Art, wie es geschehen muss!"
"Das stimmt nicht."
Lelai trat nach vorne und zog somit die Augen aller Beteiligten auf sich, doch sie blieb standhaft und stieg auf den Rand der Steinplattform.
"Was Sie von sich gibt, sind Lügen!", beteuerte sie mit erbitterter Verzweiflung in den grünen Augen, "Lügen, um ihre Grausamkeit zu vertuschen!"
Ein feines Lächeln andeutend, schaute der Doctor zu der resoluten Saldonerin hinunter.
"Da bin ich ganz deiner Meinung, meine liebe Lelai. Und weißt du auch, warum?"
Ihre Blicke trafen sich.
"Warum?"
Der Time Lord wartete einen Moment, bevor er zuversichtlich antwortete: "Weil ich einen Hoffnungsschimmer in deinen Augen sehe."
Dieser Satz schien eine Wirkung auf Lelai zu haben, denn ihr Gesicht verzog sich zu einer erstaunten Miene.
Mit ausgebreiteten Armen wandte sich der Doctor wieder ans Volk, dass die Konversation mit gemischten Gefühlen auf den Visagen und verspannter Körperhaltung mitverfolgt hatte.
"Saldos!", rief er ihnen schwungvoll zu, "Einwohner von Liyuba! Einzigartige, fabelhafte Kreaturen! Verratet mir, weshalb ihr euch dem Willen einer Lügnerin unterwerft."
Während des letzten Ausrufes drehte sich der Time Lord zurück zu Cýa und stierte jene durch verengten Augen an.
Ein empörtes "Pah!" spuckte die Monarchin in den Raum, bevor sie mit einem leichten, ungläubigen Lachen im Unterton fortfuhr: "Ich muss doch wohl sehr bitten, ja?! Jeder, der die Frechheit besitzt, mich als Lügnerin zu bezeichnen, wird mit dem Tod bestraft!"
"Darum", murmelte der Time Lord finster und nickte umsichtig, "Jetzt verstehe ich, weshalb."
Der einzige Gedanke, der ihn dazu zwang, seine Wut im Zaum zu halten, war das Wohlergehen von Liyuba und seinen Einwohnern.
Ansonsten hätte er völlig andere Geschütze und Umgangsformen angewendet.
Die Königin krallte ihre Hände in die Lehnen ihres Thrones, welche unangenehm laut knarzten. In ihren Augen flackerten Missgunst und Abscheu.
"Wenn du so großspurig behauptest, du wüsstest über eine Verschwörung Bescheid, Time Lord-" Sie betonte den Namen seiner Spezies so deutlich, dass die Menge hinter ihm zum Teil schockiert zu murmeln begann, "-dann erleuchte mich!" Cýas Kinn sank untätig auf ihre Hand. "Was könnte ein einzelner deiner untergegangen Rasse gegen die Regentin einer ganzen Spezien auszurichten haben? Sprich ruhig, ich warte darauf."
Der Doctor wurde für einen Moment still und überlegte. Die machtbesessene Monarchin machte einen selbtsicheren, siegesbestimmten Eindruck, als ob keine Armee im Universum ihre Herrschaft auch nur ankratzen könnte.
Doch manchmal reicht ein Funke aus, um ein Lauffeuer zu verursachen, dachte der Time Lord und beschloss kurzerhand, seinen höchsten Trumph auszuspielen.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen und er deutete eine umständliche Verbeugung an.
"Wenn es Euch so beliebt", meinte er gelassen, "Aber ich glaube nicht, dass ich der Einzige bin, der am heutigen Tage eine Drehung des Blattes bewirken kann." Bevor er sich umdrehte, rief er laut nach hinten:
"Taku? Möchtest du nicht rauskommen?"
Die Tür der immer noch zwischen den Saldos stehende TARDIS öffnete sich und Taku trat hinaus, auf den zerkratzten Steinboden Triskanas, mit einem Eisbeutel, den er sich gegen den Kopf drückte. Vermutlich, damit er im Inneren der Zeitmaschine nicht so schwitzte, und einen Zusammenbruch erlitt wie vorhin.
Kaum schritt er mit unsicherem Blick ins Geschehen, nach vorne zur Steinplattform, ging ein wellenartiges Aufatmen durch das Volk der Saldos, und leise Rufe des Unglaubens erhoben sich aus dem Getümmel. Taku ließ sich jedoch nicht einschüchtern und behielt seine üppige, lockere Haltung bei.
Der Doctor hörte ein unkontrolliertes Schluchzen neben sich. Er erblickte Lelai, die vollkommen ergriffen und paralysiert auf den Saldoner starrte. Tränen überströmten ihre walgrünen Wangen, und ihr Gesicht war eine einzige, erleicherte Miene.
"Takuro?", hauchte sie bebend, um Takus Aufmerksamkeit zu erlangen.
Der Saldoner erhaschte Lelai und erstarrte, dabei ließ er prompt den Eisbeutel fallen, welcher unachtsam auf den Boden plumpste.
"Juvana?", flüsterte Taku irritiert, die Augen entsetzt aufgerissen. Wimmernd stand er da, bis sich alles an ihm löste und er mit tränenden Augen auf seine Schwester zustürmte. "JUVANA!"
"TAKURO!"
Die beiden rannten zueinander und nahmen sich weinend in die Arme, umschlangen den Körper des jeweils anderen so eng, dass sie auf dem Boden neben dem Eisbeutel zusammenbrachen. Taku lag zitternd in der Umarmung, und Juvana dachte nicht einmal daran, ihn loszulassen, sondern vergrub ihr Gesicht in seinem Haarschopf.
Euphorie stieg in den Herzen des Doctors auf, als er einfach dabei zusah, wie das äußerlich sehr ähnelnde Geschwisterpaar vor lauter Freude nicht aufhören konnte zu Weinen.
Genau auf die gleiche Art hatten sich er selbst und die Ponds heute morgen in Westminster im Arm gehalten.
Freudentränen, dachte der Time Lord sich schmunzelnd und richtete sich seine Fliege zurecht, Offenbar nicht nur eine Besonderheit der Menschen.
Tork und Slim, welche beide am Rande der Ereignisse nahe bei Amy und Rory weilten, steckten mit befangenen Mienen die Köpfe zusammen.
"Der Kleine... Hat uns doch mal aus der Patsche geholfen, weißt du noch, Tork?", murmelte Slim gedämpft und beobachtete die rührende Wiedervereinigung der beiden Saldos.
Tork, ebenfalls empathisch, nickte mit einem zierlichen Lächeln.
"Ja, ich erinnere mich. Aber das ist lange her, und er ist längst kein Kleiner mehr."
Amy und Rory betrachteten Taku und Juvana mit gefühlvollen Gesichtern und umarmten sich gegenseitig ebenso. Dabei ließen sie sich einige vielsagende Blicke auf den Doctor nicht nehmen, was den Time Lord umso mehr zum Lächeln brachte.
Taku versuchte, unter all den Schluchzen und Weinen des Glückseligkeit seine normale Stimme wiederzufinden.
"Juvana", brachte er nach einem Wimmern hervor und löste sich ein bisschen von seiner Schwester, um ihr ins Gesicht zu sehen, "Ich dachte... Du wärst... An dem Tag, an dem wir getrennt wurden, haben dich doch die Wachen gejagt!"
"Sie waren hinter uns her, doch ich konnte sie rechtzeitig abschütteln, um dich in Sicherheit zu bringen", erzählte Juvana und versuchte angestrengt, ihren Tränenstrom zu kontrollieren. Zärtlich fasste sie Taku mit beiden Händen an die Wangen, als sei er das kostbarste Etwas in ihrem Leben. "Es tut mir so unendlich leid, Bruder, dass ich dich im Stich gelassen habe." Ihre Stimme klang schwer vor Schuld. "Ich hätte es nicht ertragen, wenn du nochmal in Gefahr geraten wärst..."
