KAPITEL 19 - Zurückgedreht [Teil 2]

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"URGH!"
Der Rücken des Doctors prallte unsanft gegen harten Erdboden. Glücklicherweise schien er sich dabei nichts gebrochen zu haben - trotzdem schmerzte ihm die komplette Hinterseite, einschließlich der Fersen in den schwarzen Schnürschuhen.
Gut, das mit der Landung würde er noch üben müssen, wenn der das nächste Mal von irgendwo herunterfiel.
Der Time Lord war in ein Gewirr aus Kletterranken gestürzt, welches seinen Fall etwas abgebremst hatte. Einige der Pflanzen schlingen sich jedoch nun um seine dünnen Fußgelenke, und er musste sich regelrecht aus diesem Gestrüpp kämpfen, bevor er es schaffte, sich aufzurichten.
Während der Doctor sich die Blattreste vom weißen Hemd klopfte, blickte er sich interessiert um: Wo es ihn auch hinversetzt hatte, war es tiefste Nacht. Die Grillen zirpten leise im Chor, eine Eule ließ ihre gespenstischen Rufe erklingen und am dunklen Himmelszelt glitzerte - zu seiner großen Erleichterung - ein silbernes Meer aus Sternen um einen bleichen Vollmond.
Eilig stakste der Fliegenträger ohne Fliege über das wilde Hochgras. "Amy?", schallten seine lauten Worte durch die nächtliche Idylle. Seine Freunde zu finden stand nun an erster Stelle. "Rory! Sind Sie hier irgendwo?"
Die mysteriöse Frauenstimme, die aus der Leere zu ihm gesprochen hatte, hielt sich wohl an ihr Versprechen umd leitete ihn zu den Ponds. Dem Doctor blieb nun nichts anderes übrig, als auf den Hinweis der seltsam vertrauten Gestalt zu bauen, obwohl er im Hinterkopf schon erahnte, um wen es sich bei seiner Retterin handelte. Hoffentlich fand er endlich seine Familie wieder, denn der Gedanke, den beiden könnte Leid geschehen sein, machte ihn inzwischen ganz verrückt. In dieser mentalen, antiphysischen Ebene aus Erinnerungssplittern und Zukunftsvisionen war es nicht mehr länger sicher für sie.
"Amy! Rory!", rief der Time Lord beharrlich in die Schatten der wenigen Bäume, die die bescheidene Wiese umrankten, "Wo sind Sie?!"
Stille. Der Doctor fing schon an, völlig zu verzweifeln, als er ein leises, irritiertes Wispern hinter ein paar Sträuchern vernahm. "Doctor?"
Alamiert drehte er sich in die Richtung, aus der die Stimme kam. "Amy?"
Seine Herzen taten einen Freudensprung, als sich eine langbeinige, rothaarige Gestalt zwischen den Dornengebüschen erhob. Ihre Frisur wurde von einigen Buschzweigen zerzaust und ihre Bluse war voller Erdeflecken, doch trotz dieser Umstände breitete sich eine aufgelöste Miene auf ihrem Gesicht aus, sobald ihr Blick dem des Time Lords begegnete. "Doctor!"
"Amy!", japste er froh auf, stolperte zu der Schottin und zog sie in eine feste, glückliche Umarmung. Der Doctor dankte allen Göttern dafür, dass seine beste Freundin unversehrt vor ihm stand. "Amy, oh, Amy... Zum Glück sind Sie wohlauf!"
"Doctor", schluchzte Amy erleichtert und vergrub ihr Gesicht in seine Schulter, "Ich könnte das Gleiche über Sie sagen, zerlumpter Doctor..."
Ihre heiseren Wörter brachen und sie wimmerte unkontrolliert in sein Hemd, wobei sie ein wenig zitterte. Sie musste wahnsinnige Ängste durchstanden haben, erkannte der Time Lord schuldbewusst, und nahm ihr Gesicht sachte in seine Hände.
"Hey, alles wird wieder gut", redete er besänftigend auf sie ein und schenkte ihr ein zuversichtliches Lächeln, während er mit den Daumen ihre Tränen von den geröteten Wangen wischte, "Nicht weinen, Pond. Sie werden sonst noch ganz nass."
