[Ashford Street, Coal Hill, Shoreditch, London, England, 21. Jänner 2015, 16:51]
"Seit jenem schicksalhaften Treffen", beendete Murray seine Erzählung, eine Hand hatte er um einen der Hebel gekrallt, den Blick nostalgisch an einen weit entfernten Punkt der Vergangenheit gerichtet, "wurde der Aufenthalt im Stormcage-Gefängnis erträglicher. Den Wärter Steve zu ärgern, war zusammen nicht so schwer, Schachspielen dafür umso mehr- wenn man in verschiedenen Zellen sitzt und nie genau weiß, wohin dein Gegenspieler den König bewegt, aber sonst war es ein wahres Vergnügen, das kann ich dir versichern."
Murray hatte sich verträumt auf den weißen TARDIS-Sitz niedergelassen und lehnte den Kopf gegen die Handfläche, den Blick an einen unbestimmten Punkt in weiter Ferne gerichtet. River fand schon immer, dass er bei Erzählungen ziemlich übertreiben konnte, aber übel nehmen konnte sie ihm das nicht - jedenfalls nicht mehr als sein Vergehen, die TARDIS des Doctors gewissenlos zu rauben.
Zudem empfand die Archäologin großes Mitleid mit Clara, welche sich die Geschichte notgedrungen anhören musste. Eigentlich sollte die Lehrerin jetzt in einem schicken Restaurant zusammen mit ihrem Arbeitskollegen Adrian Davies sitzen und Kaviar auf Toast naschen, stattdessen wickelte sie dieser Tunichtgut bei Queen-Musik und säuselnden Flirtsprüchen um den kleinen Finger. Und aus welchem Grund? Weil ihr lieber Freund einfach nicht die Pfoten von jungen, hübschen Frauen in feiner Aufmachung lassen konnte.
Selbst die TARDIS schien langsam aber sicher die Nerven verlieren - ihre unregelmäßigen, schrillen Geräusche beunruhigten River seit ihrem Eintritt über die Türschwelle, und sie wusste genau, dass etwas mit ihren Gatten und seinen Begleitern nicht stimmte.
Und ich muss herausfinden, was, dachte sich River ernst und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie ihren ehemals engsten Freund nicht aus den Augen verlor.
Murrays Miene versteinerte sich. "Aber dann", fuhr er fort, eine überdramatische Armbewegung vollführend, "wurde Madame begnadigt und hatte sich seitdem nie wieder im Stormcage blicken lassen." Den verdrängten Zorn in seiner Stimme ließ er nicht überhören. "Monate später ereilt mich die Botschaft ihres vermeintlichen Todes. Ich war am Boden zerstört, doch nun-" Energisch schwang der Räuberkönig sich auf die Füße, das unverkennbare Tocken seiner hohen Absatz-Stiefel erfüllte den Konsolenraum. "-stehst du quicklebendig vor meiner Nase, und würde gerne erfahren, warum."
Unsicher biss sich River auf die Lippen. Wenn ich das nur selber wüsste! Das schwarze Loch ihrer fehlenden Erinnerungen reichte von ihrem letzten Kuss auf Trenzalore bis zum Herumirren auf einer ihr unbekannten, nächtlichen Straße. Sie wollte und vor allem, konnte nicht herausfinden, was seitdem passiert war, da der simple Gedanke an die Bibliothek ein schmerzliches Gefühl von Angst und Leere in ihr verursachte. Oh, Doctor, seufzte die Archäologin innerlich, qualvolle Sehnsucht zerriss ihr das Herz, Werden wir uns jemals wiederfinden?
Doch oberste Priorität besaß nach wie vor die Suche nach dem Medium, dass ein massiv erhöhtes Kopfgeld auf sie ausgesetzt hatte. Eines stand jedenfalls fest: Um König Hydroflax handelte es sich mit Bestimmtheit nicht. Oder?
River sammelte sich, bevor sie gezwungen ruhig antwortete: "Ich glaube, wir sollten das Spiel umdrehen und feilschen. Meinst du nicht, du solltest als Erster mit der Sprache rausrücken, warum und wie du an die TARDIS gekommen bist?"
"Das würde mich auch interessieren", meldete sich Clara zu Wort, welche bisher zwischen den prunkvollen, gestohlenen Schätzen geweilt und Murrays Geschichte vollends aufgenommen hatte, und stellte sich demonstrativ neben River.
Schmunzelnd betrachtete der Räuberkönig die beiden Frauen, die sich zu einer Einheit gebildet hatten, welche seinen Plänen Einhalt gebieten konnten. Dann drehte er an einen seiner vielen Ringe (ein Zeichen, dass er nach den richtigen Formulierungen suchte, ohne sich aus Versehen zu verplappern) und begann offenherzig zu berichten: "Etwa eineinhalb Jahre zuvor hat mich ein Trupp von Judoon - ihr wisst schon, diese nashornköpfigen Weltraumcops - bei einem Coup auf die ausgerottete, nordische Ruine des Planeten Berllier Squif erwischt. In diesen eingefallenen Häusern soll es nämlich Unmengen an versteckten, antiken Trümmern geben, laut meiner anoymen Informationsquelle. Meine Flucht ist missglückt, da mein korrupter Handelspartner Joshamee mir auf schändliche Art und Weise den Rücken gekehrt hat." Entzürnt zeigte Murray seine Zähne, wobei aus seinem Gebiss einige Goldzähne funkelten. "Er hat mich verraten, indem er in den Rücken fiel - wortwörtlich, denn dieser räudige Verräter nagelte mich am Boden fest, während die Judoon meine Handgelenke in beengende Handschellen zwängten. Bei Kali, Joshamee war ein Mann ohne Ehre!"
Sagst ausgerechnet du?, kommentierte River stumm.
"Jedenfalls", redete der Hybride weiter und strich sich den üppigen Pony zurück, "sollte ich zur Schattenproklamation verfrachtet und erneut verurteilt werden. Plötzlich tauchten Zeitagenten in Berllier Squifs Zentralstadt auf und entführten mich. Angeblich hat ein illegaler Großhändler einen Batzen Kopfgeld auf mich angelegt. Könnt ihr euch das vorstellen? In eine fremde Zeit versetzt zu werden, wo es so mittelalterlich zugeht, dass du den Dreck vom Boden fressen musst?"
"Du armes Kätzchen", bemitleidete Clara ihn, und man hätte behaupten können, Sarkasmus aus ihrem Unterton zu vernehmen.
Bei dem Wort Kopfgeld wurde River sofort hellhörig. Die Zahnräder in ihrem Gehirn ratterten. Nach Murray wurde also genau wie sie gefahndet! Aber wer steckte bloß dahinter? Auf jeden Fall musste der Dieb etwas damit zu tun haben, erkannte die Archäologin, da er mit Sicherheit irgendwie in diese Sache verstrickt war.