"Ich bin dir nicht böse, Schwesterchen", entgegnete Taku kopfschüttelnd und vergrub sein Gesicht in Juvanas Halsbeuge, "Ich bin einfach froh, dich wiederzusehen..." Der Saldoner strahlte sie breit lächelnd an, silberne Tränen glitzerten in seinem Augenwinkel, "Du lebst! Du bist am Leben!"
"Und ich kann dich endlich wieder in meinen Armen halten", presste Juvana glücklich hervor und drückte ihren Bruder fest an sich. Nicht einmal die trübsinnige Menge der Saldos schien das Wiedersehen ungerührt zu lassen, einige von ihnen hielten vergebens ihre Tränen zurück, andere gaben sich voll und ganz ihrer Beteiligung hin und stießen zurückhaltende Rufe des Jubels aus.
"Juvana?"
Amys Stimme veranlasste den Doctor dazu, sich zu der Rothaarigen und ihrem (immer noch in der nachtschwarzen, breit gebauten Kutte gekleideten) Ehemann umzudrehen. Perplex schaute den Time Lord an.
"Aber... Sie sagte mir, ihr Name wäre Lelai!"
"Ist es auch."
Amy zog verwirrt eine ihrer angeeckten Augenbrauen hoch.
"Ihr Spitzname", verdeutlichte der Doctor, verblüfft über die Verwunderung der Schottin, "Wir haben doch alle welche, Amelia. Wunderbare Abkürzungen, oder hervorgehobene Eigenschaften einer Person."
Verstehend zog die Rothaarige einen Mundwinkel hoch. Ja, er akzeptierte die Kurzform "Amy" schon seit Langem, aber für ihn persönlich würde sie immer Amelia Pond heißen.
Ein Name wie aus einem Märchen.
"Was zum Teufel soll dieses Affentheater?", schrie Cýa kehlig und drängte sich mit ihrer unangenehm lauten Donnerstimme erneut in den Mittelpunkt der Szene, "Ich verlange eine Erklärung, und zwar schleunigst!"
Die Geschwister erhoben sich und starrten zu der fuchsteufelswilden Monarchin. Kaum traf Takus Blick auf die Königin, spannte sich seine Körperhaltung rapide an.
"Du", knurrte der Saldoner grimmig, verlor jegliche Selbstbeherrschung und sprang aufgebracht auf sie zu, "DU!!"
Juvana kam gerade noch rechtzeitig und umklammerte den Rumpf ihres Bruders, um ihn vehement, aber auch nicht allzu gewalttätig nach hinten zu zerren.
"Takuro, nein!", befahl die Saldonerin hastig und legte die Arme um seine bebenden Schultern. "Ganz ruhig. Ich glaube, der Time Lord hat alles unter Kontrolle."
Taku, der trotz den Versuchen seiner Schwester noch völlig außer sich sein musste, zog die Maullippen zusammen und atmete heftig ein und aus, bemüht darum, nicht nochmal auszurasten.
Zustimmend nickte der Doctor in Juvanas Richtung. "Ganz richtig", meinte er bewusst und machte weiter mit seinem Vortrag, indem er in die ihm inzwischen ziemlich vertraut gewordene Mitte der Steinplattform schlenderte und seine Rede mit handlichen Gestiken ausschmückte. "Ich wollte herausfinden, was nicht mit Liyubas Ökosystem stimmte, da die Organismen auf völlig verschiedene Weise ausstarben. Daher musste ich die Uhr ein paar Jahre zurück reisen, um zu erfahren, was das Gleichgewicht dieses Planeten so enorm störte. Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber dann bin ich auf einen Nenner gekommen! Und auf was für einen!"
Freudig schmiss er beide Arme in die Luft, als würde er sogleich eine Reaktion der Neugierde von seinen Zuhörern erwarten.
Leider kam keine.
Also fuhr er fort: "Lombrus, König Lombrus, sagt euch dieser Name irgendwas?"
Unsicher tuschelten die Saldos miteinander.
"Unbedeutend", verneinte Cýa knapp und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein klares Anzeichen dafür, dass sie sehr unbequem auf jenes Thema zu sprechen war.
Was auch einen Grund hatte, wusste der Doctor.
"Unser geliebter König", antwortete Juvana mit ehrenvoller Miene und fixierte Cýa mit argwöhnischem Blick, "Unser wahrer König."
Der Time Lord gesellte sich neben die gutherzige Saldonerin.
"Ein wahrhaft toller Saldoner, so wie ich höre", stimmte er ihr wohlwollend zu, "Ich ging mit meiner Zauberkiste dorthin zurück, als er diese Welt verließ, und ich habe in seinen letzten Worten etwas Wichtiges aufgeschnappt."
Juvanas bildschöne, traubengrüne Augen wurden vor Interesse groß.
"Was? Was haben Sie herausgefunden?"
"Lelai." Wie eine bedeutende Information sprach der Doctor ihren Spitznamen aus. "Das saldonische Wort für Weintraube, so weit ich weiß. So wurdest du vermutlich genannt, weil deine Augen diesen unfassbaren Grünton besitzen, der sehr selten bei deiner Gattung vorkommt."
Ein wenig überrascht blinzelte Juvana ihn an. "Das stimmt."
"In meinem Besitz liegt zwar kein Saldonisch-Lexikon, aber vor langer Zeit hatte ich mal eines- bin über einen Vulkan geflogen und hab's versengt, doch das ist eine andere Geschichte." Bevor er weiter abschweifte, schaute der Time Lord eindringlich in die Gesichter der Saldos-Geschwister. "Jedenfalls übersetzen sich die Namen Juvana und Takuro mit Freiheitskämpfer und Stein im Fluss. Brilliante Namen, finde ich. Und Lombrus, der gute, alte Lombrus, wurde wirklich sehr alt, doch er hatte schon die ganze Zeit gewusst, wen er zur Nachfolge erwählen würde!
Freiheitskämpfer, Stein im Fluss, ich hoffe, ihr entscheidet weise."
Jene Sätze des werten Königs zitiert, teilten Taku und Juvana fassungslose Blicke miteinander.
"Sie meinen...", begann die Schwester und legte sich entsetzt die Hand über den Mund.
"Wir beide sind...", versuchte der Bruder fortzufahren, doch brachte es nicht weiter als zu einem geschockten Aufatmen.
Der Doctor nickte feierlich und vollendete mit gut hörbarer Stimme seinen Satz.
"...die rechtmäßigen Herrscher über Liyuba."
Offene Münder und entsetzte Aufschreie gingen durch den Raum, gefolgt von Widerrufen aus vorderster Reihe, während Rory (vollkommen von den Socken) und Amy (auch ein bisschen konfus) einfach dastanden und Juvana und Taku anstarrten.
So vielen schockierten Mienen hatte der Doctor nach der Bekanntgabe seiner Überraschung schon vermutet.
"Ihr könnt mir glauben!", beteuerte er, nachdem sich die aufgelöste Menge etwas beruhigt hatte, "Ich schwöre auf meinen Titel als Time Lord von Gallifrey, dass die letzten Worte Lombrus' euch in die Wiege legten, eine neue Zukunft zu schaffen- eine bessere Zukunft!"
Die letzten Worte schienen das Volk ein wenig positivier gestimmt haben, dennoch herrschte eine eher gespannte Stimmung im Raum.
Welche von der ohnehin schon ziemlich angeheizten Cýa verstärkt wurde, ganz zum Ärger des Doctors.
"Unsinniges Gelaber! Der Klugscheißer da unten faselt nur Zeugs, von dem er keine Ahnung hat, um euch hinters Licht zu führen!"