Sie musste unter ihren Tränen leicht auflachen wegen seines Witzes, und für einen Moment sah er wieder das kleine, siebenjährige Mädchen vor sich, das solch ein immenses Vertrauen in ihren imaginären Freund setzte.
Die Rothaarige fuhr sich mit der Hand über die Nase. "Wo ist Rory?", fragte sie ihn voll Besorgnis, die wiesengrünen Augen suchten aufmerksam die Gegend ab.
"Sicher nicht im Alten Rom", versicherte eine Männerstimme hinter ihnen plötzlich, "Denn das habe ich längst hinter mir."
Aus dem Schutz eines Baumes trat ein bekanntes Gesicht mit markanter Nase, haselnussbraunen Wuschelhaaren und einem verblüfften wie ebenso erleichterten Gesichtsausdruck. Erneut durchschwämmte unbändige Freude den Doctor, und er zog seinen Schwiegervater in eine stürmische Umarmung, die der verdatterte Rory nur erwidern konnte.
"Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal so freuen würde, mit Ihnen zu Kuscheln", murmelte der Krankenpfleger belustigt und klopfte ihm innig auf den Rücken.
Der Doctor beabsichtigte nicht, ihn so bald loszulassen. "Ich auch nicht, aber wir Männer brauchen manchmal eine Ausnahme."
Nach einer Weile schien Amy bei der Knuddelei ihrer Jungs ein wenig ungeduldig zu werden und räusperte sich, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. "Entschuldige, darf ich bitte mal meinen Mann ganz kurz für mich beanspruchen?", fragte sie höflich, doch mit einem spitzen Unterton.
Hastig machte sich der Time Lord vom Zenturio los, um Amys Zorn nicht weiter zu erwecken, und wischte sich peinlich berührt über die Brust. "Oh ja, natürlich."
Die Schottin dankte ihm leise, und schon stürzten sich die Ponds gegenseitig in die Arme.
"Ich dachte schon, es wäre vorbei mit dir, als ich dich in diesen roten Strom habe rennen sehen", brachte Rory hervor und streichelte seiner Frau durch das kupferrote Haar, in das er auch sein Gesicht vergrub.
Amy presste die Augenlider aufeinander und hielt Rory in ihrer Umarmung wie einen Schatz, den sie unter allen Umständen beschützen musste. "Ab heute werden wir uns niemals trennen müssen", schwörte sie ihm beherzt, als hätten diese Worte für sie mehr Bedeutung, als ihr Gatte hätte ahnen können, "Niemals."
Wieder mit seinen Begleitern vereint zu sein und seine Schwiegereltern unverletzt in einem Stück zu sehen beruhigte die aufgeregten Herzen des Doctors ungemein. Trotzdem plagten ihn die vielen Zweifel und Ungewissheiten, die er an diesem heimtückischen Ort empfand, nach wie vor unaufhaltsam, denn seine Sinne schlugen bei all diesen Erinnerungsfluten von vorhin Alarm.
Und mit diesen Bedenken blieb er offenbar nicht allein. "Okay, ich habe momentan echt viele Fragen, für die ich mehr denn je eine Erklärung benötige", verkündete Amy ernst, ohne allzu viel Abstand von Rory zu nehmen, und schaute den Doctor hilfesuchend an, "Zuerst mal, was genau ist passiert?"
Nachdenklich rieb der Time Lord sich die Hände und betrachtete rätselnd ihre Umgebung, die einen nächtlichen Garten darstellte. "Ich habe ebenfalls viele Fragen, Amelia. Die liegen und alle drei auf der Seele, seitdem wir uns hierher teleportiert haben, aber leider bin nicht mal ich in der Lage, eine Antwort auf alle zu finden, da die Atmosphäre um uns herum selbst mein Gehirn..." Er suchte nach dem passenden Ausdruck für seine Verwirrtheit. Jedoch fand er ihn nicht, und stattdessen pfeifte er einfach nur kurz und fuhr mit der Hand durch die Luft.
Amy und Rory wechselten irritierte Blicke. Aus ihren Mienen erlas der Doctor, dass es ihnen genauso erging.
"Fangen wir mal da an, wo wir noch klar denken konnten", schlug der Krankenpfleger vor und kratzte sich am Kopf, "Wir waren im Gedächtnis der TARDIS und Sie wollten Ihren eigenen Erinnerungsstrom absolvieren, und dann..."