"Ich wurde also ins 19. Jahrhundert versetzt, nach Maharashtra", berichtete der Räuberkönig munter weiter und knabberte hin und wieder an einen staubigen Marmeladenkeks, den er sich aus dem Ärmel zog (was Rivers Befürchtungen nur noch verschlimmerte), "Der altmodische Basar dort strotzte nur so an primitiven Gesindel, dafür hatte ich die ein oder andere nette, weibliche Bekanntschaft genossen - darunter hat sich zwar nichts Haltbares entwickelt, aber beklagen könnte ich mich trotzdem nicht." Das vielsagende, träumerische Grinsen auf seinen schmalen Lippen sprach Bände. Nach einem kurzen Moment der geistigen Abwesenheit verschlang Murray eilig den Rest des Kekses. "Abgesehen davon, findet man auf dem Colaba Causeway selten etwas Interessantes. Bis zu jenem, schicksalhaften Tag..."
Eine überdramatische Kunstpause einlegend, wischte der Hybride sich die Krümmel vom Marinemantel, und am liebsten hätte River stöhnend die Augen gerollt und ihm ein genervtes "Nicht abschweifen, Kater!" zugerufen, aber da sie in Situationen wie dieser nun mal viel Geduld beweisen musste, wartete sie darauf, dass der Räuberkönig sich wieder seiner Erzählung zuwandte.
"Es geschah im Frühling - April, glaube ich, oder März -, da bin ich auf dem Markplatz herumgestreift, um meine täglichen Beutezüge auszuführen, da vernahm ich plötzlich etwas Unbeschreibliches: Die Anwesenheit einer höher entwickelten Spezies, eine Übermacht, wie ich sie seit dem Stormcage nicht mehr gespürt habe."
"Die TARDIS", erriet Clara und nickte leicht, und fügte verwirrt hinzu: "Doch wie konntest du sie bitte fühlen?"
"Meim sechster Sinn, der Katzensinn", eröffnete Murray ihr nicht ohne Stolz, und deutete auf seine spitz zulaufenden Ohren, die in seinem sandbraunen Haarschopf gut verborgen lagen, "All meine Sinne sind ausgeschärft, doch der Katzensinn lässt mich Schwingungen spüren, die gewöhnliche Menschen nicht einmal bemerken würden. Ich kenne euren Doctor, jedoch nicht persönlich." Clara sog überrascht die Luft ein, und der Blick des Diebes blieb an River hängen. "Manchmal habe ich ihn und dich im Stormcage von meiner Zelle aus beobachtet, wie ihr aus einer blauen Polizei-Notrufzelle kommt und geht, von einem Rendevous zum nächsten, als gäbe es die Gefängnis-Wände garnicht. Ich konnte mich an alles erinnern, an seinen Tweed-Anzug, seine Stimme, das Geräusch des blauen Kastens, wenn er sich in Luft auflöste..." Überwältigt vom bloßen Gedanken rieb sich Murray die Stirn. "Wenn ihr nur wüsstet, wie man das aus der Katzensinn-Perspektive erlebt! Als ob ein wahnsinniger Ruck aus blauen Blitzen durch deine Seele fährt, tausend Gezeiten aus Glut und Eiseskälte, jedes Fragment der Zeit auf einen Schlag."
River konnte sich bestens vorstellen, was er da beschrieb, da sie selbst in gewisser Weise das Kind der TARDIS war und auch ihre DNA Sonderheiten aufwies. Immer, wenn sie das wohlvertraute Raumschiff bertat, schoss eine Emotion der Wärme durch ihren Körper, als würde der Geist der Zeitmaschine die Archäologin jedes Mal in unbändiger Freude willkommen heißen.
"Ich folgte also meinem Instinkt und überprüfte die Gegend, und meine Vermutungen bestätigten sich: Da stand die TARDIS in voller Pracht, und aus ihren Türen trat der einzig wahre Doctor ins Rampenlicht, gefolgt von einem reizenden Pärchen, das ich nicht kannte." Ein lüsterner Unterton wuchs in seiner Stimme. "Eine feurige, temperamentvolle Rothaarige mit den längsten Beinen, die ich je gesehen habe, und ein niedlicher, verdatterter Kerl, der mir nicht wirklich gefährlich werden könnte, aber ich fand ihn irgendwie nett, um ehrlich zu sein."
Seine Aussage ließ River das Blut in den Adern gefrieren. Mein Doctor und meine Eltern!, schrie sie gedanklich, und ihre Wut auf ihren alten Bekannten wuchs ins Unermessliche. Hatte der Räuberkönig ihre Familie tatsächlich sich selbst überlassen, an einem Ort ohne Möglichkeit auf Rückkehr?
"Den Burschen auszutricksen, stellte sich als leichtes Spiel heraus", gestand Murray verschmitzt, "Meine Freundin Ajala hatte mir freundlicherweise kurzfristige Hilfe erwiesen, und Pfundskerl Thambi mitsamt seinen Kumpanem kamen mir zufällig gelegen - ein perfekter Plan, wie man sieht."
Angst um ihren Vater packte Rivers Herz, und sie baute sich bedrohlich vor dem Hybriden auf. "Hast du ihm irgendwelche Schaden zugefügt?", knurrte sie eisig. Sollte er mit Ja antworten, würde er das bitter bereuen. Niemand verletzte absichtlich Leute, die der Archäologin etwas bedeuteten!
Unschlüssig wiegte der Räuberkönig den Kopf. "Wenn du verbalen Schaden meinst, vermutlich ja. Auf jeden Fall waren die Drei so hartnäckig wie Zecken, ich musste wohl noch nie so viel Betäubungsgift auf einmal verbrauchen, aber ich hab' mir nicht groß Mühe gemacht, ihnen Steine in den Weg zu legen." Ein süffisantes Schmunzeln bildete sich aus seinem Mund. "Dafür wird schon jemand anderes sorgen..."
"Von wen redest du?", hakte Clara energisch nach, "Hattest du etwa Komplizen im Gepäck?"
Entsetzt legte Murray eine Hand auf seine Brust und lehnte sich ein Stück weit zurück. "Gute Güte, nein!", erwiderte er fassunglos, "Ich arbeite allein, schließlich wären mir Begleiter nur ein Klotz am Bein. Es sei denn, eine von euch findet gefallen am Titel Die Räuberkönigin..."
"Komm zum Punkt, Kater", unterbrach River ihren ehemaligen Knastnachbarn ungehalten von seinen Flirtversuchen, "Was hast du mit Ihnen angestellt?"