Der Time Lord ignorierte die Beleidigung und verspürte Genugtuung, als Amy unbemerkt in sich hinein murmelte: "Bei so einer Königin würde ich auch nur rot sehen."
Das gab dem Doctor noch einen wichtigen Gedankenanstoß. "Apropros rot, Juvana..." Eilig wirbelte er um und beugte seine Knie, um zur Saldonerin per Augenhöhe zu reden. "Liege ich richtig in der Annahme, dass du im Besitz einer roten Kristallkugel bist?"
Juvana zog genanntes Relikt aus einer Tasche ihres knielangen, braunen Tuches, was den Doctor mehr als zugute kam. "Tatsächlich bin ich das, ja. Weshalb?"
Japsend betrachtete er das Objekt, das wie ein überaus seltener Rubin im bläulichen Licht der Decken-Lamakas schimmerte- bewundernswert und geheimnisvoll zugleich.
"Großartig!", freute er sich, "Ich habe es schon geahnt! Diese Kugel stammt direkt aus dem Kern Liyubas und repräsentiert das Herz der Zellenergie eures Planeten!"
"Aber unsere Mutter hatte mir erklärt, sie sei ein Erbstück von einem Besucher dieses Planeten gewesen!", erwiderte Juvana verwirrt, aber dennoch durchaus fähig, den Ausführungen des Time Lords zu folgen.
"Kluge Saldonerin, eure Mutter", meinte der Doctor stattdessen und betrachtete eingehend das Herz Liyubas in den Händen der Saldonerin. Wie viel Macht wohl in so einem Prachtexemplar stecken musste? "Sie wollte euch beide durch eine Lüge schützen, da sie schon immer wusste, wem das wahre Recht für den Thron Triskanas zusteht. Lombrus musste sich euren Eltern schon lange vor seinem Tod anvertraut haben, da für Eltern gewisse Privilegien gelten, immerhin waren sie ja eure Eltern! Und was für welche!"
Taku war immer noch völlig neben der Sache, weil ihn die Botschaft, Herrscher über seinen Planeten zu werden, wohl komplett gefoppt haben musste.
"Sorry Doc, ich komm' da noch nicht ganz mit", gestand der Saldoner perplex und fasste sich an die Stirn, "Warum hätte Lombrus ausgerechnet uns beiden seine Krone erben sollen? Ich meine, ich war kaum geboren, da hat er uns schon das Erbe in die Hand gedrückt? Wie konnte er das entscheiden?"
Einer aus dem Schneider gelassenen, vor Ärger brodelnden Königin namens Cýa platzte in jenem Moment der Kragen.
"Weil dieser dumme, alte Narr nichts Besseres zu tun hatte, als seine Zeit mit Vorhersagungen zu verschwenden!", antwortete sie auf Takus Frage mit zusammen gezogenen Augenbrauen, "Und ich kann mich so glücklich schätzen, dass ich ihn endlich erledigt-"
Aprupt verstummte die Monarchin.
Eine eisige Stille legte sich über die Triskana-Kuppel.
Wie paralysiert sahen alle Beteiligten, Amy und Rory miteinbezogen, zum Thron hoch, wo Cýa in falscher Besonnenheit die Lippen zusammenpresste.
"Ja?" Einzig der Doctor besaß die Präsenz, sich in solch einer Situation aufzurichten und mit gefestigter, kühler Stimme zu sprechen. "Reden Sie doch weiter."
"Ähm, ich, also..." Cýa stolperte über ihre eigenen Wörter und schluckte hart, was man gut hörbar in der Senke vernehmen konnte.
Eine dunkle Miene einnehmend, nickte der Doctor bedachtsam.
"Meine Vermutungen haben sich hiermit also von allein bestätigt", bedauerte er düster.
Es dauerte einen Augenblick des erschütterten Schweigens, bis es Taku als Erstes gelang, sich von der Schockstarre löste.
"Du", hauchte er gepresst und im Zwiespalt seiner Gefühle, bis er schließlich begann, heftig und stoßweiße ein- und auszuatmen, sodass sein schmalgliedriger Körper bebte. Dannach wurde sein Gesicht zu einer wutentbrannten Visage und er stürmte zornig auf Cýa zu, "Du Monster!!!"
"Taku!", rief Juvana, die sich ebenfalls aus ihrem Zustand der Verarbeitung gelöst hatte, und schwang ihre Arme, um nach ihrem Bruder zu greifen, "Taku, bleib hier!"
"Du hast ihn getötet!", schrie der Saldoner hysterisch und kämpfteit mit den Tränen, als seine Schwester ihn mit Müh und Kraft vom Holzthron wegführte, "Du hast Lombrus getötet!"
Nach und nach fingen die Saldos an, Protest, aber auch Zustimmung zu rufen, und es wurde mitunter sehr laut im Saal, all diese verschiedenen Stimmen und Sätze, die kreuz und quer durch den Raum geworfen wurden...
Indessen lag Taku zusammengekauert zwischen den Armen Juvanas, die Hände gegen den rauen Steinboden gedrückt, unermüdlich heulend. Der Anblick des verstörten Saldoners machte dem Doctor um beide Herzen schwer vor Leid. Doch er wusste, dass die furchtbare Wahrheit besser für alle gewesen war als eine durch Lügen aufgebaute Illusion.
Cýa ließ den Saal durch ein kehliges "Ruhe!", wieder still werden, obwohl man ihr trotz ihrer barschen Redensart anmerkte, wie übel ihr bei der Lage zumute sein musste. "Ich habe Lombrus nicht ermordet!", verteidigte sie sich jedoch steif und fest und warf übermütig den Kopf zur Seite, "Wie hätte ich überhaupt an jenem Tag anwesend sein können?"
"Weil Sie älter sind als Sie aussehen", klärte der Doctor mit erfahrener, gesenkter Stimme auf.
"Hat sie etwa eine Art Verjüngungstrank benutzt?", fragte Amy und trat näher an den Doctor heran, dabei beäugte sie Cýa misstrauisch.
Der Time Lord schüttelte den Kopf, ohne den eisernen Blickkontakt mit der Königin zu unterbrechen. "Nein Amy, noch etwas viel Schlimmeres", erläuterte er und ballte die Fäuste, "Sie hat die Natur ihrer Essenz beraubt. Auf dem Weg hierher fiel mir ein, dass weibliche Saldos in der Lage sind, die Auren von jeglichen Lebewesen zu lesen. Doch man kann ihren Auren auch übermächtig werden und sie ihnen aussaugen."
Erschrocken über jene Information senkte Juvana den Kopf.
"Das... Das wusste ich nicht."
Traurig schaute der Doctor die gutmütige Saldonerin aus dem Augenwinkel an. "Das hätte auch niemand wissen dürfen. Lombrus wollte, dass ihr der Natur genauso viel gibt wie ihr euch von ihr zu nehmen erlaubt, deshalb musste er so viel in sich verwahren, all die Jahrhunderte, in denen er mit euch wandelte."
Rory, welcher immer noch dicht neben Amy stand, brachte die Situation auf das Wesentliche zurück.
"Aber was hat das mit Lombrus' Tod zu tun?"
Cýas Fingerspitzen krallten sich so doll in die Thronlehnen, dass das Holz ein widerliches Ächzen von sich gab.
"Du... Mieser Schuft", knurrte sie mit bebender Stimme und funkelte den Doctor feindselig an, "Wie hätte ich ihn den je umgebringen können?"
Nun fühlte sich der Time Lord verantwortlich dafür, die grausame Wahrheit zu verkünden.