"...habe ich eingegriffen und uns Drei in Gefahr gebracht", fuhr Amy schuldbewusst fort und senkte den Blick, "Und irgendwie sind wir danach jeweils in unsere eigenen Zeitströme gerraten, oder?"
"Korrekt", bestätigte der Doctor gewissenhaft, und ihm stach etwas ins Auge, das die Rothaarige um ihr Handgelenk geschnürt trug: Seinen kaminroten Querbinder, den er ihr vor dem Unglück überreicht hatte, damit sie nicht den Hang zur Realität verlor, sollte sie ausversehen in eine Vergangenheits- oder Zukunfts-Vision schlittern.
"Sie beide haben sich jedoch erfolgreiche Eselsbrücken in Ihrem Unterbewusstsein gebildet, gut gemacht." Anerkennend berührte der Time Lord die Wange von Amy. "Wirklich gut gemacht, Ponds."
Auf den pfirsichfarbenen Lippen der Schottin breitete sich ein Lächeln aus, welches er nicht ganz deuten konnte, doch sie schien über Irgendetwas erfreut, gar stolz zu sein. Vorsichtig streifte sie sich die Fliege vom Handgelenk und drückte sie dem Doctor entgegen, welcher sie aufgeregt entgegen nahm. Die Vorstellung, weiter ohne sein Markenzeichen herumzulaufen, hatte ihn ganz verstört gemacht.
"Willkommen zurück, alter Freund." Freudig band der Time Lord sich mit geschickten Handgriffen den üblichen Fliegenknoten unter seinen Hemdkragen und zog mit einem selbstsicherem Lächeln an den Enden.
"Sieht schon besser aus", kommentierte Amy amüsiert, und den Doctor beruhigte es, dass sie sich nicht mehr von ihrer Verzweiflung überwältigen ließ.
"Finde ich auch so", meinte er verschmitzt und wandte sich an Rory, der - wie er erst jetzt bemerkte - noch immer seinen olivgrünen Marinemantel trug.
"Darf ich...", hob der Fliegenträger zögernd an und deutete auf das Kleidungsstück.
Der Krankenpfleger blickte ihn fragend an, doch dann verstand er letzlich. "Oh, klar. Sicher." In wenigen Bewegungen streifte er sich den Mantel ab und überreichte ihn dem Doctor, der ihn dankend annahm.
"Ein beruhigendes Gefühl, wieder der Alte zu sein", stellte er ermutigt fest und schlüpfte in die Ärmel seiner Jacke. "Es ist noch beruhigender, dass man nicht durch sämtliche Lebensphasen getrimmt wird wie in einer schlechten Tragik-Komödie, oder bei Junggesellenabschieden."
"Das müssen Sie mir nicht zweimal sagen", unterstützte Rory seine Aussage und raufte sich erschöpft die Haare. "Ich habe so viele Dinge gesehen, die wir gemeinsam erlebt haben - und gewisse Erlebnisse zu wiederholen war ziemlich unangenehm."
"Eine Sturmflut aus Erinnerung - unsere Vergangenheit und Zukunft", grübelte Amy und legte die Hand ans Kinn, und plötzlich hellte sich ihre Miene auf, als wäre ihr etwas Wichtiges eingefallen, "Als wir den Vortex-Manipulator benutzt hatten, da habe ich eine Frauenstimme gehört, die mich davor bewahrt hat, dass sich mein Bewusstsein verflüchtigt."
Überrascht musterte Rory seine Frau. "Ich auch! Sie hat mich wachgerüttelt, bevor... Naja, ab da hakt es bei mir. Seit wir an diesem Ort sind, kann ich nicht mehr klar denken."
"Das liegt an den entgegengesetzten Magnetströmen, die diese Ebene beherrschen, und sich auf die Verknüpfungen der Synapsen unserer Kurz- und Langzeitgedächtnisse auswirken", erklärte der Doctor, und formulierte kurz danach etwas umgangssprachlicher: "Die bloße Luft, die wir atmen, führt dazu, dass wir beim Zurückdenken stocken."
"Kein Wunder, dass sie vorher auf im Gedankenzentrum der TARDIS nur Unsinn geredet haben." Amy verschränkte die Arme vor der Brust. "Diese Stimme kam mir so bekannt vor... Als ob sie aus einer meiner Erinnerungen stammt."