Die schmalen, bernsteinfarbenen Augen des Diebes verengten sich und betrachteten sie kühl. "Der größte, furchterregendste Schwarzhändler am Colaba Causeway nennt sich Trixter - alberner Name, ich weiß - und mit ihm war ich von Anfang an nicht gut Kirschen essen." Er hob einen Zeigefinger hoch. "Allerdings haben wir beide ein Abkommen geschlossen: Sollte ich es jemals schaffen, aus diesem vorzeitlichen Kaff verschwinden, werde ich seine Schulden unter seinem Namen beim wertvollsten Goldhandel der Welt abbezahlen: Auf dem Grand Capallist von Feű, Konstellation Orora!"
River kannte den Planeten Feű und seine hochmodernen, in den schimmrig violetten Himmel ragenden Wolkenkratzer bereits, jedoch blieb ihr ein längerer Besuch darauf verwehrt, da nur ungeheuer reiche Lebensformen mit vollen Taschen dort verkehrten. Sie konnte sich vorstellen, dass sich aus ihrem Bekanntenkreis nur Dorium Maldovar einen tagelangen Aufenthalt gönnen könnte (wenn er den Chameur raushängen ließ).
"Auf jeden Fall ist das zwischen mir und Trixter beschlossene Sache, Hand auf Hand", beendete der Hybride seine Vorlesung und kratzte sich das kurze Ziegenbärtchen.
"Hand auf Hand?", wiederholte Clara und zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
"Man nennst es auch das Gesetz der Räuber", erklärte River ihr, "Du gibst und nimmst gleichzeitig, dafür muss dein Gegenüber das ebenso tun, sonst gilt der Pakt nicht." Der bedachte Blick der Archäologin lastete auf Murray, welcher sich der Steuerkonsole zuwandte und ungelenk an einigen Hebeln zog. "Dabei muss derjenige, der mehr besitzt oder gesellschaftlich einen höheren Rang genießt als du selbst, die Bedingung bestimmen und anschließend mit einem speziellen Händedruck bestätigen - deshalb nennt man es Hand auf Hand."
"Also so 'ne Art Tauschgeschäft, nur unter Dieben?", fragte Clara stirnrunzelnd, "Verstehe."
"In Trixters darf man sich nicht allzu zuversichtlich fühlen", mischte sich Murray finster ein und umkreiste die Hauptsteuerung, versuchte vergeblich so zu agieren, als würde er verstehen, was er da machte (was natürlich nicht der Fall war), "Die Schlüsse, welche er zu ziehen versteht, bleiben im Dunkeln. Darum wird er auch von so vielen Leuten in Britisch-Indien gefürchtet."
Die Archäologin schaute ihn alamiert an. "Bedeutet das etwa, dass der Doctor und seine Begleiter in potentieller Gefahr schweben könnten?", feuerte sie den Dieb an und trat so nah an ihn heran, dass sie sich nun Nase an Nase gegenüber standen, "Dass ihnen irgendwas Schlimmes zugestoßen sein könnte?"
Der Räuberkönig schwieg.
"Antworte mir!", fuhr sie ihn so entzürnt an, dass er ein wenig zusammenzuckte.
"Möglich", entgegnete er gleichgültig.
"Möglich?"
Sein Augenverdrehen regte sie nur noch mehr auf. "Ich bitte dich, Trixter wird sie schon nicht über glühende Kohlen jagen", beschwichtigte er und hob die Schultern, "Und überhaupt, wer soll der eine Hosenmatz denn eigentlich sein?"
"Er ist mein Mann", stellte River scharf klar.
Die TARDIS gab zustimmendes Gerummel von sich.
Murray blieb für einen Moment still, das bronzefarbene Lichtspiel des Konsolenraums flackerte über seine schmalen, ausdruckslosen Pupillen wie ein Sonnenuntergang. Dann wandte er sich ab.
"Such dir 'n neuen", riet er ihr gleichgültig und schlich um eine einmeterhohe, goldene Buddha-Statue, die unter den Steuerelemten platziert wurde, "Vertrau mir, da draußen gibt es Hunderte von Männern und Frauen, die ihren letzten Notgroschen hergeben würden, um nur dein Parfüm einzuatmen. Und wenn du meine Meinung wissen willst, der Kerl scheint mir nicht nach deinem Geschmack zu sein."
Nun platzte River endgültig der Kragen. "Wo hast du seit dem Stormcage dein Gewissen gelassen?!", keifte sie wutentbrannt und funkelte ihn durch den aquamarinblauen Glas-Zylinder an.
Der Hybirde kräuselte verschmitzt die Lippen. "Sowas hatte ich nie", entgegnete er simpel, "Und ich bezweifle stark, dass es dir anders ergeht."
"Du bringst die TARDIS zurück, von wo du sie entwendet hast", beharrte die Archäologin standhaft, "Danach wirst du dich beim Doctor und seinen beiden Begleitern entschuldigen, sobald wir sie unversehrt aufgespürt haben."
Dem Räuberkönig entfuht ein halbherziges, dennoch amüsiertes Schnurren und tapste vor ihre Füße. "Verzeih, falls sich das verlogen anhört, aber seit wann denkst du, dass du irgendwelche Befehlsgewalt über mich besäßest?"
"Das kann ich dir gut beantworten", grollte der Lockenkopf düster und ragte vor ihm auf wie eine gewaltige Steinmauer, "Seitdem du deinen ersten Schritt über diese Türschwelle gemacht und dir die TARDIS angeeignet hast, mit dem Gedanken, du allein könntest sie besitzen und damit sorglos Ali Baba spielen. Der Doctor würde gnädig über sich urteilen, aber du solltest gewarnt sein, Freundchen." Jetzt lehnte sie sich so weit nach vorne, dass ihr Atem sein Gesicht streifte. "Wenn du dich weiterhin weigern willst, sie zurückzugeben, dann lernst du mich von meiner übelsten Seite kennen."
Anspannung knisterte wie eine Wunderkerze in der Luft, und die alten Bekannten starrten sich gegenseitig eine schiere Ewigkeit unbarmherzig in die Augen. River würde keinerlei Reue verspüren, sollte sie ihre Drohung wahrmachen. Ihr Gatte kam für sie, egal unter welchen Bedingungen, immer an erste Stelle gerückt, und daran würde auch eine vergangene Freundschaft nichts ändern können.
Ein Räuspern unterbrach die Stille zwischen ihnen.
"Entschuldigt, wenn ich mich kurz in eure vertraute Konversation einmische", schnitt Clara sich mit einem schüchternen Lächeln ein, "Aber da euch zwei die Situation offensichtlich überfordert, schlage ich vor, dass ihr einen Kompromiss findet, mit dem du", sie deutete auf Murray, "ohne TARDIS durch die Zeit reisen kannst und wir dafür den Doctor und seine jeweiligen Begleiter suchen können. Und so egoistisch das Folgene jetzt auch klingen mag, muss ich es einfach loswerden." Die Lehrerin holte tief Luft. "Aber da draußen um die Ecke gibt es ein Café, in dem ein Mann sitzt, mit dem ich heute zu meinem ersten Date seit Langem verabredet bin, und er wird sich wahrscheinlich schon fragen, wo zur Hölle ich eigentlich abgeblieben bin. Können wir also bitte eine Lösung finden und das wie vernünftige Erwachsene ausdiskutieren?"
Erst nach ihrem Vortrag bemerkte River verwundert, dass Clara ziemlich gereizt wirkte: Einige ihrer braunen Haarsträhnen hatten sich aus ihrer ordentlichen Steckfrisur gelöst und hingen nun wirr in der Luft, ihre Stimme hörte sich ein wenig schrill an und die Finger der Brünetten fidelten ungeduldig vor sich hin. Eine Woge des Mitgefühls überschwappte die Archäologin. Hätte ich sie doch nicht zu diesem blöden Date überredet, dachte sie reuevoll und schielte vorwurfsvoll zu Murray hinüber, Diese Tanzeinlage und unser Streit müssen sie ganz schön überfordet haben.
Doch der selbsternannte Räuberkönig schien ihr Problem nicht besonders ernst zu nehmen. "Schätzchen, wir stehen hier in einer Zeitmaschine", erinnerte er sie Augen verdrehend, "Das musst du wohl vergessen haben, denn sonst würdest du dir nicht über solche Lapalien dein kleines Köpfchen zerbrechen."
Clara öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber bevor sich ein weiterer Streit anbraute, legte River ihr besänftigend eine Hand auf die warme Schulter. "Keine Sorge, wir werden das unter uns klären", versicherte sie der Lehrerin.
"Unter vier Augen", fügte Murray mit einem plötzlichen Misstrauen im Unterton hinzu.
Wortlos nickte Clara und ließ sich mit einem unterdrückten Stöhnen der Ungeduld auf den TARDIS-Sitz nieder, auf welchem ein Gemälde von Gustav Klimt sich an den Saum lehnte.
Der Räuberkönig, in seiner üblichen Natur starrköpfig und unverwüstlich, schraubte an einigen Elementen der Steuerkonsole herum, und zuckte zusammen, als das Raumschiff auf einmal aufquietschte und grollte. Geübt hantierte River an einer Kurbel, welche die Innenmatrix der Zwischendimension synchronisiert. Anerkennend zuckte der Dieb mit den Ohren, die Lippen zu einem Schmunzeln gekräuselt.
"Hör mal, Löckchen", versuchte er einsichtlich, eine vernünftiges Unterhaltung zu beginnen, und drehte sich zu ihr, "Ich muss gestehen, dass deine Wut auf mich durchaus begründet ist, und dass ich vermutlich kein einfach gestrickter Handelspartner oder Freund bin." Der Hybride faltete die Hände und ließ die spitz gefeilten Krallen über seine knochigen Finger gleiten. "Jedoch wäre es nicht allzu abwegig, sich an einen Tisch zu setzen und sich bei einer heißen Tasse Tee über all die Probleme des heutigen Tages auszureden." Murrays Stimme senkte sich zu einem neckischen Flüstern. "Und ich könnte sogar ein paar Croissants für deine herrische, dafür attraktive Freundin da auftreiben, hm?"
Clara, welche sich inzwischen die hohen, schwarzen Pumps ausgezogen und hin ihrer Hand baumeln ließ, bekam Wind von diesem Kommentar und funkelte ihn boshaft an, wodurch sie noch ungemütlicher und unglücklich wirkte als schon zuvor.
"Äh he he, entschuldige", winkte der Dieb in ihre Richtung und erkannte, dass er die Brünette recht taktlos behandelt hatte, und wandte sich wieder River zu. "Jedenfalls gehörst du zu den wenigen Personen in meinem Bekanntenkreis - zu den einzigen beiden Weiblichen, wohlgemerkt -, die meine Lebensweise respektieren und nicht den üblen, feindseligen Straßenkater in mir sehen, wie sich die meisten Gesellschaftsebenen damit abtun. Deshalb möchte ich vermeiden, dass meine unmoralischen Angewohnheiten unsere Freundschaft zerstören, die mir nach wie vor viel bedeutet. Ich weiß weder, was während noch nach dem Unfall in dieser Bibliothek mit dir geschehen war, und du musst es mir auch nicht erzählen, wenn du nicht möchtest - alles, worum ich dich bitte, ist eine zweite Chance."
River nahm sich einen Moment lang Zeit, um den Räuberkönig eingehend zu betrachten. Seine Stimme war weich und ohne verschmitzten Tonfall, die Lippen zu einem hoffnungsvollem Lächeln verzogen, die Augen glänzten wie Bernsteine im trockenen Wüstensand. Etwas an seinem Friedensangebot regte die Archäologin zum Grübeln an. Na gut, er hatte einen unverzeihlichen Fehler begangen, indem er dem Doctor sein wichtigstes Hab und Gut vor der Nase weggeschnappt und damit zu allem Überfluss auf Raubzüge gegangen war. Und so gerne River ihm nochmals eine scheuern würde, sah sie ein, dass ein Neuanfang ihrer verschollenen Freundschaft einen gesunden Aufschub geben würde, nach all der vergangenen Zeit. Und außerdem führte es zu nichts, wenn sie ihn weiterhin für seine Verbrechen tadeln würde.
Einen langen Seufzer der Resignation ausstoßend, blickte der Lockenkopf den Räuberkönig nachgiebig an. "Also schön, du gewinnst."
Vor lauter Zufriedenheit lachte Murray auf. "Prima! Das freut mich ungeheuerlich, das kannst du mir glauben." Galant zog er einen Fez hinter seinem Rücken hervor, aus dem er einen frischen, saftig roten Apfel herausschöpfe. "Erlaube mir, dir hiermit meine zukünftige Kooperation zu zeigen." Ehrenbürtig überreichte er ihr die Frucht.
Skeptisch beäugte River den Apfel, dann nahm sie ihn zögernd entgegen. Er strahlte eine anziehende Farbe aus, und trotz seinem tiefem Rot hatte er natürliche Kerben und Grünspuren, wie jedes andere, normale Baumobst. Nachdem sie die Oberfläche mit dem Ärmel ihres Blazers abgewischt hatte, nahm sie einen genüsslichen Bissen, der süße Saft des Fruchtfleisches füllte ihren Gaumen aus.
"Ich habe mich selten gelangweilt, wenn wir uns im Stormcage unterhalten haben", redete Murray weiter und spielte mit seinen goldenen Mantelknöpfen, "So lange kennen wir uns nun schon, und da wir uns jetzt beide als freie Menschen bezeichnen dürfen - naja, gewissermaßen -, möchte ich dies feiern, indem ich aus uns reiche Leute mache: den Grand Capallist auf Feű auszurauben stellt sich als reines Kinderspiel heraus, wenn man ein Maschinenwerk wie dieses hier besitzt!" Entzückt klatschte er in die Hände, als er ihr vorschwärmte: "Die Straßen allesamt aus 100-karätigem Weißkristall gemeiselt, Schlösser und Paläste mit den wertvollsten Gold- und Silberrelikten aus der Geschichte des Universums, selbst die Bäume bestehen aus reiner Vulkanbronze..." Sehnsüchtig seufzte der Räuberkönig, die Augen wie eine Elster auf Rivers Collier gerichtet. "Schon bei den Beschreibungen läuft einem Gauner das Wasser im Mund zusammen." Enttäuscht sanken seine Schultern. "Doch wie du bereits sagtest, habe ich deinem Liebsten nahezu katastrophalen Ärger beschert, indem ich ganz unverschämt mit seinem Transportmittel davongebrettert bin. Ich hätte ihm ja liebend gerne mein wahres Vorhaben vornehmer dargelegt, aber du weißt schon, wer will schon auf Diebe hören?" Der Hybride lachte kläglich.
Interessiert runzelte River die Stirn. "Worauf willst du hinaus?"
"Hier kommst du dazu." Unternehmungslustig rieb sich Murray die Hände aneinander. "Ich brauche deine Hilfe, wenn ich in den Grand Capallist eindringen will, denn alleine schaffe ich das nicht. Als Gegenleistung wäre ich bereit, dich für den Rest deines Lebens in Ruhe zu lassen. Ich verspreche dir, dass ich deinem Männlein seinen Kasten zurückbringe, mich irgendwo als reicher Mann niederlassen werde und ich dich niemals mehr um einen Gefallen bitten werde."
Der Räuberkönig nahm ihre freie Hand in seine und schaute sie eindringlich an. "Alles, was ich von dir brauche, ist deine Genehmigung, die TARDIS nochmal zu benutzen, nur ein einziges Mal, und du musst meine Visage nie mehr wiedersehen, das schwöre ich beim Leben meiner Cousins."
Nachdenklich schluckte River ihren Apfelbissen runter. Sein Angebot klang verlockend, und der Grand Capallist auf Feű war wahrlich ein erstaunliches Erlebnis, sollte man in tatsächlich zu Gesicht bekommen. Natürlich würde die Archäologin nie von ihm verlangen, sich von ihr fernzuhalten - solange er sein Versprechen hielt und dem Doctor die TARDIS aushändigte, würde sie ihn mit einem blauen Auge davonkommen lassen.
"Und? Was meinst du?" Grinsend hob Murray seine von Ringen besetzte Hand. "Haben wir einen Deal?"
Nach einem kurzen Moment des Zögerns nickte River langsam und sie vollführten den inoffiziellen Räuberhandschlag für feste Geschäfte: Einmal jede Seite drücken, und anschließend über die Handfläche streichen. "Wir haben einen Deal."
Clara, noch immer im Sitz eingesunken, japste verwundert nach Luft. "Was?"
"Großartig!", freute sich der Räuberkönig und zog sie in eine kurze, enge Umarmung. "Ich danke dir so sehr! Du machst mich zum glücklichsten Landstreicher der Welt!"
"Gut, gut", beruhigte der Lockenkopf seinen Enthusiasmus und schob ihn sachte weg, um ihn ernst anzublicken, "Aber bevor wir zur Tat schreiten, wirst du mir die TARDIS-Schlüssel überlassen, und zwar alle, ist das klar?"
"Kristallklar", versicherte Murray ihr mit einem Zungenschnalzen.
"Du machst keinen Scherz?" Clara erhob sich auf die nackten Füße unf starrte River entgeistert an. "Du möchtest ihm ehrlich bei einem Überfall helfen?!"
"Es ist ein Deal." Der Archäologin gefiel es zwar garnicht, ihre neue Freundin anlügen zu müssen, jedoch musste sie einen Plan schmieden, um ihren alten Freund im Zaum zu halten. "Wenn ich ihn brechen würde, hat sich auch sein Teil der Abmachung erledigt."
"Ganz recht", pflichtete der Räuberkönig bei und nahm eine kühne Pose ein, "Der Pakt gilt, ungebrochen, unbestritten, unverzichtbar."
"Du brauchst einen todsicheren Plan, wenn du dir ernsthaft vornimmst, den Grand Capallist zu stürmen", wies River ihn zurecht und nahm noch einen Bissen vom Apfel, nachdem sie hinzufügte: "Der Hauptkongress der Innenstadt wird von einer qualifizierten Brigarde aus zweitausend Männern 24 Stunden lang bewacht, die allesamt bis an die Zähne bewaffnet und in jeder existenten Kampfsportart ausgebildet sind. Vom technischen Fortschritt ihrer aufgemotzten Kanonen mal ganz zu schweigen... Du würdest sicherlich kein Ticket bekommen, dass du auch nur einen Zeh auf die Oberfläche dieses Planeten setzen dürftest."
Murray nickte wissend. "Während meine Einzelhaft im Stormcage zuneige ging, habe ich mir genügend Zeit genommen, um die Katakomben und Untergründe von Feű genauestens zu studieren, und inzwischen kann ich jede Abbiegung auswendig benennen. Einer meiner ältesten Bekannten kennt sich nämlich in Kartenlesen so gut aus wie kein Anderer."
"Das freut mich für dich", erwiderte die Archäologin und zog zweifelhaft die Augenbrauen zusammen, "Doch Katakomben hin oder her, ich glaube nicht, dass der vorsitzende Präsident des Oberkongresses die Untergründe seines Planeten unbewacht zurücklassen würde. Sogar die Daleks hätten theoretisch ihre Schwierigkeiten, zum Kern der Hauptstadt vorzudringen. Wie möchtest du also, mein Lieber, als Einzelgänger den gesamten Grand Capallist beklauen?"
Auf den Lippen des Räuberkönigs bildete sich dieses schmale, selbstgefällige Lächeln, welches River ungemein beunruhigt stimmte. "Bewundernswert, wie du auf jedes Detail zu achten verstehst, Löckchen", lobte er geschmeidig, "Jedoch würde man mich nicht mit diesem Titel verbinden, wäre ich nicht die Sorte von Dieb, die sich wie ein Schatten fortbewegt und dir Schuhe und Socken ausziehen könnte, ohne, dass du Wind davon bekämst. Um die Wachen brauche ich mich nicht groß zu sorgen..." Ein diabolisches Funkeln blitzte in seinen Bernsteinaugen auf. "Ich benötige nur einen Spritzer vom Gift der Schneewitchen-Krauts auf Toxxis, um eine Person pro Portion für einen Tag auszuknocken."
River versteinerte sich, doch als sie plötzlich begriff, war es bereits zu spät.
"Man kann dieses Gift angeblich in so etwas Unscheinbares wie einen Apfel schmuggeln, und das jeweilige Opfer würde es garnicht bemerken."
Die zu einem Drittel angebissene Frucht fiel mit einem stummen Geräusch auf den Glasboden der TARDIS, als sich ein pochendes Geschwür der Taubheit sich in Rivers Arm ausbreitete, dann in den anderen Arm, bis sie schließlich jegliches Gefühl in ihrem gesamten Körper verlor und sie begann, hilflos im Stand zu wanken.
"Du-", wollte der Lockenkopf den Dieb anschreien, bis ihre Kiefernmuskeln ihren Dienst vertagten und sie, ohne die Nerven ihrer Gehirnströme kontrollierem zu können, dem Apfel auf den Boden folgte und mit einem dumpfen Aufprall dort landete. Es überraschte River nicht sonderlich, dass sie keine Schmerzen bei diesem Sturz empfand, da eine prägnante Eigenschaft des Schneewitchen-Krauts die zeitbegrenzte Lähmung sämtlicher Muskeln in biologischen Körpern war. Dafür blieben ihre restlichen Sinne glücklicherweise erhalten: Augen und Ohren funktionierten noch einwandfrei, ihr Gehirn konnte noch klar denken und die Wahrnehmung der Archäologin blieb uneingeschränkt - nur die Fähigkeit zu sprechen wurde ihr genommen, da sie den Mund wortwörtlich nicht aufbekam.
Da lag River nun, unfähig sich zu bewegen, von der sonst so vertrauten Stärke in ihren Gliedern verlassen, und starrte die von Schläuchen benetzte Decke des Konsolenraums an.
Das Tocken von Stiefelabsätzen verriet ihr, dass Murray sich näherte. Der Räuberkönig trat in ihr Blickfeld und lächelte unschuldig auf die betäubte Archäologin hinunter.
"Hoffentlich liegst du bequem, Prinzessin", meinte er mit betont freundlicher Stimme und hob den vergifteten Apfel vom Boden auf. Ein belustigter Ausdruck huschte über seine Miene. "Ich kann mir nur allzu gut vorstellen, dass du den Boden hier nicht zum ersten Mal auf deinem Rücken spürst..."
Kalter Zorn keimte in River auf wie in einem Hochdruck-Heizkessel, und obwohl sie sich nicht bewegen oder reden konnte, stellte sie sich bildlich vor, dieser hinterlistigen Gans eine Faust ins Gesicht zu jagen.
'Arschloch!', fluchte die Archäologin ihn gedanklich an, doch als sie ihre Faust ballen wollte, lag ihre Hand immer noch offen da.
Eine geschockte Stimme kiekste auf. "River!" Schritte tapsten eilends zu ihr. Ihr Herz krampfte mitfühlend zusammen, als sich Clara besorgt über sie beugte und ihre Wangen in ihre kleinen, zarten Hände nahm. Die runden, braunen Augen der Lehrerin wurden glasig. "River, hörst du mich? Geht's dir gut?"
River konnte zur Antwort nur blinzeln. Zu gerne hätte sie ihr versichert, dass ihr kein tödliches Gift eingeflöst wurde, doch bei dem Versuch, ein Wort herauszubringen, kam nur ein heiserer, kaum vernehmbarer Piepslaut über ihre tauben Lippen.
"Verschwende nicht deine Zeit, Zuckerstück", ertönte Murrays ungerührte Bemerkung von etwas weiter hinter der Steuerkonsole, "Ich hab' sie schon nicht umgebracht. So grausam bin ich nun wieder auch nicht."
Wutentbrannt fuhr Clara hoch und kam bedrohlich nahe auf ihn zu. "Was hast du ihr angetan?!", stellte sie den Räuberkönig lautstark zur Rede, und River wurde ganz sentimental, denn es war lange her, dass sich jemand so für ihr eigenes Wohl einsetzte.
"Passt du denn nie auf?", grollte der unbeeindruckte Hybride gelangweilt, "Ich hab' sie mit der klassischen Schneewittchen-Falle betäubt: Ein wenig Gift in ein Gericht, und schon wird dein Gegner unfähig gemacht. Sehr hilfreich bei Einbrüchen - und missglückten Dates."
"Und dabei hattest du sie vorhin so großspurig als deine allerbeste Freundin bezeichnet, ihr sogar geschworen, sie nicht zu hintergehen!"
Murray musterte die aufgebrachte Lehrerin kühl. "Regel Nummer Eins im Kreis der Diebe: Verwette nie dein Leben auf das Versprechen eines Lügners." Er rüttelte ungelenk an einigen Monturen, die River aus ihrem Blickwinkel nicht benennen konnte. "Regel Nummer Zwei: Einen Lügner kannst du nicht anlügen. Mal im Ernst, Lockenköpfchen hätte mir in millionen Jahren nicht den Kasten ihres besten Liebhabers geliehen, nicht eine Sekunde lang." Bitterkeit lag in seiner Stimme. "Und ich dachte einst tatsächlich, an unserer Freundschaft würde dir mehr liegen..."
Tut es doch auch, Idiot!, wollte die außer Gefecht gesetzte Archäologin ihm zurufen, wenn sie doch nur ihre Lippen bewegen könnte, Ich will dir doch nur den Hintern retten, bevor du erneut etwas Dummes, Unüberlegtes unternimmst, das der gesamten Realität schaden würde!
Plötzlich ratterte der Boden, und River lief, trotz der hartnäckigen Taubheit in ihren Muskeln und Nerven, ein Schauder über den Nacken. Die TARDIS meldete sich kühn zu Wort, indem sie ein gurgelndes, lang gezogenes Quietschen von sich gab, dass den Raum erfüllte und wie ein Echo zurückhallte. Ein stechendes Gefühl des Mitleids schlug in der Professorin ein wie ein Steinbruch. Die Raum-Zeitmaschine ging wahrscheinlich gerade durch fürchterliche Schmerzen, da sie vom Doctor getrennt und von einem Wildfremden gesteuert wurde, der nicht den leisesten Schimmer hatte, wie man sie flog.
Murray und Clara riss es fast vom Stand, als die TARDIS erbebte. Ein Laut der Überraschung entfuhr dem Räuberkönig, und er warf ein Schimpfwort auf Hindi durch die Luft.
"Was ist denn auf einmal los mit dir?", fragte er verärgert und stieß die Steuerkonsole mit der flachen Hand an - eine Geste, welche River überhaupt nicht billigte, "Leidest du etwa neuerdings an Magenkrämpfen?"
Clara, die sich noch rechtzeitig an einem Hebel festklammern konnte, fand ihr Gleichgewicht wieder und funkelte Murray böse an. "Eins kann ich dir sagen, Mister: Du wirst nirgendwo hingehen, schon garnicht mit der TARDIS, ja?", befahl sie mit ihrem stärksten Keine-Verweigerung-gestattet-Ton, "Zuerst wirst du ein Gegenmittel suchen, um River zu kurieren, danach werden wir den Doctor suchen und ihm das zurückgeben, was du ihm weggenommen hast, und zwar sofort!"
Murray, ein Meister darin, ein undurchschaubares Pokerface zu ziehen, betrachtete Clara ohne Enthusiasmus, schloss die Augen und seufzte lang und resigniert, den Rücken an die Konsolenelemente gelehnt. "Nur, dass das klar ist: Ich werde die Kiste nicht ewig behalten. Ich werde Löckchen auch nicht ewig am Boden verwesen lassen - dazu bräuchte ich jedes Schneewittchen-Kraut im Universum. Ich erledige meine Angelegenheiten in meiner Reihenfolge, so wie ich auf Feű gelandet bin." River wunderte sich über die unterschwellige Entschlossenheit in seiner Stimme, und wie sturköpfig er sein Ziel verfolgte. So voller Willensstärke hatte die Archäologin ihren alten Freund noch nie erlebt. Unter all ihrem heutigen Ärger schwoll ein winziger Funken Stolz in ihrer Brust an, da der sonst so leichtsinnige Räuberkönig endlich gelernt hatte, füt seine Taten einzustehen.
Einen spöttischen Gesichtsausdruck ziehend, streichelte Murray mit dem Finger über das runde Kinn der brünetten Lehrerin. "Genau genommen, steuere ich dieses Schiff, deshalb müsstest du mich eigentlich Captain nennen."
So schnell der Stolz gekommen war, verschwand er wieder aus Rivers Gefühlswelt.
Okay, er war noch immer ein arroganter Weiberheld.
Offensichtlich angewidert schlug Clara seine Hand weg. "Du bist einfach nur abartig", sagte sie ihm mit zusammen gezogenen Augenbrauen.
Die fehlgeschlagene Anmache bereuend, rollte Murray mit den Augen. "Du bist wirklich nicht die erste Person, die so über mich denkt."
Er wollte sich wieder der Steuerkonsole zuwenden, aber so leicht ließ das unmögliche Mädchen ihn nicht davonkommen. River lächelte innerlich.
"Du weißt ja noch nicht mal, wie man sie fliegt!", beteuerte sie leise, und reckte ihren Kopf so nach vorne, dass er auf seiner flach geformten Schulter lag - ihre Stimme wurde tief und lüstern, während sie seine Hand ergriff, "Ich kenne sie schon so viel länger als du. Lass mich ans Steuer, Captain, und ich bringe dich zu diesem Capalli-dings, dann könnten wir beide uns niederlegen und ein wenig... entspannen."
Sie will ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen, erkannte River in Gedanken und wollte grinsen, Weiter so, Kleines!
Doch Murray schmunzelte nur abfällig. "Netter Versuch", lobte er sie trocken, "Aber erstens: Der Ort, wo ich hinmöchte, heißt der Grand Capallist"- Er sprach den Namen laut und deutlich aus, als wäre Clara begriffstutzig. "Zweitens hab' ich Grips genug, um das Ding allein dorthin zu navigieren. Rate mal, aus wessen Tagebuch ich die Anleitung für die Koordinaten-Eingabe finden konnte."
Reflexartig ballte River ihre Faust. Das hast du nicht gewagt!!
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, schielte der Räuberkönig auf sie herab. "Du hast nachts einen ziemlich festen Schlaf. Außerdem warst du nicht die Einzige, die gerne aus dem Stormcage rein- und rausgeht."
Der Lockenkopf wäre ihm am liebsten an die Kehle gesprungen, dafür, dass er die Frechheit besaß, ihr Heiligtum zu durchwühlen, würde ihr Rücken nicht so steif wie ein Brett auf dem durchsichtigen Glasboden liegen.
Augenblick - sie konnte ihren Rücken spüren?
River blickte verblüfft auf ihre Hand, welche zur Faust geballt neben ihr ruhte. Konzentriert versuchte ihr Gehirn, einen Befehl an die Nerven in ihren Fingern zu senden. Bewegt euch.
Ihre Faust öffnete sich vorsichtig. Leise kiekste die Archäologin erfreut auf. Die Betäubung des Schneewittchen-Krauts verlor langsam ihre Wirkung!
"Drittens", fuhr Murray fort, der nichts von ihrem kleinen Triumphmoment mitbekommen hatte, "Deine Flirtkenntnisse sind genauso schäbig wie deine Tanzkünste."
Empört riss Clara den Mund auf und es sah danach aus, als ob sie ihm eine Backpfeife in sein schneidiges Gesicht jagen wollte.
River hob leicht den Kopf und schaute auf ihre Beine, welche noch regungslos in Jeans gekleidet ruhten.
Na los, wir schaffen das, spornte sie sich feurig an, Bewegt euch, bewegt euch!
Wie bei einem Kerzendocht, den man mit einem Streichholz anzündete, kehrte das Gefühl in ihre Adern zurück. Ihr großer Zeh zuckte, anschließend ihr linker Fuß, danach ihr gesamtes Bein, und so ging es auch ihrer rechten Seite.
Ja! Gut so! Nur noch ein bisschen!
Murray schlich bedacht um Clara, und stellte sich vor sie hin, sodass er River den rot bemantelten Rücken zudrehte. "Und so charmant und niedlich du auch sein magst, meine Teuerste", flüsterte er verwegen, "Es gibt nun keine Person mehr in dieser Galaxie, die den Versuch wagen würde, mich aufzuhalten."
"Keine, abgesehen von mir!"
Brennende Energie rauschte durch ihren ganzen Körper und in einer einzigen Bewegung schwang sich River in den Stand, und nahm den Räuberkönig erbarmungslos in den Schwitzkasten. Geschockt quietschte Murray auf und wollte sich aus ihrem Eisengriff herauswinden, doch die Archäologin ließ nicht locker und krallte ihre starken Hände wie Klauen um seine schlanken Handgelenke.
Clara japste überrascht auf. "River!"
Verbissen starrte der verständnislose Hybride sie über die Schulter an. "Aber wie hast du..."
"...die Wirkung des Gifts rückgängig machen können?", brachte River seinen Satz verschmitzt lächelnd zuende, und wunderte sich über den festen, rauen Klang ihrer Stimme, "Garnicht. Ich musste nur lange genug warten, bis das Schneewittchen-Kraut seinen Taubheits-Effekt verlor. Du hast dich wohl mit der Menge verschätzt, mein Freund." Der Lockenkopf funkelte ihn überheblich an. "Wenn du ernsthaft glaubst, eine Prise dieses Gifts wäre dazu fähig, jeden Soldaten der Feű-Armee stundenlang auszuschalten, dann kannst du dir deinen Plan aber schön in die Haare schmieren."
"Sagen wir, ich hätte gehofft, dass es klappt", grummelte Murray finster und scharrte beleidigt mit den Stiefeln über den Glasboden, "Jedoch musst du mich wie immer eines Besseren belehren, Löckchen."
"Korrekt", grinste River siegreich, während sie ihn mithilfe ihrer silbernen Stahlhandschellen seelenruhig gefangen nahm.
Clara trat ein paar Schritte näher. "Ich bin froh, dass es dir gut geht, aber woher hast du denn auf einmal diese Handschellen her?", fragte die aufgestylte Lehrerin verdutzt.
Das Grinsen der Archäologin wurde breiter. "Spoiler."
Offenbar hatte Clara nicht vor, in diesem Themengebiet weiter nachzubohren, und nickte einfach. "Und was stellen wir jetzt mit ihm an?", fragte sie stattdessen und musterte Murray skeptisch, welcher das Kinn schweigend auf die Brust gesenkt hatte, "Sperren wir ihn weg, oder bringen wir ihn in dieses Stormcage zurück?"
River schüttelte den Kopf. "Das hätte keinen Sinn, der Gute wurde ja vor einiger Zeit schon entlassen", meinte sie grübelnd, "Obwohl man ihn wegen schwerwiegenden Diebstahls einer Zeitkapsel und dem ganzen anderen Kram, den er sich angeschafft hat, mit Freuden wieder aufnehmen würde. Aber diesmal will ich Gnade über dir walten lassen, verstanden?" Ihre Worte richteten sich direkt an den geschlagenen Räuberkönig, den sie unablässig in der Mangel hielt. "Ich werde schauen, wohin es dich diesmal verschleppt, und danach werden wir miteinander reden wie zwei vernünftige Menschen. Da gibt es nämlich etwas, das ich von dir wissen muss."
Wenn es tatsächlich stimmte, dass ein Kopfgeld auf Murray ausgesetzt wurde, dann musste River unbedingt herausfinden, wer dafür verantwortlich war. Dieser Jemand besaß nämlich einen beunruhigend mächtigen Einfluss auf das Schicksal des Universums, das spürte die Archäologin bis in ihre gelockten Haarspitzen. Je mehr sie über ihren neuen, korrupten Gegenspieler wusste, umso schneller würde sie in der Lage sein, ihn zu ermitteln und zu konfrontieren.
Und danach, fügte River gedanklich hinzu und fühlte ein sehnsüchtiges Kribbeln in ihren Fingerkuppen, finde ich vielleicht zu dir zurück, Doctor.
Nach einem Moment der Stille hob Murray das Kinn wieder, sodass sein ungestümes, sandbraunes Igelhaar den Kragen seines Mantels streifte. "In jeder anderen Situation hätte ich eine Verabredung zum Plaudern nie ausgeschlagen", murmelte der Räuberkönig leise, und River hätte schwer behauptet, ein röchelndes, schelmisches Lachen in seinem Unterton vernommen zu haben, "Denn wie du bereits erwähnt hattest, meine Teure, sollte man eine Sache meiner Wenigkeit wegen niemals außer Acht lassen."
Urplötzlich fuhr der Hybride zu ihr um, und bevor die Archäologin irgendwie reagieren konnte, stieß sie einen kieksigen, hohen Schmerzschrei aus: Murray rammte ihr seinen Ellbogen in die Magengrube - in haargenau jene Schnittwunde, welche River so mühevoll zum Heilen zwang - und brachte sie dazu, hustend auf die Knie zu sacken. Energisch biss sie die Zähne zusammen, versuchend, die brennende Pein zu verdrängen. Zwei kleine Hände hakten sich untet ihre Schultern: Clara war flink zu ihr geeilt und stützte River nun beim wackeligen Aufstehen.
Hektisch überflog der Lockenkopf den Konsolenraum, auf der Suche nach einem Paar bernsteingelben Augen. Wohin war Murray verschwunden?
Schließlich erhaschte sie den Rücken einer schlanken Gestalt auf der obersten Stufe einer Treppe, die sich geschmeidig die Handschellen von den dürren Handgelenken abstreifte, als würde er auf einem Junggesellinnenabschied den Polizistin spielen.
"Ich bin kein sonderlich vertrauenswürdiges Wesen", beendete der Räuberkönig seinen Satz und ließ die silbernen Ketten klirrend zu Boden rasseln, danach spähte er die beiden Damen über die Schulter an und lächelte ungehalten. Dieses verdammte, zwiellichtige Lächeln des gewieftesten Diebes im Universum... "Und solltest du jemals die hier wiederhaben wollen," - River japste beinahe laut auf, als Murray eine Hand hob, zwischen dessen Fingern er drei identische, bronzefarbene Schlüssel hielt. - "dann rate ich dir: Gib Gas, denn so leicht werde ich es dir nicht machen, teuerste Freundin."
Kaum hatte er die letzten Worte gezischt, wirbelte der Hybride davon und wurde vom Schatten der dahinter liegenden Räume verschluckt.
River konnte es einfach nicht begreifen: Der Räuberkönig hatte sie soeben zu einem Wettrennen im Inneren der TARDIS herausgefordert, ohne mit der Wimper zu zucken!
"Er versucht zu Flüchten!", rief Clara entsetzt und starrte ihm ungläubig nach.
Schnaubend krempelte die maßlos entzürnte Archäologin die Ärmel ihres nachtblauen Blazers hoch, die Miene verhärtet, all ihre vorher betäubten Muskeln strafften sich und pulsierten vor frischer Stärke.
"Weit wird er nicht kommen, Schätzchen", knurrte sie kalt, und sah in Claras braunen Augen dieselben entschlossenen Gefühle ihrer Selbst, und die Lehrerin nickte bestimmt. Ohne weitere Vorreden folgten die zwei Frauen Murray in die Dunkelheit, und River behielt den Blick erbarmungslos nach vorn gerichtet.
Wenn du denkst, du kennst die TARDIS besser als ich, dann träumst du bloß davon.
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⏳} TIMELESS ADVENTURES - The Chronicles Of The 11th Doctor {⌛
Fanfiction》Geronimo.《 Der Elfte Doctor wacht auf: In seiner TARDIS, die irgendwo im Zeit-Vortex feststeckt. Doch wie kann es sein, dass er, trotz seiner Regeneration in Trenzalore, wieder der Fliegen tragende, zerlumpte Mann ist? Um diese Frage zu beantworten...