"Die Klippen über den Ubawe-Wasserfällen, auf denen Lombrus meditierte, hätten sich niemals von selbst lösen können", erzählte er ernstvoll und erinnerte sich mit Schaudern an die Szenerie, die vor seinem inneren Auge ablief. "Ihr brauchtet einen Plan, wie euer Handeln unentdeckt blieb, weshalb ihr Euch den günstigsten Zeitpunkt und Ort aussuchtet, um ihm getarnt vom Abhang zu brechen. Sein Gebrechen fand auf so jähe Art ein Ende, dass das Volk der Saldos in eine tiefe Phase der Trauer verfiel. Währenddessen hattet Ihr die Zeit genutzt, um Euch Lombrus' Regeln zu widersetzen und um ganz in Ruhe die Aura der Natur zu rauben. In den Fuharê-Wäldern hatte Euer Spiel begonnen, denn in größeren Gebieten fällt so etwas nicht auf. Aber dann wurdet Ihr unsicher. Zweifelhaft fragtet Euch wiederholt, ob Ihr auch lange so weiter leben könnt, ohne erwischt zu werden. Aus diesem Grund kamt Ihr eines Tages ohne Waffen in die Triskana-Halle hereinspaziert und habt Euch ganz unauffällig die Krone aufgesetzt, um anschließend die verlorenen Seelen eurer Artgenossen zu versklaven. Alles eine sehr ausgeklügelte, wenn auch aus Not entstandene Strategie."
Während seiner Erklärung war es bei den Zuhörern wieder zu einem unheimlichen Schweigen gekommen, und Cýas Wangen färbten sich kreidebleich. Auf einmal wirkte sie garnicht mehr so hochnäsig und unwirsch, sondern vielmehr... verängstigt.
Taku hatte sich inzwischen von seinem Zusammenbruch erholt und richtete sich betroffen mit seinem Stock auf.
"Wie hast du das Ganze so schnell herausfinden können?", fragte er den Doctor vorsichtig und blickte wesentlich energischer zu Cýa hinauf, "Und vor allem... Wieso hat sie das getan?"
"Sieh sie dir doch mal genau an, Taku."
Der Time Lord musterte die Königin von Kopf bis Fuß. "Ihr Körper ist schön. Fast zu schön für den eines durchschnittlichen Saldoners. Warzen, nein. Falten, nicht vorhanden. Dafür besonders langes Haar und starke Gliedmaßen. Aber Eure Augen..." Er stierte regelrecht in ihre hellgrauen Augen, die neben Ärger auch noch Schwermut und Kummer in sich trugen. "Eure Augen verraten Euch. Egal, wie sehr man sich mühe gibt, das Alter zu verbergen: In den Augen eines Jeden erkennt man immer die Spuren der Zeit."
Die Schlussfolgerung des Doctors hinterließ sichtlich einen Eindruck bei ihr, denn Cýas Augen füllten sich nun mit Tränen.
"Du..." Sie sammelte in einem bebenden Atemzug genügend Kraft um zu sprechen, bevor sie dem Time Lord gellend entgegenschleuderte: "Du hast keine Ahnung, was ich durchmachen musste, um so zu werden, wie ich jetzt bin! Eine Augenweide! Bildschön, und nicht voller Quaddeln und Narben! Alles ist vergänglich, doch Schönheit wärt ewiglich. Wahre Schönheit bedeutet absolute Kontrolle."
Taku gab ein mitleidloses Schnauben von sich und verzog, angewidert von ihrer Einschätzung, die Maullippen.
"Völlig krank", krähte er zornig und rief abschätzig in die Richtung des Thrones: "Genauso habe ich dich in Erinnerung! Stellst deine eigene Nase über das Wohlergehen deines Volkes!"
Cýa warf ihm verbissene Blicke zu, ihre Augen tränten noch immer.
"Hör doch einfach auf!", jammerte sie mit weinerlichem Tonfall, "Als ob es mich je darum geschert hätte, wie es diesen Hirnochsen an Blödschädeln ergeht, die mich verstoßen haben!"
"Das stellt trotzdem keinen Grund dar, eine ganze Zivilisation zu unterdrücken, oder unseren König umzubringen!", entgegnete Taku scharf und stieß bei den letzten Worten ein Zischen der Verachtung aus.
Ein stilles Wimmern ging durch die Triskana-Halle. Es stammte weder von der Königin noch von einem anderen Saldoner, aber es hörte sich so kläglich und schmerzvoll an, dass es den Doctor wie Pfeilspitzen in die Brust schneidete.
So schien es nicht nur ihm zu gehen, denn Amy zuckte bei den Klagelauten unwillkürlich zusammen, ihr Gesicht spiegelte ihre Betroffenheit darüber.
"Rory, hörst du das auch?", wisperte sie ihrem Gatten bekümmert zu, "Dieses Weinen?"
Rory, welcher die gesamte Zeit über keine Sekunde von der Seite der Schottin wich, nickte beklommen.
"Ja", antwortete er schließlich, "Es klingt wie Jemand, der leiden würde."
"Das vernehmen nicht nur sie", murmelte der Doctor seinem Schwiegervater zu und drehte sich um, sodass sein Blick über die emotional aufgerissene Menge schweifen lassen konnte. "Ihr alle tut es, habe ich recht?" Stumm lächelnd schaute der alte Time Lord in die walgrünen Gesichter, die ihn mit Argwohn, Abscheu oder auch zaghafter Zuneigung betrachteten. "Saldos. Intelligente, naturverbundene Saldos. So sehr ich euch auch bewundere, aber all die Jahre habt ihr eine grundlegende Tatsache vollkommen aus den Augen verloren."
Juvana trat auf den Doctor zu. Die Stärke und die Eleganz, mit der sie sich bewegte, und die Art, für die Stimme eines riesigen Volkes als Einzelperson zu sprechen, gleichten wahrhaftig einer würdigen Königin.
"Und das wäre?", verließ es höflich, aber standhaft ihren Mund.
Der Doctor redete mit sehr gewissenhaftem Tonfall und offenkundiger Manier.
"Euer Planet ist nicht nur ein gewöhnlicher Gesteinsbrocken, aus dem vor Millionen von Jahren ein Ort zum Leben entstanden ist. Liyuba besitzt eine eigene Seele, ein Herz, einen Verstand. Eine Dynamik, die es sogar einem Time Lord unmöglich macht, sie zu begreifen. Euer Ökosystem, eure Heimat ist tief mit eurem Unterbewusstsein verankert und so immens verbunden, dass eure Emotionen und Empfindungen direkt auf Liyubas inneres Gleichgewicht übergehen."
Einige Saldos hoben staunend ihre Köpfe, andere schwiegen weiterhin, doch in deren Augen zeigten sich deutlich Kenntnisnahme gegenüber jener Erklärung.
Auch Amy hatte es nun verstanden.
"Ein lebender, denkender Planet mit Emotionen, also", begriff die Rothaarige nickend.
"Aber wenn die Saldos schon so lange in Zwietracht leben, warum bricht das Ökosystem dann nicht sofort zusammen?", warf Rory bedenklich ein.
Dieser Römer, dachte der Doctor mit insgeheimen Stolz, Er stellt so oft die richtigen Fragen.
"Dank Juvana", löste er nun den letzten Teil auf, den er von Liyubas katastrophaler Lebenslage herausgefunden hatte, "Weil sie das Herz Tag für Tag unwissentlich mit frischer Lebensenergie versorgt hatte und niemals, nicht mal in dunkelster Stunde, die Hoffnung verlor. Auch wegen Taku, weil wer, ohne es zu Ahnen, den Fuharê-Wäldern ein bisschen Trostlosigkeit durch seinen standhaften Willen entziehen konnte. Lombrus wusste das alles."
Bestätigend blickte der Doctor zu den beiden Geschwistern, deren Demut und Tapferkeit kein Augenblick ihres Lebens aus ihren Seelen entwich.
"Er hatte es schon immer gewusst. Ihr beide seid dazu bestimmt, Liyubas Hüter zu werden."