"Geht mir genauso", pflichtete ihr Gatte ihr bedächtig bei, "Ich war gerade in der Stadt der Silurianer - ihr wisst schon, damals, bevor die Pandorica explodierte - und wurde von diesem Riss aufgesaugt. Ich habe mein gesamtes Leben vor meinen Augen ablaufen sehen, da hatte sie mir gesagt, ich solle mich an eine bedeutende Sache erinnern, und schließlich bin ich hier bei euch gelandet."
"Mir ist das Gleiche passiert, da war ich..." Die Schottin stutzte plötzlich und starrte furchtsam in die Leere. "...in der Zukunft."
"Und ich war auf Trenzalore", meldete sich der Doctor düster und nickte leicht, "Die Stimme, die uns zueinander geführt hat, war die TARDIS."
Zuerst schauten Amy und Rory ihn an, als hätte er soeben steif und fest behauptet, Konservendosen wären gut im Poker spielen. Dann weiteten sich Amys Augen, und sie schlug die Hand vor den Mund.
"Natürlich!", japste sie aufgeregt, "Wieso bin ich Dussel nicht früher darauf gekommen?"
"Es war Idris' Stimme", erkannte ihr Mann ehrfürchtig, "Weil die TARDIS gewusst hat, dass wir den Klang ihrer Stimme wiedererkennen würden!"
Der Doctor dachte an ein vergangenes Abenteuer zurück, dass schon mehrere Jahrhunderte her war - für seine Begleiter jedoch nur einige Jahre. Da waren sie zu Dritt auf einem abgelegenen Planeten außerhalb des Universums gelandet, der einer einzigen, versifften Müllhalde glich. Dort gab die als Polizei-Notrufzelle getarnte Zeitmaschine ohne jegliche Vorwarnung ihren Geist auf - das glaubte das Trio anfangs. Später jedoch stellte sich heraus, dass der Planet (von seinen Patchwork-Kreaturen liebevoll "Das Haus" genannt) ein Eigenleben sowie Bewusstsein besaß, und den Geist des Raumschiffs in den Körper einer Frau hineinversetzt hatte - Idris hieß das Gefäß, welches sein Leben unfreiwillig für das Haus opferte. Doch den Verstand einer unendlichen, hyperintelligenten Erfindung Gallifreys in den vergleichsweise zierlichen Körper eines gewöhnlichen Menschen hinüberzuleiten, war eine wahre Wahnsinnstat. Ein durchschnittlicher Homo Sapiens könnte nämlich niemals länger als eine Stunde wie eine Zeitmaschine denken, da sie alles wussten: Was in der Vergangenheit geschehen war, was überall in der Gegenwart passierte und (am Schrecklichsten) was ungefähr in der Zukunft eintreten würde. Dem Doctor war dies bewusst, und trotzdem hatte er die kurze Zeit mit Idris genossen, weil er mit seinem geliebten Raumschiff reden konnte, und sie würde antworten. Doch um das Haus zu besiegen - welche Amy und Rory im ursprünglichen Körper der TARDIS als Geißeln genommen hatte und ins Universum eindringen wollte -, musste Idris erneut sterben, und der Geist der TARDIS kehrte wieder in das Gefäß der Polizei-Notrufzelle zurück, wo sie hingehörte und glücklich war. Jetzt kommunizierte sie mit dem Doctor nurmehr über Geräusche und die Hebel, die sie im Konsolenraum manchmal auch aus Eigenhand umlegte.
"Sie hat uns schon wieder gerettet", murmelte der Doctor und spürte unendliche Dankbarkeit und Respekt gegenüber der Zeitmaschine in soch aufsteigen, "Ich danke dir, Altes Mädchen. Ich danke dir vielmals."
"Aber jetzt stellt sich nur die Frage", fuhr Rory die Grüblerei gewissenhaft fort, "wie wir alle Drei gleichzeitig an einem Ort landen konnten, wenn das hier keine Erinnerung von einem von uns ist..."
Der Doctor und Amy schauten sich gleichzeitig an. Obwohl Rory gut mitgedacht hatte, wusste er bereits (und sie mit Sicherheit auch), in welchem Moment ihrer Geschichte sie sich befanden.
Spöttisch zog Amy eine Augenbraue hoch. "Also, Rory", neckte sie ihren Gatten liebevoll und trat zu einem tief hängenden Ast eines bescheidenen Bäumchens, der sich mit den Kletterpflanzen am Boden verwachsen hatte, "Dass du diesen Ort nicht wiedererkennst, überrascht mich wirklich!"
Die Schottin schob den Ast beiseite und brachte ein riesiges, pastellgelbes Einfamilienhaus mit einer azurblauen Eingangstür, welches einsam im Garten weilte und einen unerklärlichen, mythischen Eindruck machte, als würde es direkt aus einem Märchen entstammen. Die Schaukel, die auf einer Erdfläche im Garten stand, quietschte unheimlich, als sie von einem feinen Luftzug bewegt wurde, und der hölzerne Schuppen vervollständige das Vergangenheits-Bild, das im Doctor unendliche Nostalgie auslöste.
Das Haus der siebenjährigen Amelia Pond, vor dem Neustart des Universums durch die Explosion der Pandorica, 11. Juli 1996.
Rory runzelte verwundert die Stirn und nickte langsam. "Okay, das erklärt schonmal, wo wir sind", murmelte der Krankenpfleger und schielte fragend zu den beiden anderen, "Weiß jemand, wann wir sind?"
Ungewollt mussten der Doctor und Amy kichern, was den armen Rory nur noch verwirrter im Regen dastehen ließ.
"Das dürften wir gleich sehen", meinte der Time Lord, nachdem er sich wieder gefangen hatte, und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, "Wird nicht mehr lange dauern..."
In einem Fenster des Hauses flackerte ein schwaches Licht, was verriet, dass jemand dort um diese Uhrzeit noch nicht schlafen konnte. Dann ertönte wie aus dem Nichts ein weit entferntes Surren, dass sich von Sekunde zu Sekunde verstärkte, und das Trio musste hinter einem dichten Gebüsch Schutz suchen, als eine blaue, rauchende Polizei-Notrufzelle vom Nachthimmel stürzte und knallartig mitten in den schönen Vorgarten schlitterte - dabei richtete sie einen ordentlichen Schaden an.
Aus dem beleuchteten Fenster lugte ein kleines, rothaariges Mädchen schüchtern zwischen den Gardinen des Fensters heraus und wollte herausfinden, wer oder was diesen Lärm zu dieser späten Stunde fabriziert hatte.
"Vanillefisch", murmelte der Doctor und beobachtete mit den Ponds die Szene aus sicherer Entfernung, "Hier, Rory, hat alles angefangen. Der zerlumpte Doctor. Unsere vielen Abenteuer. Hier fanden sie den Beginn. Genau jetzt."
Das Mädchen verschwand einen Augenblick hinter den Vorhängen, um nur wenige Minuten später aus der Eingangstür zu hüpfen, direkt auf die quer am Boden liegende Telefonzelle zu. Ihre Neugierge musste so stark sein, dass sie ihre Vorsicht und Furcht überbot. Kinder, dachte der Doctor mit einem wehmütigen Stich in der Seele, Sie wollen immer alles wissen...
"Mein Mini-Ich mit sieben Jahren", wisperte Amy neben ihm gefesselt und duckte sich tiefer hinters Gebüsch. Verwirrt zog sie die Augenbrauen zusammen. "Aber wenn ich nicht in meinem jüngeren Körper bin und ihr zwei auch hier steht, dann..."
"...ist das hier eine Erinnerung der TARDIS", vollendete der Time Lord den Gedanken seiner Freundin nickend, "Ein Impuls hatte uns zu diesem Zeitpunkt verschleppt. Fischstäbchen und Vanillesoße, natürlich... Welches anderes Ereignis würde uns sonst so sehr verbinden?"
"Eines verstehe ich jedoch nicht ganz", schaltete sich ein planloser Rory in die Unterhaltung ein, "Ihr beide habt euch an diesem Tag kennengelernt, aber ich habe Sie erst Jahre später getroffen! Wie konnte ich also hierherkommen?"
Dem Doctor fiel zuerst keine Antwort ein, dann allerdings kam ihm ein entscheidender Gedanke. "Diese Begegnung hat sich vor dem Big Bang Two abgespielt", fasste er zusammen, "Rory, Ihre gesamte Existenz wurde im Reich der Silurianer von dem Raum-Zeit-Riss absorbiert, welcher eng verwoben war mit Amys elternlosem Leben."
"Daher hat mich die Eselsbrücke hergebracht, richtig." Der Krankenpfleger begriff, ein Schatten bedeckte seine graublauen Augen. Offenbar machte ihm die Tatsache, für eine lange Zeitspanne aus dem Univserums gerissen worden zu sein, um danach als ein Plastik-Römer in völlig allein gelassen zwei Jahrtausende lang vor der Pandorica zu wachen, noch schwerer zu schaffen, als der Doctor je geglaubt hätte. Manchmal vergaß er komplett, dass sein Schwiegervater doch mehr an Lebenszeit am Buckel hatte als er selbst, und dann bedauerte er den Letzten der Zenturio zutiefst.
Doch er hätte ihm seine Entscheidung niemals ausreden können, rief er sich bewusst, in diesem Universum nicht und auch in keinem anderen.
Die siebenjährige Amelia trat nun, gekleidet in kirschroter Strickjacke und einem gepunkteten Nachthemd, Schritt für Schritt an die verwüstete Gartenlandschaft heran, den Blick unverwandt auf die nicht intakte Polizei-Notrufzelle gerichtet, sodass sie nichts von den drei versteckten Anwesenden aus der Zukunft bemerkte.
"Na, endlich erfahre ich leibhaftig, wie die Geschichten über deinen imaginären Freund entstanden sind", spöttelte Rory liebevoll und warf seiner Gattin einen liebevollen Seitenblick zu, auf den die Rothaarige ziemlich beleidigt reagierte.
"Hey, du hattest Laurel und Hardy, und ich meinen zerlumpten Doctor!", verteidigte Amy sich mit verschränkte die Arme vor der Brust, "Wir können ja einen Vergleich antstellen, wer mehr auf dem Kasten hat!"
Aus Respekt davor, mit zwei Komik-Legenden verglichen zu werden, sagte der Doctor nichts zu diesem Thema. "Bitte, bewahren Sie Ruhe, und bewegen Sie sich möglichst wenig", riet er seinen Freunden ernsthaft, "Falls wir auf irgendeine Art in diese Szene eingreifen sollten, würde ein fatales Paradoxon entstehen, und unsere gemeinsame Geschichte wäre vollständig ausgelöscht. In der Zwischenzeit werde ich mir einen Plan überlegen, wie wir uns aus dieser misslichen Lage befreien werden. Gut Ding will Weile haben, heißt es doch so schön, oder?"
Die Ponds nickten gehorsam und zu Dritt beobachteten sie weiter das Geschehen, welches schon so lange zurücklag. Während Rory mit offenem Interesse betrachtete, wie die siebenjährige Amy und der neunhundert Jahre alte Doctor sich über Äpfel und Bibliotheken mit Swimmingpools unterhielten, schmunzelten die gegenwärtigen Ausgaben der beiden sich verstohlen an, und erinnerten sich gemeinsam daran, wie sie sich damals angefreundet hatten.
Für sie ist das erst siebzehn Jahre zurück, dachte er mit einem Anflug von Neid, verbunden mit viel Wehmut, Und als ich dieses Gesicht erhalten habe, war ich 1094 Jahre jünger... Zeitreisen. So herrlich unlogisch.
Hatte der Time Lord sich innerhalb dieser Zeitspanne wirklich so frappierend verändert? War aus dem zappeligen, fröhlichen Träumer voller unmöglicher Ideen geworden, der in seine Zauberkiste stieg und geradewegs auf ein neues Abenteuer zusteuerte, ohne Fürchten zu müssen, seiner Seele noch mehr Schmerzen und Narben zuzufügen, als sie ohnehin schon ertragen musste?
Der Gedanke des Doctors verflüchtigte sich, als sein von den Nachwirkungen der Regeneration noch leicht verwirrtes Vergangenheits-Ich schnurstraks gegen den Schuppen lief und auf den Boden plumpste.
Der Fliegenträger stutzte. So immens verändert hatte er sich über den Lauf der Jahre vielleicht doch nicht.

⏳} TIMELESS ADVENTURES - The Chronicles Of The 11th Doctor {⌛Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt