KAPITEL 16 - Der Räuberkönig

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[Ashford Street, Coal Hill, Shoreditch, London, England, 21. Jänner 2015, 16:11]

Nanu?, dachte er sich mit vor Verblüffung geweiteten Augen, als die Innentüren der TARDIS völlig unerwartet von einer ihm fremden Frau aufgerissen wurden. Nicht, dass es dem Räuberkönig nicht gefallen würde, von einer weiblichen Person überrascht zu werden, ganz und garnicht störte ihn das. Jedoch kam es selten vor, dass jemand einfach so ungestüm in die azurblaue Polizei-Notrufzelle hineinpolterte- zumindest nicht, seitdem er sie sich vor wenigen Monaten gekrallt hatte. Ein Gedanke, der ihm immer wieder aufs Neue einen ordentlichen Schuss an Selbststolz schenkte.
Eigentlich ein wahrhaft reizendes Ding, dieses Mädel, musste der verschmitzte Dieb beim Anblick des Neuankömmlings zugeben. So kurze Beine hatte er lange nicht mehr an einem femininen Wesen gesehen, aber irgendwie machte sie einen niedlichen, unberührten Eindruck in diesem hochtaillierten, edelschwarzen Kleid aus Chiffon-Seide. Ziemlich gewagt zeigte die junge Frau die freie, nahezu makellose Porzellan-Haut an ihren Gliedmaßen, was dem Räuberkönig für seine tiefsten, unanständigsten Fantasien bereits genügte, um sie mit einer charmanten Bemerkung zu umgarnen.
"Du brauchst keine Angst vor mir zu haben", grinste der Hybride und kam ein paar Schritte näher auf sie zu, seine hohen Absätze hinterließen ein Echo in den bronze schimmernden Hülle des Kontrollraums, "Ich mag zwar ab und an mal ein böses Kätzchen sein, aber ich beiße nicht."
Die fremde, kleine Dame blinzelte ihn mit ihren (unfassbar schönen!) runden Dattelaugen an und trat mit ihren süßen Schleifchenpumps eine ungelenke Bewegung nach hinten an. Offenbar schien sie die aktuelle Situation noch zu verarbeiten.
Hatte sie wohl jemand anderes hier erhofft, aufzufinden? Vielleicht diesen Fliegen-Hirni, den langbeinigen Rotfuchs oder den Kerl mit dem Drei-Tage-Bart?
Jedenfalls wird dieses eigenartige Trio mich niemals aufspüren können, fügte der Räuberkönig gedanklich hinzu und lachte innerlich schadenfroh auf, Solange ich die Kontrolle über diese Zeitmaschine habe, werden mich keine Mauern und Grenzen stoppen können. Und auch keine wütenden Ex-Freundinnen.
"Wer sind Sie?", fragte die Fremde nun und musterte ihr Gegenüber nun verdächtigend von Kopf bis zum Zeh hinab, "Und was haben Sie hier verloren?"
Welch lieblicher Klang, diese glasklare Sopranstimme... Wenn sie ihm nicht so vorwurfsvolle Fragen gestellt hätte, würde sich der Klang der Dame in den ausgesprängten Ohren des Räuberkönigs wie eine Frühlingsmelodie anhören.
Statt zu antworten, setzte er nur seine ungezügelste Miene auf und streifte sich die goldenen Seitenknöpfe seines roten Mantels entlang. Jetzt setzte er alles auf den Verführungskünstler in seiner Seele, denn aus reichlicher Erfahrung vergangener Zeiten wusste der Hybride genauestens, an welchem Typ von Frau man mit welchen Interaktionen erweichen konnte.
Eine altbewehrte Übung, die sich Flirten nannte.
"Nichts weiter als nur ein bescheidener Reisender, der seine Geschäfte kundtun möchte", erklärte er im unschuldigsten Tonfall, den ein Mensch in solch einer Lage nur annehmen konnte (oder in seinem Fall, Katzenmensch, eben) und zuckte mit einer Braue, "Doch du solltest wissen, dass man in deinen Augen tatsächlich verloren gehen könnte, je länger ich in sie hineinblicke."