Taku und Juvana trugen die gleichen Gefühle in ihrer Miene: Verwunderung. Ein wenig Angst. Ein wenig Zweifel. Aber allen voran: Selbstwahrnehmung.
Denn heute wurde ihnen ihre angeborene Bestimmung enthüllt.
"Wehe mir!", kreischte eine wütende, weibliche Stimme plötzlich.
Schneller, als der Doctor überhaupt sehen konnte, sprang Cýa mit einem monströsen Satz vom Thron und landete mit einem ordentlichen Krachen auf der Steinplattform. Ohne zu Zögern, streckte sie ihre langen, stark gebauten Arme nach Juvana auf, die viel zu überfordert war, um reagieren zu können. Wutentbrannt drückte die Monarchin ihre napfähnlichen Fingerspitzen gegen die Kehle der Saldonerin, welche vor Entsetzen aufstöhnte.
Wie von der Spinne gebissen versammelten sich alle Beteiligten um sie. Dem Time Lord blieb vor Schock fast die Luft weg: Cýa hatte nichts Geringeres vor, als einen weiteren Mord zu begehen.
"Nein!", schrie Amy verzweifelt und wollte zu ihrer Freundin rennen, doch Rory zog sie mit sanfter Gewalt an den Schultern zurück.
"Lass sie los!", brüllte Taku entflammt und wirbelte geschickt seinen langen Stock hoch, um ihn kampfbereit vor Cýas Visage zu positionieren.
Auch Tork, Slim und die gesamten Saldos jaulten erschrickt auf und schienen drauf und dran zu sein, Juvana aus den Klauen der verstörten Königin zu entreißen. Selbst das Quietschen der Lamakas verstärkte sich.
"Bleibt zurück!", befahl der Doctor mit Donnerstimme und deutete auf die Menge, die sich hinter ihm aufgestellt hatte, "Ihr alle! Ich regle das."
Cýa presste Juvana so an sich, dass die brünette Saldonerin nicht sprechen konnte, weshalb sie nur ein angstvolles Glucksen von sich geben konnte. Die Monarchin war eindeutig von der Idee geblendet, dass jemand ihr ihre Regentschaft streitig machte und vor allem, dass sie innerhalb einer halben Stunde ihre gesamte Macht und Glaubwürdigkeit verloren hatte.
Doch das musste sich dringend ändern.
"Cýa!", rief der Doctor bestimmt und mit fester Stimme, aber dennoch versuchte er, sich eindringlich mit ihr zu unterhalten, um Juvanas Leben nicht weiter zu gefährden. "Ich bitte dich, tu jetzt nichts Unüberlegtes! Das Schicksal deines Planeten hängt davon ab, und solltest du nun ein weiteres Leben Liyubas zerstören, würdest du deinem Zuhause den Todesstoß geben! Dann gibt es absolut nichts mehr, wovon du in irgendeiner Weise profitieren könntest!"
Er wagte einen vorsichtigen, winzigen Schritt nach vorne, doch Cýa zuckte nur vehement zurück, was Juvana zu einem gepresstem Gurgeln veranlasste.
Gleichgültig hob die Königin ihre Schultern, ihr Plärren wackelte ein bisschen beim Sprechen. "Liyuba geht ohnehin zugrunde, was macht es da schon aus, noch jemanden auf meinem Gewissen zu haben! Du-" Gequält zerrte sie Juvana an sich, um ihr direkt in den Gehörgang zu säuseln: "Du bist so wunderschön! Du musstest nie ins Wasser blicken und dich schämen, so scheußlich auszusehen!"
Sie beendete den Satz mit einem Heucheln.
"Selbstzufriedenheit mag sich ja gut anfühlen, wenn man ein schönes Aussehen besitzt, aber was soll das noch wert sein, wenn man alles andere verliert?", erwiderte der Doctor mit ansteigender Spannung in seinem Bauchgefühl, aber auch mit Frust, der wie ein Eisenklumpen in seinem Innersten hing, "Sieh mich doch mal an, Cýa!"
Mit flackernden Augen starrte die Monarchin ihn an. Was der Time Lord jetzt von sich gab, empfand er mehr oder weniger als Geständnis, doch am meisten als Beispiel, jemanden ein Fünkchen Vernunft einzuflößen.
"Ich habe in meinem Leben so viel verloren, und so..." Tief holte er Luft, nachdem er einen kurzen, schwermütigen Blick auf die Ponds setzte. "...so viele Dinge auf meinem Gewissen, dass ich nachts kein Auge mehr zubekomme, für so schlecht halte ich mich selbst und mein Handeln manchmal! Aber du bist nicht wie ich!" In den nächsten Wörtern brachte er mehr Verständnis und Hoffnung ein. "Du kannst es noch verhindern! Du hast die Chance, es besser zu machen! Es gibt Personen, die dich lieben-" Erneut spähte er für eine Millisekunde auf Amy und Rory. "-denen du alles auf der Welt bedeutest, und die deine innere Schönheit dafür umso mehr schätzen als deine Äußere! Ich flehe dich an, bei allem, was heute auf dem Spiel steht..."
Der Doctor befand sich nun unmittelbar vor Cýa, die Juvana unablässig als Geißel ihres Handgriffs nahm.
Unweigerlich schaute er in ihre grauen Augen, damit sie seine Bitte auch wirklich ernstnahm.
"Mach nicht die gleichen, dummen Fehler wie ich einst."
Die ihres Ranges entnommenen Monarchin rührte sich kein Stück, sondern behielt die Saldonerin weiter zwischen ihren bleichen Froschhänden.
Gedanklich begann der Doctor, seine Überzeugungskraft anzuzweifeln, doch da trat auf einmal Taku neben ihn, seine Haltung angespannt, doch den Griff um seinen Stock gelockert. Für ein paar Sekunden schloss er die Augenlider, offenbar musste er irgendetwas überwinden. Danach öffnete er sie wieder und sagte, zur großen Überraschung des Doctors:
"Ich bin bereit, dir zu vergeben. All deine Schandtaten. Alles, was du den Saldos angetan und genommen hast, werde ich dir verzeihen, wenn du meine Schwester loslässt."
Verblüfft blinzelte der Time Lord den schmalen Saldoner an. Hatte er das gerade tatsächlich von sich gegeben?
Juvana ring um ihre Stimme, und gleichzeitig mit ihrem Leben, denn ihre Wangen verloren bereits an grüner Farbe.
"Ich auch", krähte sie deshalb mühevoll, "Jeder Saldoner hat Vergebung verdient, schließlich sind wir alle ein Volk..." Ihre traubengrünen Augen blitzten entschlossen auf. "Und wir werden nicht mehr länger in Ketten liegen!"
Taku erwiderte nickend den Blick seiner Schwester und warf seinen Stock neben sich auf den Boden. "Liyuba wird nicht mehr in Ketten liegen!", gellte er dabei.
"Liyuba wird nicht mehr in Ketten liegen!", stimmte Slim gröllend mitein, welcher zustimmend seinen eigenen Stock zu Boden schmiss.
Tork, der ihn beeindruckt anschaute, tat es ihm gleich und ließ die aus Holz geschnitzte Waffe fallen. "Liyuba wird nicht mehr in Ketten liegen", stellte er mit tiefer Bassstimme klar.
Plötzlich wiederholte sich der Satz so oft, dass der Doctor garnicht mehr einschätzen konnte, von welchem Saldoner er stammte. Binnen weniger Sekunden füllte das Geräusch von trommelnden Stöcken und vor Enthusiasmus qiuekender Lamakas die Triskana-Kuppel, und ein schallender Satz wiederholte sich in Harmonie der Saldos-Stimmen im gleichem Rhytmus.
