[West-Theben, Tal der Könige, Luxor, Ägypten, 4. November 1922, 17:58]
River konnte sich kaum rühren, als Clara diesen Satz aussprach, denn ihre Gedanken drehten sich wilder als ein nicht intaktes Kettenkarussell.
Prisoner Zero ist ausgebrochen, dröhnte es immer wieder durch ihren Kopf, und es wurde von der Alienstimme, die durch die Decke der Grabkammer drang, zusätzlich verstärkt.
Diese Stimme konnte niemand Geringerem gehören als zu den Atraxi- die Gefängniswärter von Prisoner Zero. Der Doctor hatte River viel von diesem Abenteuer erzählt: Als er zum allerersten Mal in seinem neuen Körper die Erde vor dem außerirdischem Schwerenöter retten musste. Ihr Mann war damals in der Lage gewesen, die Erde von den entzürnten Atraxi sowie ihren Gefangenen zu bewahren.
Aber konnte sie das Gleiche vollbringen?
Vor weniger als zwanzig Minuten hatte sich Carlos Gonzalès, einer der engsten Vertrauten von Howard Carter, als Verräter erwiesen, und River musste sich einen unerbittlichen Kampf mit dem spanischen Wissenschaftler leisten- bis eine gigantische Riesenschlange in Tutanchamuns Grabkammer geschlängelt war und alle Beteiligten zum Erstarren brachte. Clara hatte das Zischen schon auf den beschwerlichen Weg zur letzten Ruhestätte des Pharaohs vernommen.
Amir Muhammed, der einheimische Krankenpfleger, hatte solche Angst vor dem Anblick der Bestie bekommen, dass er versucht hatte, zu Fliehen. Während seiner Flucht krachte der Schwanz der Schlange gegen die Innenmauer, von der sich ein Teil gelöst hatte und direkt auf Amir gelandet war. Doch nicht nur der Mord an dem Ägypter brachte die lockenköpfige Archäologin vor Wut zum Kochen: Als sich das Ungeheuer auf Howard stürzen und ihn angreifen wollte, hatte sich Elizabeth- die Frau, die schon immer in ihn verliebt war- todesmutig vor ihn geworfen und wurde dabei selbst verletzt. Gleich darauf hatte River vergebens versucht, das Riesentier zur Streckte zu bringen- dabei hatte sie die gesamte Monition ihrer Waffe verbraucht und durch zahlreiche Stürze und Schläge einige Verletzungen einkassiert. Ohne zu Zögern hätte River mit ihm weiter gerauft...
Doch nun bekam die ganze Situation eine völlig andere Bedeutung- die Schlange war Prisoner Zero, und nun schwebten die Atraxi über dem Orbit des Planeten, was nicht nur für den entkommenen Gefangenen, sondern für die gesamte Erde der Untergang sein könnte.
River musste dringend handeln. Und zwar schnell.
"River?", brachte Claras verwirrte, aufgeheizte Stimme sie wieder in die Realität zurück, "Was bedeutet das? Wer ist Prisoner Zero?"
Der Lockenkopf betrachtete die kleine, brünette Frau vor ihr, welche in ihrem Archäologinnen-Outfit an der Wand stand und River mit ihren großen, fragenden braunen Augen anstarrte. Der Gesichtsausdruck der Lehrerin verriet, wie bewusst ihr der Ernst der Lage sein musste.
Eilig bewegte sich die Archäologin in Claras Richtung.
"Das ist schwer zu erklären", gestand sie und strich sich mit den Händen die wirren, goldblonden Locken aus dem Gesicht. "Ich weiß nur, dass um die Erdatmosphäre nun das Raumschiff der Atraxi kreist. Sie sind gekommen, um Prisoner Zero einzufangen und ihm seiner Strafe zuzuführen."
"Du sagst das so, als wäre es etwas Schlechtes", meinte Clara unsicher und legte den Kopf auf die Seite.
Vorsichtig zog River ihr den Kommunikator aus der Hand. "Wenn die Atraxi ihren Gefangenen nicht kriegen, werden sie mit einer hundertprozentigen Wahrscheinlichkeit die Erde entfernen", erläuterte sie mit schwerer Stimme, während ihre Fingerspitzen konzentriert auf dem Display ihres Gerätes tippten, "Seine Behausung ist dieser Planet, und diesen müssten die Atraxi nur einäschern, dann wäre das Problem für sie gelöst."
Entsetzt und furchtsam zugleich blickte Clara von River zu den anderen Mitgliedern des Teams. "Und was werden wir gegen sie unternehmen?", bohrte sie nach, und die Archäologin konnte versteckten Tatendrang in ihrem Tonfall wahrnehmen, "Wie halten wir die Atraxi auf?"
Mit einem unwohlen Gefühl in der Magengrube schaute River auf die Riesenschlange, welche sich immer noch im Raum befand und sich verletzt in eine der Ecke verkroch. Die Wunden, welche die Archäologin ihr verpasst hatte, zeigten wohl ihre Wirkung.
"Die Atraxi wollen nur Prisoner Zero", stellte sie klar und legte ihr Augenmerk wieder auf Clara, "Solange er sich noch hier aufhält, ist jedes Wesen auf diesem Planeten in Lebensgefahr. Sie werden nur dann verschwinden, wenn wir ihnen das ausliefern, was sie möchten." Sie machte eine Kopfbewegung Richtung Schlangenmonster.
"Aber wie sollen wir das anstellen?", warf die Lehrerin planlos ein, "Du hast sicher nicht mehr genug Schüsse in deiner Waffe, und die Anderen sind auch noch hier drin..."
Bedrückt kratzte sich River am Kopf. Die Idee, die sie anwenden wollte, würde sicherlich knifflig zum Ausführen werden, wenn gar unmöglich.
Aber vielleicht war es genau das, was ihr so an ihr gefiel?
Die Archäologin musterte Clara von oben bis unten: Das wilde Gerangel mit Amir hatte ihr bestimmt zu schaffen gemacht, aber die unverdrossene Standhaftigkeit in ihrer Miene brachte River innerlich zum Lächeln.
Du triffst auch wirklich immer die perfekte Wahl bei deinen Begleitern, mein Liebster.
Ohne der Lehrerin von ihrem Vorhaben zu erzählen, drückte sie ihr den Kommunikator in die Hand. Clara verzog verständnislos ihre Mundwinkel.
"Bring Howard, Elizabeth und Carlos zurück nach draußen", ordnete sie sachte an, "Denn dort werden sie auf alle Fälle sicherer sein als hier unten."
"Aber was ist mit dir?" Die Brünette nahm das Gerät zögerlich entgegen. "Du bist in der Grabkammer ja wohl genauso in Gefahr!"
"Ich muss mich erstmal um Prisoner Zero kümmern", erklärte River unverwüstlich und schnitt eine vielsagende Grimasse, "Ich hoffe doch, du hast die Aktion mit den Daleks nicht vergessen?"
Ein leichtes Lächeln huschte über Claras Lippen. "Wie könnte ich?"
"Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen", versicherte die Archäologin ihr zuversichtlich, "Ich komme schon klar. Howard und Elizabeth brauchen dich jetzt- nimm den Kommunikator und schalte ihn auf Navigation, dann zeigt er dir den einfachsten Weg hier raus. Und bestell' Carlos einen schönen Gruß und einen ordentlichen Tritt in den Hintern von mir", fügte sie mit einem Zwinkern hinzu.
Die Lehrerin lachte leise auf. "Den hat er sich echt mehr als verdient!"
"Pass gut auf dich auf, Clara", riet River ihr lächelnd, "Und jetzt geh."
Obwohl sich der Lockenkopf schon denken konnte, dass Clara es überhaupt nicht mochte, wenn man ihr Befehle erteilte, nickte sie diesmal einfach nur und sagte noch schnell: "Ich wünsch' dir viel Glück."
"Danke", erwiderte River, denn das bräuchte sie jetzt mehr als alles Andere, "Ich dir auch."
Die Lehrerin wollte sich schon umdrehen und wegtreten, da sprang sie plötzlich auf die Archäologin zu- und umarmte sie.
Völlig verwundert blinzelte River. Das war das erste Mal, dass sie jemand nach der Bibliothek auf diese Weise umarmte. Claras Arme lagen eng um ihren Rücken, ihr Kinn hatte sie auf ihre Schulter gelegt.
Es fühlte sich an, als würde ihr Herz durch diesen einen Akt vollkommen erwärmt werden. Schließlich erwiderte sie die unerwartete Umarmung.
Zugegeben, hatte sie Clara inzwischen sogar richtig lieb gewonnen.
Nach dem innigen Akt der Zuneigung löste sich die Lehrerin von ihr, schenkte ihr den aufmunterndsten Gesichtsausdruck, den River seit Langem gesehen hatte. Dann drehte Clara sich um, eilte zum Spalt, der zur Haupt-Grabkammer führte, und betrat diese.
Die Archäologin atmete einmal kräftig durch den Mund ein und aus, sodass alle Zweifel, Ängste und Sorgen von ihr abfielen- jetzt kam es ganz allein auf sie an.
Erinnere dich daran, was für Schwächen Prisoner Zero besitzt, dachte River und schaltete ihr Gehirn in einen Modus, der es ihr ermöglicht, fokusiert und aufmerksam zu handeln. Einatmen. Ausatmen.
Gut. Sie war bereit, es mit ihm aufzunehmen.
Mit vorsichtigen, entschlossenen Schritten näherte sie sich dem Trümmerhaufen, der aus Teilen der Grabmauer bestand. Dabei fiel ihr auf, wie ihr linkes Bein beim Auftreten schmerzhaft verkrampfte. Sie musste sich wohl während des Kämpfens eine Muskelzerrung zugelegt haben.
Ihre körperlichen Beschwerden ignorierend, ging sie weiter nach vorne, bis River sich direkt in der Mitte des Raumes befand.
"Prisoner Zero", rief die Archäologin aus, "Zeig dich, ich verlange ein Gespräch mit dir!"
Stille.
Ein wenig irritiert stellte River fest, dass das monströse Reptil spurlos verschwunden war.
Eine multiple Form , erinnerte sie sich schließlich, Die Riesenschlange muss bestimmt nur eine Tarnung gewesen sein- eine ganz schön raffinierte...
Plötzlich ertönte das Geräusch von Stiefeln hinter einem der Felsbrocken. Der Archäologin rauschte das Blut durch die Adern, und ihre Wut begann erneut, wie eine wilde Flamme aufzuflackern, als sie sah, wer ins Halblicht der Kammer trat:
Amir. Oder besser gesagt, Prisoner Zero, der seine Gestalt angenommen hatte.
Trotz der Tatsache, dass sie an dem Wesen am liebsten ihre erbamungslosesten Kampftricks ausgelassen hätte, zwang River sich, Haltung zu wahren und sich nicht von ihrem Plan abbringen zu lassen.
So nahm sie einen gleichgültigen Gesichtsausdruck an und starrte dem dunkelhäutigen, stämmigen Mann entgegen, der einst ein Mensch gewesen war, dem sein Heimatland alles bedeutet hatte- auch wenn er mit so ein Ekel wie Carlos kooperieren musste.
Doch diese Person vor ihren Augen rührte keinen Muskel, sondern schaute die Archäologin mit einem Blick an, der derartig kalt war, dass jeder blinde Maulwurf gemerkt hätte, dass dieses Geschöpf keine Menschlichkeit besaß.
Tu es, River, spornte sie sich selbst gedanklich an, Rette die Welt.
"Nun denn", sprach River ruhig und lächelte zwanghaft, "Ich schätze mal, die Atraxi hatten sich deinetwegen die Mühe gemacht, herzukommen, nicht wahr? Dem Namen nach zu urteilen, scheinst du deren Gefangener zu sein, oder? Oh, glaub mir: Ich weiß nur zu genau, wie sich das für dich anfühlt." Theatralisch bewegte sie einen Arm zu ihrer Brust. "Der Knast kann einen manchmal so entsetzlich langweilen- dort gibt es nichts Besseres zu tun als seine Vergehen abzusitzen. Ausbrechen dagegen macht so viel Spaß wie Achterbahn-Fahren."
Prisoner Zero machte eine Kopfbewegung, die ein knirschendes Geräusch von sich gab. Er blinzelte sie emotionslos an. "Ich verweile schon viel zu lange an diesem heißen, trägen Ort", redete er nun mit Amirs Stimme, jedoch hörte man keinen Akzent mehr heraus, "Nachdem diese ungehobelte Version eines Time Lords versucht hat, mich in die Einöde der Atraxi zurückzusperren, konnte ich einige Wochen danach aus meiner Zelle in ihrem Raumschiff entkommen. Durch ein Paradoxon gelang es mir, die Wände meines elenden Käfigs zu verlassen..."