Die Angesprochene zuckte verwundert zurück und spielte mit den Fingerspitzen unbeständig am Saum ihres Kleides. Sie war gerade dabei, angestrengt zu überlegen.
Gut so, lobte sich der Räuberkönig selbst und klopfte sich in Gedanken anerkennend an die Brust, Bei Brünetten immer das Taktgefühl bewahren, dann klappt das schon.
"Sie scheinen sich bei mir einschleimen zu wollen", setzte die Frau nun erneut zum Sprechen an, doch diesmal fiel ihre Stimme ruhiger aus, bedachter, vorsichtiger, "Das ist neu, bisher hatte ich noch nie miterlebt, dass mir jemand mit schnalzigen Macho-Komplimenten den Zugang zu gewollten Antworten verwährt." Schmunzelnd verschränkte sie die Arme vor der nicht ganz so unbeschaulichen Oberweite und wirkte auf einmal ziemlich gelassen. "Billig, doch irgendwie auch lustig."
Ein unerwarteter Blitz der Scham schlug nach ihren Worten im Herzen des Diebes ein.
Verdammt, dachte er sich fluchend und kratzte sich mit den langen Fingernägeln am Haaransatz, Da habe ich eine mit Grips erwischt... Wie soll ich sie denn jetzt nur abwimmeln?
Okay, Komplimente machen funktionierte offenbar nicht bei ihr... Jetzt musste der Räuberkönig schnellstens eine neue Strategie anwenden.
Dumm stellen und direkt auf das Subjekt zugehen.
Eine Miene der puren Schuldlosigkeit annehmend, strichen seine Fingernägel durch seinen stacheligen Pony. "Tja, da hast du mich wohl durchschaut", gestand er reumütig und hob ertappt die Arme beiseite, "Ich mag vielleicht keinen so vertrauenswürdigen ersten Eindruck vermitteln, aber ich schwöre dir bei meinem Goldohrring," -Er berührte genanntes Schmuckstück mit den Fingerspitzen.- "dass meine Absichten rein und begründet offenliegen. Diese..." Die Hände verschränkt, stieß er eine der drei goldenen Kugeln von Verdoro vorsichtig mit dem Fuß aus seiner Nähe, das Objekt rollte dabei durch den Konsolenraum und schepperte sachte gegen die Steuerungs-Plattform in der Mitte. "...enorme Ausdehnung meiner Teilzeit-Behausung hinterlässt bei einem durchschnittlichen, geistigen Wesen eine besonders... wuchtige Reaktion, nicht wahr, Teuerste?"
Der Räuberkönig behielt die kurzbeinige Frau während seines umschwänglichen Monologes die ganze Zeit über in seinem Blickfeld- die mohnbraunen Augen fokusierten sich voll und ganz auf ihn, ihre Umgebung schien nicht einmal im Geringsten einen Einfluss auf sie aufzuwirken. Im Gegenteil, der Innenraum der "TARDIS" ließ sie völlig kalt, es wirkte fast so, als wäre sie vollständig dazu in der Lage, ihr Gegenüber gewissenhaft zu brüskieren.
Misstrauisch verengte der Dieb die Augen. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr, dachte er gründlich nach, Sie weiß genau, dass ich nicht hier sein darf. So einfach werde ich dich leider nicht entkommen lassen dürfen, Schnuckelchen.
Gezielt griff der Räuberkönig in seine Manteltasche und zog einen ausgefilzten Tennisball hervor und warf ihn mit einem eleganten Schuss nach hinten, wo er wie erhofft die Jukebox traf, welche er auf seinem Raunzug in einem 60-Jahre-Diner der Alten Erde hatte mitgehen lassen. Nach einem Moment klackte die Kasette und die Anfangstöne "Somebody To Love" von Queen hallten in herrlicher Retro-Qualität durch den Raum, erfüllten die Luft mit romantischer Atmosphäre.

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