"Liyuba wird nicht mehr in Ketten liegen! Liyuba wird nicht mehr in Ketten liegen! Liyuba wird nicht mehr in Ketten liegen!"
Die Euphorie in ihren Gesichtern schwoll nur so an, je öfter der Spruch fiel. Alle riefen ihn im Einklang, vom ältesten, weißhaarigen Greis bishin zum zierlichen Kleinkind scheute keiner seine Stimme hinzuzufügen.
Der Time Lord kam aus dem Staunen garnicht mehr heraus. Solch eine Gruppenenergie verspürte man nicht alle Tage auf seinen Abenteuern.
In diesem einen Augenblick hielt das Volk der Saldos zusammen, komme was wolle.
Auf Cýas Lippen bildete sich langsam ein kleines Lächeln, ihr Griff um Juvanas Hals lockerte sich etwas. Würde sie ihre Meinung doch noch ändern? Vielleicht hatten die Predigt des Doctors und der Ruf der Menge die Königin ja doch überzeugen können.
Ganz zaghaft, fast verlegen schon, war Cýa dabei, ihre Arme zu senken und Juvana loszulassen, da schnellte ihre Hand plötzlich in die Richtung des Tuches der Saldonerin, zog das Herz Liyubas hinaus und schleuderte es mit einer einzigen Handbewegung auf den Boden, wo es in Scherben zersprang und innerhalb von Millisekunden seine königsrote Farbe verlor.
"Nein!!", jaulte der Doctor verzweifelt, der kaum fassen konnte, was die törichte Monarchin gerade getan hatte.
Die Saldos verstummten und heulten stattdessen vor Entsetzen auf.
Gerade wollte Cýa damit anfangen, hämisch zu lachen, da blieb ihr auf einmal das Gelächter im Rachen stecken und sie gab einen lauten, qualvollen Schmerzschrei von sich, der sie dazu bewegte, auf den Steinboden zu sinken und Juvana freizugeben.
Die Saldonerin stürmte sofort zu ihrem Bruder, welcher erleichtert aufseufzte, doch die Freude währte nur kurz, als alle Beteiligten dabei zusehen mussten, wie Cýas Körper sich unkontrolliert krümmte, Wellen der Pein durchzucken ihre Glieder wie Blitze.
"Guuuark", gab die Monarchin ächzend von sich und wälzte sich wie wild geworden über die Steinplattform.
"Doc?", fragte Taku unsicher und konnte die Augen nicht von Cýa abwenden, "Was passiert mit ihr?"
Der Doctor war schon bereit dazu, nach vorne zu eilen um ihr zu helfen, doch da bemerkte er, wie die jaulende Stimme der Monarchin immer kratziger wurde. Auf ihrer makellosen, walgrünen Haut entstanden rissartig tiefe, lange Falten, die in Knubbeln nach unten hingen. Der aalglatte, vor Kraft protzende Körper schwand mit jeden Ruck ihres Anfalls und wandte sich zu einem dürren, knochigen Gebilde, das kunstvoll geflochtene, brustlange Haar der Saldonerin färbte sich in ein schauderhaftes Schneeweiß und hing ihr fransig von der Stirn, und quer über ihrem Hals aufwärts entstanden Quaddeln, Narben, verdeckte Warzen und Flecken.
Mit einem Schaudern im Nacken wurde dem Doctor blitzartig eine Sache klar:
Im Herzen Liyubas hatten sich Unmengen an Energie angesammelt, die Cýa mit der Zerstörung des roten Obkekts unwissentlich freigesetzt hatte. Der Zellsprung verursachte eine Rückkopplung, und die Wucht jenes physikalischem Ereignises wirkte sich nun verheerend auf die Königin aus, welche Tag für Tag dafür gesorgt hatte, ihren eigenen Organismus mit Jugend zu versorgen.
Nun ereilte Cýa ein radikaler Entzug all dessen, was sie sich über Jahrhunderte bewahrt hatte:
Ihrer Jugend.
"Das, was sie die ganze Zeit über vermeiden wollte", antwortete der Time Lord auf Takus Frage, sein Tonfall verdeutlichte die Tragik jenes horrorähnlichen Bildes, "Ihr wahres Alter zeigt sich."
Wild stöhnend dann, richtete sich Cýa steifbeinig wieder auf. Ihr Gesicht jagte dem Doctor unbändige Furcht ein, denn ihre Wangen baumelten bis an ihr Kinn, ihr edelbraunes, eng geschnittenes Kleid lag wie ein breiter Fetzen auf ihren Schultern und das wenige Fleisch, das ihre knorrige Statur zierte, hing ungesund von ihren Gliedmaßen.
Panisch tasteten ihre Hände ihr Gesicht ab, als sie realisierte, was mit ihr geschehen war.
"Meine Schönheit", winselte sie heulend, ihr Geschrei hörte sich nun ihrem Alter entsprechend an, "Meine Schönheit!! Ich wollte doch nur wunderschön bleiben!!!"
Offensichtlich ertrug sie kaum die erschrockenen, verabscheuten Blicke ihrer Betrachter, und warf sich kreischend auf die Knie. Der Doctor würde ihr, trotz ihrer schlimmen Vergehen, am liebsten helfen, irgendetwas tun, um den Schmerz zu lindern. Doch er wusste, dass er nichts dagegen auszusetzen hatte.
Denn manchmal konnte nicht mal ein Time Lord den Zahn der Zeit bezwingen.
Und Cýa hatte jene Großmacht aufs Massivste herausgefordert.
Die Königin rangte nach Atemluft, bevor sie bebend den Kopf hochwarf und den Doctor mit finsteren, hellgrauen Augen fixierte. Knurrend zog sie die Lefzen zurück, ihr Gesicht stellte eine entzürnte, hasserfüllte Miene dar.
Der Time Lord erwiderte ihren starren Blick, sodass ein unerklärliches Gefühl von Angst in seiner Kehle aufstieg.
"Bestie... von Trenzalore", würgte sie hervor und spuckte jedes Wort einzeln aus, als hätte es noch weitere Bedeutung für ihn, "Dein Ende... Ist nah!"
Kaum verließ das letzte Wort ihren Mund, zerfiel Cýa mit einem zedernden Rieseln zu einem Haufen Staub, der in der Mitte der Steinplattform ruhte.
Niemand sagte etwas. Der Doctor bekam bis auf die Knochen eine Gänsehaut, so ein Graus war ihm dieser Anblick gewesen. Amy und Rory obserbierten den Aschehaufen mit furchtsamen Gesichtern, Taku und Juvana standen einfach wie gelähmt da.
Der schöne Schwan hatte sich soeben im Antlitz einer hässlichen Kröte aufgelöst.
Ein Klirren erklang über dem Kopf des Doctors, was ihn alamiert hochschauen ließ.
Eines seiner Herzen setzte einen Schlag lang aus, als er sah, wie das Sturmloch- das sich vorhin noch Kilometer über den Himmel Liyubas befunden hatte- nun gefährlich nah an der Kuppel der Triskana-Halle kratzte. Ein Sprung prangte schon am jadegrünem Glas, der sich weiter und weiter ausbreitete.
Auch die Steinplattform über dem Daquin-Loch gab ein geräuschvolles Krachen von sich, und der Boden unter den Füßen des Doctors fühlte sich nicht mehr allzu stabil an...
"Doctor!", japste Amy auf, als sich zwischen ihr und Rory ein ruckartiger Abstand auftat.
"Was hat sie getan?!", rief Juvana aus, welche reflexartig zur Seite hüpfte, als unter ihrem Fuß eine Felsspalte entstand.
Das Augenmerk des Doctors traf auf die zerbrochenen Scherben des Herzens.
Schockiert einatmend, begriff er.