"...und bist so erneut auf der Erde gelandet", schloss River nickend, die an seinen Lippen hing, "Diesmal im wichtigsten Jahr der archäologischen Entdeckungen des Howard Carter- Respekt. Wirklich guter Schachzug."
Prisoner Zero beachtete ihre Worte nicht. "Trotzdem war es die wahre Hölle für mich", fuhr der Außerirdische fort, seine Stimme wurde von einem leisen, frustrierten Grollen begleitet, "An diesem Ort herrschen unerträgliche Temperaturen- mein Körper hätte diese enorme Hitze nicht auf Dauer aushalten können. Ich wäre verdampft. Deshalb musste ich mich in die spärlichen Schatten dieses Fleckchens verkriechen. Nur dadurch, dass ich meine Gestalt gewechselt habe, konnte ich überleben."
Während River ihm zuhörte, fing sie an, ihr offenes Haar nach hinten zu streichen, um es zu einem Pferdeschwanz zu binden. "Aber du brauchtest eine Grundlage, auf der du deine multiplen Formen aufbauen konntest", nahm die Archäologin ihm das Reden ab, "Und weil zu dieser Zeit so gut wie keine Menschen im Tal der Könige verkehrten- natürlich, wer hätte auch zu diesem Zeitpunkt erraten können, dass hier tatsächlich eine ganze Grabkammer liegt?-, passtest du dich einfach an ein paar tote Tiere an."
Schnaubend stierte Prisoner Zero sie an, seine steifen Gliedmaßen zuckten dabei. "Einfach nennst du das", lachte er hohl, "Die Lebensformen ausfindig zu machen und ihnen ihr Antlitz zu entnehmen, das war einfach! Aber danach wurde alles viel schwieriger- meine Haut brannte heißer als Feuer, ich lechzte nach Essen und Trinken und der Wind streute mir unaufhörlich den Wüstensand in die Augen. Aber alles ist besser als Gefangener der Atraxi zu sein."
Er denkt wohl, er könnte so mein Mitleid erregen, damit ich ihn verschone, dachte River verwegen lächelnd und holte sich ein Gummiband aus der Hosentasche, durch welches sie nun ihren Haarschopf zog, Netter Versuch.
"Bald kam diese Menschen-Kolonie herangesiedelt", sprach der Gefangene weiter, "Und ich hätte die Möglichkeit gehabt, mich in etwas Anderes zu formen als diese lächerlich schuppige Gestalt, die ihr Primitiven Schlange nennt. So lauerte ich auf, passte mich an die laufenden Kreaturen an, saugte mich mit ihrer DNA voll, bis ich nicht mehr konnte."
Die Archäologin zog gewissenhaft ihre Locken ein zweites Mal durch die Masche. "Damit hast du dir reichlich Zeit gelassen, um auf Nummer sicher zu gehen, dass du unerkannt und klammheimlich deine Wege beschreiten konntest."
Prisoner Zero entfuhr ein empörtes Schnauben. "Als wüsstest du, wie sich so etwas anfühlt", höhnte er und bewegte seinen Kopf so rapide nach links, dass ein widerliches Knacken seinerseits ertönte, "Hörst du es nicht? Die Atraxi werden bald diesen stumpfen, wertlosen Planeten vom Sonnensystem schießen, bis nichts mehr von euch Menschen übrig bleibt."
Von oben herab schallten immer noch die regelmäßigen Stimmen der außerirdischen Flotte:
"Prisoner Zero wird sich zeigen, sonst wird die Behausung eingeäschert... Sonst wird die Behausung eingeäschert..."
River blendete die Warnungen des Raumschiffes aus und zog sich mit beiden Händen und geschickten Fingern einen Pferdeschwanz. "Die Atraxi sind mein kleinstes Problem", entgegnete sie und versuchte, möglichst entspannt zu klingen, "Doch solche Kreaturen wie dich, die sich auf fremden Sternen niederlassen, nur um ein bisschen Ärger zu stiften, gehören eingesperrt." Nachdem ihre Frisur saß, ließ sie die Hände auf ihren Hüften nieder. Beherrscht funkelte die Archäologin Prisoner Zero an. "Aber Monster, die dabei auch noch harmlosen, guten Menschen den Todesstoß versetzen, verdienen keine Gnade."
Der Gefangene rümpfte überheblich mit Amirs Nase und starrte River abschätzig an. "Du klingst ja schon beinahe genauso wie dieser Doctor", knirschte er bissig, "Dieser Idiot mit seinem übertriebenen Gerechtigkeitssinn und strotzendem Hochmut..." Er zitterte, als würde ein eiskalter Schauer seinen Rücken hinunterlaufen. "Schon beim Gedanken an diesen Lumpenfratz wird mir speiübel!"
Der Lockenkopf ignorierte gekonnt die verachtenden Kommentare des Verbrechers gegenüber ihres Gatten und nickte stattdessen zustimmend. "Manchmal ist der das tatsächlich- ein Idiot, meine ich", erklärte sie Prisoner Zero wissend und fing an, einen langsamen Schritt auf ihn zu zugehen, "Aber beleidige bloß nie wieder meinen Mann. Nie wieder. Dieses Recht steht ganz allein mir zu."
Behutsam und zugleich sehr entschlossen schlenderte die Archäologin über den staubigen Trümmerhaufen, den ihr Kampf auf dem Boden der Grabkammer hinterlassen hatte. "Viel zu lange bist du schon auf der Flucht vor deiner Strafe, mein Lieber." Bei jeder folgenden Unterstellung verlor ihre Stimme jeglichen Charme und wurde todernst. "Du hast unschuldige Menschen verletzt und ihnen ihr Erscheinungsbild genommen, als hättest du nichts Besseres in deinem Leben zu tun! Ich mag zwar nicht der Doctor sein- ich bin seine Frau, aber das heißt nicht unbedingt, dass ich wie er handeln muss. Deshalb sollst du ausdrücklich gewarnt sein."
River stoppte, als sie nur wenige Meter von Prisoner Zero stand, und reckte drohend das Kinn nach vorne, um ihm zu zeigen, wie sehr er sich ihre Worte einprägen musste.
"Spiel keine Spielchen. Nicht auf diesem Planeten. Nicht mit meinem Team. Und ganz besonders: Nicht. Mit. Mir."
Für einen Moment herrschte ein tiefes, angespanntes Schweigen zwischen den beiden. Dann begann Prisoner Zero prompt, ihr laut und verächtlich ins Gesicht zu lachen, als hätte sie einen dummen Scherz gemacht. Verärgert ballte River die Fäuste, doch sie ließ sich nichts anmerken. Sonst würde ihr Plan nicht aufgehen.
"Och, sollte ich jetzt vor dir auf die Knie fallen und um Vergebung winseln?", höhnte er amüsiert, Amirs Gesicht zu einer siegreichen Miene aufgehellt, doch dann verhärteten sich seine Züge, "Bei dir handelt es sich um nichts mehr als um ein kleines, eingebildetes Menschlein, dass sich eingeredet hat, es könnte mich besiegen. Aber wie willst du das anstellen- ganz ohne irgendwelche Waffen oder Verbündete? Deine komplette Monition hast du für diesen spanischen Affen und bei deinen jämmerlichen Versuchen, mich in die Flucht zu schlagen, verschwendet. Und falls du versuchen würdest, mich mit deiner bloßen Nahkampferfahrung zu überwältigen, denk nochmal gründlich nach: Die Atraxi sind immer noch da, und sie werden so oder so diesen Pickel von einer Welt rösten und ihn von der Landkarte des Universums raddieren. Die wirst du nicht so schnell loswerden, genauso wenig wie du mich bezwingen wirst. Deine dummen Freunde sind ihren Strahlen schonunglos ausgeliefert. Denn du bist nämlich, wie du gesagt hast, nicht der Doctor. Du bist ein Häufchen Nichts."
Erneut entfuhr Prisoner Zero ein grollendes Lachen, doch diesmal war es kürzer und nicht so durchtrieben und laut. River blickte ihn durchgehend starr an.
"Nein."
Verwirrt hörte der Gefangene auf, sich zu freuen. Blinzelnd musterte er sie forschend. "Nein?", wiederholte er ahnungslos, "Was soll das bedeuten, Nein?"
Mit straff gezogenen Lippen zuckte River mit den Schultern. "Es bedeutet das, was ich meine. Nein. Du liegst falsch mit so ziemlich allem, was du während der vergangenen zwei Minuten von dir gegeben hast."
Prisoner Zero legte finster den Kopf schief. "Ich verstehe nicht, was du mir sagen willst", knurrte er und machte wieder ein anderes, knarzendes Geräusch mit seinem Schädel, "Erkläre es mir, Menschenweib, oder jemand wird wieder sterben."
Die Archäologin hob geschlagen die Hände hoch. "Na schön, wie du möchtest, ich erzähle es dir", gab sie willentlich nach und fing an, mit den Schuhsohlen ihrer Stiefel über den staubigen, vergoldeten Sandboden zu streifen, "Die Sache ist Folgende, Erstens: Doch, du hättest lieber vor mir auf die Knie fallen sollen. Ob winselnd oder nicht, wäre dein Anliegen gewesen. Völlig schnuppe. Aber ich sag' dir mal was."
Sie hob einen Zeigefinger und blieb stocksteif stehen. "Es ist zwar schon ziemlich lange her, andere Zeitlinie, anderes Universum, aber ich habe mal einen Dalek- diese schrill redenden Pümpelhalter von Skaro- um Gnade betteln lassen, der nur eine, eine einzige Person getötet hat, die ich vom ganzen Herzen geliebt habe."
River bewegte die Arme in seine Richtung, als ob sie eine Antwort von Prisoner Zero ersehnen würde, doch er beobachtete sie argwöhnisch, mit einem zuckenden Augenlid.
"Wie denkst du, würden die Atraxi oder du vielleicht reagieren, wenn ihr noch einer weiteren Person auf diesem Planeten schadet? Du-" Sie richtete schuldzuweisend den Zeigefinger auf den entflohenen Gefangen. "-hast Amir ermordet, und obwohl er diesem Schwein von einem Stierkämpfer gedient hatte, mochte ich ihn jedoch sehr, denn er hatte auch viele, lobenswerte Dinge in seiner Zeit getan. Er hatte Kranke geheilt, Menschenleben gerettet und er wäre praktisch gestorben für sein Mutterland."
Kühl zog River die Augenbrauen zusammen, und schob den kochenden Zorn in ihrem Bauch beiseite. "Und jetzt stehst du einfach hier vor meiner Nase, trägst sein Äußeres und seine Kleidung, redest mit seiner Stimme, und das allein reicht schon, mich dazu zu bringen, jeden einzelnen Atraxi über uns zu erschießen. Zweitens: Auf alle Fälle solltest du dir merken, dass ich niemals- wirklich, niemals- unbewaffnet bin. Schau dich doch nur mal um."
Prisoner Zero tat wie ihm gehießen und schaute sich zweifelnd um, doch offenbar konnte er nichts Auffälliges erhaschen.
"Hast du es ernsthaft nicht gemerkt?", hakte River nach und lächelte smart.
"Was denn?"
"Clara hat die Grabkammer verlassen, bevor wir überhaupt angefangen haben, miteinander zu sprechen", löste sie erläuternd auf und musste schelmisch einen Mundwinkel hochziehen. "Sie hat mitsamt allen Personen, die heute an der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun beteiligt waren, einen Weg hinaus gefunden. Alle waren ihr gefolgt, bis auf..."
Hinter Rivers Rücken ertönte warnungslos ein metallisches Klicken. Grinsend hob die Archäologin den Kopf sowie beide Arme hoch.
"...einen."
"Dank Ihnen habe ich alles verloren", murrte Carlos hinter ihr durch zusammen gebissene Zähne, und River konnte deutlich spüren, wie der Spanier den Lauf einer Waffe gegen ihr Oberteil drückte, "Meinen Ruhm, meine Ehre, meinen Reichtum! Nun dürfen Sie das ausbaden."
Ohne Panik zu bekommen, schaute die Archäologin Carlos über die Schulter an. Seine nachtschwarzen, kinnlangen Haare hatte sich vollständig aus seinem Zopf gelöst und hingen ihm völlig zerzaust ins Gesicht, welches eine einzige, bedrohliche, wutverzerrte Miene war. Schnaufend richtete er mit seiner Pistole auf sie, die Finger spielten beidhändig auf dem Abzug, als könnte er es kaum erwarten, ihr den Gnadenschuss zu geben.
Doch River schenkte ihm nur ein schamloses, charmantes Kopfnicken. "Hola! Wie nett, Sie wieder in der Runde zu haben, Carlosito."
"Oh, Sie können garnicht ahnen, wie Ihnen geschehen wird, mi bella", zischte der Wissenschaftler voller Jähzorn, "Denn gleich knipse ich Ihnen das Licht auf einen Schlag aus, noch bevor dieses fremdartige Gefährt am Himmel uns alle vernichten wird!"
"Großartig", murmelte River mit ironischem Tonfall und rollte mit dem Augen, als sie sich wieder Prisoner Zero zuwandte, "Knallen sie mir ruhig eine Kugel in den Rücken, eine tolle Rache ist das."
Der ausgebrochene Gefangene schien sich nicht aus der Ruhe bringen zu wollen. "Das wird dich nun auch nicht mehr retten", behauptete er grimmig, "Entweder zerstören meine Gefängnis-Wärter dein Zuhause oder dieser Mann wird dich aus dem Weg räumen. Du wirst auf keine Art und Weise gewinnen können."
"Nicht ganz", verbesserte River und seufzte enttäuscht auf, "Ach, ihr Männer lernt es wohl nie, stimmt's? Immer übersieht ihr das Offensichtliche. Wisst ihr was? Ich enthülle euch nun meine kleine Geheimwaffe."
Carlos behielt angespannt seine Stellung- Finger am Abzug, Lauf auf Rivers Rücken gepresst-, während Prisoner Zero es kaum wagte, mit der Wimper zucken.
Befriedigt darüber, dass beide Seiten endlich ihre Klappen hielten, deckte River schließlich ihren geheimen Plan auf: "Es ist Clara."
Irritiertes Schweigen herrschte.
"Bevor ihr zwei neunmalklugen Tölpel es auch nur ansatzweise fertig gebracht hättet, eure wahren Vorhaben richtig zu verbergen, habe ich Clara meinen Kommunikator gegeben, auf den ich vorher großzügig eine bedeutende Nachricht hinterlassen habe."
Das Klacken der Knarre hinter ihr erklang, als würden Carlos' Hände es kaum aushalten, die Waffe weiter auf sie zu richten, ohne abzudrücken.
"Wie lautet die Nachricht?", fauchte er gepresst.
"Das wüsstet ihr gern", konterte die Archäologin verwegen, "Sie wird uns alle lebendig aus dieser Situation holen- naja, abgesehen von euch beiden, natürlich."
Die emotionsleere Miene des als Amir getarnter Prisoner Zeros brach ein wenig. "Wie könnte eine einzelne Person mich aufhalten?"
River verzog den Mund. "Nun ja, Clara mag nicht gerade eine Frau sein, die mit Vorlieben Waffengewalt anwendet- zumindest nach meinem Eindruck", erläuterte sie keck, "Aber dafür befinden sich überall in den Höhlen und in der Grabkammer Gaslampen, und für den Fall der Fälle habe ich noch vor unserer Expedition Mikrobomben eingebaut, die in die Luft gehen, sobald der Auslöser betätigt wird. Eine Explosion dieser Art wird niemand überleben. Das Grab wird verschüttet, doch Howard und Lord Carnavon sind fleißige Burschen, die werden die Tunnel mit einigen kräftigen Laufburschen schon wieder ausheben- das Kraftfeld der Mikrobomben wird die Schätze hierdrin so erhalten, als sei hier außer Spesen nichts Gewesen." Mit einem gespielten Bedauern nickte sie emsig mit dem Kopf. "Blöd gelaufen für euch, Gentlemen."
"Sinnloses Geschwätz!", protestierte Carlos widerstrebend.
"Wiederholen Sie das, wenn Sie mit etwas Glück nicht unter Sand und Staub begraben werden, Señor." Zufrieden betrachtete River den völlig perplexen Prisoner Zero. "Dreimal darfst du raten, wo sich jener Auslöser befindet!"
Als die Archäologin Clara ihren Kommunikator überreicht hatte, stand darin auch, wo sich der Auslöser befand und was genau sie mit ihm machen musste.
Die schwarz lackierte Pistole von Carlos lag nach dem Gerangel zwischen den Trümmern, weshalb die Lehrerin sicher alles richtig gemacht haben musste.
Danke, Kleines, dachte River stolz und flog mit dem Gedanken zu Clara, die sie jetzt am liebsten küssen könnte!
Obwohl es für beide Seiten sicherlich ziemlich seltsam wäre... Und zu früh.
"Seht ihr?", triumphierte die Archäologin zuversichtlich und verschränkte die Arme vor der Brust, "Kein Ausweg für euch beide, für mich aber schon. Carlos' Temperament ist angeheizt genug, dass er mich ohne die Konsequenzen zu bedenken den Erdboden gleichmachen würde. Schließlich habe ich ihm all seinen kostbaren Ruhm gestohlen!"
Letztere Bemerkung sprach sie bewusst laut und betont aus, damit sie sich noch sicherer wurde, dass der Spanier den Abzug drücken wird. Danach wandte sie sich wieder Prisoner Zero zu.
"Howard und Elizabeth werden das Grab unbeschadet vorfinden, und die Menschheit erinnert sich noch Jahrzehnte später an seine glorreichen Entdeckungen. Ihnen gebürt die vollständige und ungeteilte Anerkennung für die Entdeckung von Tutanchamuns Ruhestätte, und die Riesenschlange und der Gesandte der Spanischen Krone werden nurmehr den Beteiligten des heutigen Tages im Gedächtnis bleiben. Ach, und noch einen kleinen Spoiler für dich!"
Sie wagte sich nach vorne, um auch den kleinsten Abstand zwischen ihr und dem Gestaltwandler zu schließen.
"Ich bin eigentlich gar kein vollständiges Menschenweib. Ich bin zur Hälfte eine Time Lady, durch deren Adern die TARDIS-DNA fließt. Zwar verfüge ich nicht über zwei Herzen, doch dafür habe ich absolut nichts zu Verlieren. Ich bin 227 Jahre alt, und in dieser Zeit haben mir die Leute unzählige Namen gegeben."
Hinter sich konnte sie den Schritten von Carlos lauschen, der ihr unablässig den Lauf seiner Knarre in den Rücken drückte.
"Der lockenköpfige Horror", begann sie mit wohligem Gewissen aufzulisten, "Der Herzens-und-Knochenbrecher, die Hölle auf High Heels, Melody Malone, der Astronaut, den es nie gab, der Männerkiller, das Kind der TARDIS. Aber für die meisten von ihnen..."
Bloß ein paar Millimeter vor der knolligen Nase des als Amir getarnten Prisoner Zero, Entflohener der Atraxi, blieb sie stehen, und ein breites Lächeln formte sich auf ihren Lippen, als sie die Angst in seinen ihm nicht zugehörigen, braunen Augen aufblitzen sah.
"...bin ich River Song. Und du solltest mir niemals Ärger machen."
Ihren Namen noch mit voller Entschlossenheit herausgebracht, zwinkerte ihm Archäologin mit einem kurzen Grinsen zu. "Küsschen."
Danach warf sie sich reflexartig auf die Seite, genau eine halbe Sekunde bevor Carlos seinen Schuss abfeuerte. Blitzschnell warf sich River hoch und sah dabei zu, wie die Kugel den verwundeten Prisoner Zero am Oberschenkel traf. Der Gefangene schrie entsetzt auf und ging zu Boden.
Carlos ist ein lausiger Schütze, dachte der Lockenkopf nur schadenfroh schmunzelnd, bevor sie sich umdrehte, um die beiden Verbrecher in der kurz vor einer gewaltigen Explosion stehenden Höhle zurückzulassen.
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⏳} TIMELESS ADVENTURES - The Chronicles Of The 11th Doctor {⌛
Fanfiction》Geronimo.《 Der Elfte Doctor wacht auf: In seiner TARDIS, die irgendwo im Zeit-Vortex feststeckt. Doch wie kann es sein, dass er, trotz seiner Regeneration in Trenzalore, wieder der Fliegen tragende, zerlumpte Mann ist? Um diese Frage zu beantworten...