"Cýa hat einen Bestandteil von Liyubas Mittelpunkt entzwei gerissen", erklärte er laut, denn das Geräusch der brechenden Glaskuppel und des bebenden Bodens wuchs zu einem ohrenbetäubenden Lärm heran, "Die überschüssigen Energieströme gleiten ins Daquin-Loch, und nun synchronisiert es sich mit dem Sturmloch!"
Mit entsetztem Gesichtsausdruck starrte der Doctor nach oben.
"Wir begegnen nun der Apokalypse."
Ein gewaltiger Hieb des Sturmlochs prallte auf die Decke, welche inzwischen schon von allen flinken Lamakas verlassen wurde. Durch die Heftigkeit krachte die gesamte Oberseite weg und stürzte auf den Holzthron nieder, welcher von den herabbrechenden Teilen erschlagen wurde.
"Rory, Amy", gellte der Time Lord gegen den kühlen Wind, der umbarmherzig gegen sein Gesicht schlug, "Bringen sie die Saldos hier raus!"
Der Krankenpfleger und die Schottin nickten ernst und scheuchten die Menge der in eine Massenpanik verfallenen Saldos gemeinsam Richtung Ausgang.
"Allemann, raus hier!", schrien sie dabei und halfen einigen älteren und jüngeren Einwohner des Königreichs, sich ihren Verwandten anzuschließen, "Verschwindet aus der Triskana!"
Kaum verließ das aufgescheuchte Volk die Steinplattform, stürmte auch der Doctor zur TARDIS, welche als Einzige physisch dazu in der Lage war, den enormen Sturm standzuhalten.
Gerade wollte der Time Lord in die azurblaue Polizei-Notufzelle laufen, da entdeckte er Taku, welcher von einer Böe erfasst und in das sich öffnende Daquin-Loch hineingezogen wurde. Der Saldoner versuchte zwar, dagegen anzukämpfen, doch er rutschte vom Boden ab und klammerte sich am Rande des Todeslochs fest, unter ihm nur die sich überschlagenden, dunkelblauen Wellen des Strudels.
"Takuro!!!", plärrte Juvana erschrocken und rannte in die blanke Offensive der Gefahr zu.
Der Doctor zögerte nicht lange und lief auf das Daquin-Loch zu, ohne über den Fußboden zu rutschen. Obwohl ihm der Sturm so doll gegen den Körper wehte, dass sein angefeuchtes Sakko dadurch zurückwehte und trocknete, ließ er sich nicht davon abbringen, seinen Freund zu retten.
Er spürte, dass sich etwas aus seiner Sakko-Tasche löste, scheppernd auf den Boden landete und nach hinten flog.
Der Schallschraubenzieher!
Aber jetzt gab es Wichtigeres zu tun, nämlich Taku zu helfen, bevor Juvana sich in Lebensgefahr brachte.
Eilig beugte sich der Time Lord nach unten, griff nach dem nächstbesten Stock, welcher noch nicht durch den Sog nach hinten geschleudert wurde, und streckte ihn nach Taku aus, welcher schon drohte, vom Rand des Daquin-Lochs abzurutschen.
Der Saldoner konnte sich nicht mehr länger halten.
Er schrie auf.
Er schrie den Namen seiner Schwester.
Danach stürzte er nach hinten...
...und umschlang mit den Händen in allerletzter Sekunde um den zwei Meter langen Stock, den der Doctor ihm hinhielt.
"Halt dich fest!", ordnete er gegen den Sturm an.
"Seh' ich so aus, als ob ich loslassen wollte?", entgegnete Taku scharf, doch in seinen Augen glänzte unglaublich große Dankbarkeit.
Der Doctor machte einen weiten Schritt nach hinten, doch er war nicht stark genug, den Saldoner an Land zu ziehen, das spürte er beim Zerren in seinen Oberarmen.
Doch dann fühlte der Time Lord zwei weitere Armpaare, die den Stock umfassten.
Überrascht schaute er nach hinten:
Rory und Tork schraubten ihre kräftigen Hände um das Stück Holz und brachten es mit aller Kraft auf den Steinboden zurück.
Takus Füße erhaschten den Boden, und Juvana und Slim kamen voller Erleichterung zu ihm gesprintet, um ihn in den Arm zu nehmen.
"Verschwindet nach draußen!", befahl der Doctor den Saldos und verdeutlichte die Dringlichkeit der Situation, "Sagt den Anderen, Sie sollen sich in Sicherheit begeben und warten, bis ich sie mit der TARDIS abholen werde!"
Die vier Einheimischen nickten und kämpften sich durch den Sturm hindurch zum gut verstecktem Ausgang.
Konzentriert richtete der Doctor sein Augenmerk wieder auf die sich anbahnende Naturkatastrophe, die sich vor ihm abspielte, und versuchte, den unerbitterlichen Sog des sich herabbewegenden Hurrikans standzuhalten.
Okay, er brauchte einen neuen Plan, und zwar schleunigst!
Die Energie floss nun quer durch die Atmosphäre des Planeten und deplatzierte die Mikroorganismen in unterschiedlicher Reihenfolge, was eine Rückkopplung der zwei Strudel verursachte, welche sich nun vor seinen Augen zu vereinen drohte...
Kein Schallschraubenzieher, und mit wenn er die TARDIS benutzen würde, wäre diese den Druckwellen des Überschusses schonungslos ausgeliefert.
Seufzend blinzelte der Doctor und entschied sich für die einzige Alternative, die alle retten würde.
Abgesehen von ihm selbst.
Angespannt blickte der Time Lord zu seiner linken Hand hinab und fokusierte sich darauf, die Regenerations-Phase einzuleiten, woraufhin die Haut der langen, schmalen Finger begann, in einem goldenen, übermächtigen Licht zu strahlen.
Sich auf die Lippe beißend, kniff der Doctor die Augen zusammen, was den Ernst der Lage jedoch nicht minderte.
Ihm blieb nichts Anderes übrig.
Einen Schritt zurückgehend, um Anlauf zu nehmen, wollte er nach vorne auf die Gefahr zusprinten.
Doch etwas stieß ihn zurück.
Etwas, dass sich um seinen linken Arm schnallte wie ein Sicherheitsgurt.
Entsetzt schaute der Doctor in das runde Gesicht einer rothaarigen Schottin, die ihn mit all ihrer körperlichen Kraft zurückzerren wollte.
"Was tun Sie noch hier?!", rief er ihr gegen den Wind zu und konnte nicht vermeiden, verärgert zu klingen.
"Witzig, das wollte ich Sie auch gerade fragen!", stieß Amy sarkastisch aus und strich sich ihren Haarschopf zurück, der in der Böe tanzte wie eine Flamme.
"Ich muss ins Daquin-Loch springen, um den Kern Liyubas mit meinen neuen Regenerationszyklos zu stabilisieren, damit der Planet sich wieder beruhigen kann!", erklärte er. Es fiel ihm schwer, bei der Windstärke mit normalem Ton mit ihr zu reden.
Die wiesengrünen Augen seiner Schwiegermutter weiteten sich geschockt. "Sind Sie irre?", schimpfte sie, "Das wird doch niemals funktionieren! Sie könnten sich selbst dabei umbringen!"
Der Doctor beachtete ihre Warnung nicht. "Ich habe keine andere Wahl! Liyuba wird zugrunde gehen, wenn ich jetzt nicht sofort handle!"
Vehement zog Amy seinen Arm zurück, ihr Gesichtsausdruck wurde entschlossen. "Das lasse ich aber nicht zu!"
Streng sah der Doctor ihr in die Augen. "Amy, lassen Sie mich auf der Stelle los! Hier ist es nicht mehr länger sicher für Sie!"
"Für Sie doch auch nicht!"
"Amelia Pond-"
"Ich habe es Ihnen heute doch schon mal eingetrichtert, Doctor", erwiderte Amy standhaft, ihre Augen wurden glasig, doch trotzdem blitzte eine Standhaftigkeit in ihnen auf, die den Time Lord für eine Sekunde zutiefst erstaunen ließ. "Wir werden Sie nicht mehr alleine lassen, verstanden? Nie wieder!"
Dem Doctor fehlten die Worte, als er sich mit einem Stich daran erinnerte, wie sich die Rothaarige damals am Friedhof vor seinen Augen in Luft auflöste und ihm vom Schicksal jede Möglichkeit entzogen wurde, sie und Rory jemals wiederzusehen.
"Zerlumpter Mann, leben Sie wohl!"
In genau dasselbe Gesicht hatte er geschaut, bevor er sie nach einem Blinzelschlag an den letzten Weinenden Engel verloren hatte.
Jetzt befand sie sich neben ihm, an seiner Seite, mit der Miene einer Kämpferin und der Stärke einer Löwin.
Aus dem kleinen Mädchen im Garten vor dem geräumigen, blauen Haus hat sich eine mutige, selbstbewusste junge Frau entwickelt.
Und erst in jenem Augenblick wurde dies dem Doctor klar.
Deshalb fand er kaum die Stimme, um sie weiter zurechtzuweisen.
"Und wir sagen das nicht nur, weil wir es meinen", erklärte eine feste Männerstimme, die zu Rory gehörte. Eine weitere Hand schlang sich um den rechten, freien Arm des Time Lords. Sein Schwiegervater betrachtete ihn mit den graublauen Augen seiner. "Sondern weil es so ist, und für immer so sein wird."
Rory Pond, der Römer, der Krankenpfleger, der letzte Zenturio, hatte am heutigen Tage mehr Tapfer- und Ehrenhaftigkeit bewiesen als jeder einzelne Time Lord vom untergegangenen Gallifrey, dem Doctor miteinbezogen.
Und all diese Dinge, die die beiden Ponds ausmachten, bereiteten ihm so viel Stolz, dass er nicht wusste, was er sagen oder unternehmen sollte.
Amys beharrlicher Griff löste sich, stattdessen wanderte ihre Hand zu der des Doctors und verschränkte ihre Finger mit seinen, Rory tat es ihm gleich.
In den Händen seiner Freunde fühlte er sich plötzlich leichter, sicherer, unbefangener.
Oder besser gesagt, Zuhause.
Ja, ihnen peitschte der Sturm ins Gesicht und riss ihnen Haare und Kleidung nach hinten, aber in seiner Seele spürte er, wie sich etwas vervollständigte.
Mehr als seine Einsamkeit.
Es dauerte nicht lange, und der Wirbelsturm fegte tobend die Kuppel vom Boden Triskanas, mit einem Klirren zerberstete aus das allerletzte Bisschen an smaragdgrünen Glas um sie herum. Der Doctor spähte über seine Schulter nach hinten, und entdeckte die Menge der abertausenden Saldos, welche zusammengekauert unter einem riesigen Baum lauerten, jeder hielt den Arm um seinen Nächsten geschlungen. Der tosende Wind zerrte an ihren Haaren und Tüchern, doch es schien so, als könnte nicht mal eine Naturgewalt die Einheit dieser Wesen auseinanderbrechen.
"Das Herz Liyubas muss in die richtigen Hände gelegt werden."
Der Schleier der Erkenntnis lüftete sich im Kopf des Doctors.
"Lombrus meinte mich", murmelte er und starrte mit offenem Mund zum Sturmloch, das sich senkend mit dem Strudel des Daquin-Lochs zusammenfügte.
"Wie bitte?", fragten Amy und Rory zugleich.
"Er meinte das rein metaphorisch", erläuterte der Time Lord mit einem ausbreitendem Lächeln, "Die Saldos sind das Herz Liyubas, und er hatte die Bestimmung ihres Schicksals in meine Hände gelegt!"
Ein zufriedenes Grummeln durchfuhr den Lärm des reißenden Windes, als würde jemand zufrieden ausseufzen.
Liyuba?
Der Doctor verengte seinen Griff um die Hände seiner Begleiter und machte einen großen Schritt zurück.
Schließlich kalibrierten sich der Wind und das Wasser vor seinen Augen- die Sturmstöße krachten plätschernd in den Wasserstrudel und brachten jenes zum Sprudeln. Mit einem ordentlichen Wusch! spritzte das schwarzblaue Wasser in einer gigantischen Fontäne in den finsteren Himmel hinauf.
"W-Was passiert hier gerade?", kam es vom leicht verwirrten Rory.
"Ein Ereignis, das schon seit Ewigkeiten nicht mehr auf diesen Planeten ereignet hat, mein lieber Rory", antwortete der Doctor grinsend.
Als sich der Hurrikan verzog und der Wind sich ebnete, spürte er der Time Lord einen, winzigen, kühlen Tropfen auf der Stirn. Danach zwei. Dann drei. Immer mehr, bis es irgendwann wie aus Eimern zu Nieseln begann.
"Regen!", jubelte er ausgelassen und schwang die Hände und somit auch die Arme der Ponds mit nach oben, "Alles, was Liyuba je gebraucht hat, war Regen!"
"Wooooh!", krakeelte Amy aus voller Lunge und vollführte einen tollkühnen Luftsprung.
"Haha!", machte Rory glücklich und legte den Kopf in den Nacken.
Lachend legte der Doctor die Arme auf die Schultern seiner Freunde und zog sie enger an sich, nur um einen übermütigen Laut der Freude auszustoßen. Als hätte es nie Probleme gegeben, tanzten und drehten sie sich im prasselnden Regen, ohne einander loszulassen.
Während des Freudentaumels hörte der Doctor noch mehr glückliche Stimmen hinter sich: Die Saldos kamen in Scharen herangeeilt, um sich über den Steinboden zu bewegen und dabei dem monsunartigen Wetter ihre Euphorie zuzurufen.
Aus einer Laune heraus riss der Time Lord den Mund weit auf, um das frische, klare Wasser zu probieren. Jedoch schmeckte es anders als erwartet.
"Blüargh", entfuhr es ihm und verzog angeekelt das Gesicht, was bei Amy und Rory für noch eine Lachanfall sorgte, "Das mache ich auf keinen Fall wieder, Schnee schmeckt wesentlich besser!"
Der Doctor spürte ein Zupfen am Hosenbein. Neugierig schaute er nach unten: Ein kleines, brünettes Saldonermädchen mit Zöpfen und runden, blauen Augen hielt ihm schüchtern einen Gegenstand entgegen, der wie sein Schallschraubenzieher aussah.
Moment, das war sein Schallschraubenzieher!
"Oh, dankeschön", lächelte der Doctor charmant, kniete sich hin und warf sein Lieblingsgerät einmal hoch, bevor er es auffing und wieder in sein Sakko steckte.
Die Tasche würde er besser zuflicken müssen...
"Gern geschehen", gluckste das Mädchen und starrte ihn interessiert an. "Du hast mein Zuhause gerettet!"
'Dafür habe ich meines wiedergefunden', dachte der Doctor und strubbelte der jungen Saldonerin verspielt die Haare. "Das war nicht mein Verdienst, ich war nur hier, um zu helfen."
"Wie ist dein Name?"
"Hatte ich den vorhin nicht erwähnt?"
Das Saldonermädchen schüttelte verneinend den Kopf.
"Dann war mir das wohl entfallen", grübelte der Time Lord und schüttelte vornehm die apfelgroße Hand des Mädchens.
"Hallo, ich bin der Doctor."
"Doctor wer?"
Der Doctor lächelte zustimmend. "Genau der."

⏳} TIMELESS ADVENTURES - The Chronicles Of The 11th Doctor {⌛Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt