KAPITEL 11 - Unter dem Boden [Teil 1]

91 5 1
                                    

[Chossila-Gewässer, Triskana, Untergrund von Liyuba, früher Vormittag, Kältezeit 1.267.931]
Schreiend fiel Amy in die Tiefe. Sie spürte, wie der enorme Gegenwind ihr langes, offenes Haar durchströmte. Die Arme und Beine hielt sie während des Falls weit auseinander gestreckt- hoffend, dass ihre Haltung die immense Geschwindigkeit etwas abbremsen würde.
Was es jedoch leider nicht tat.
Vor ganz genau einer Minute hatte Amy sich noch mit Rory und dem Doctor auf diesem seltsamen, finsteren Planeten befunden, der wie ausgestorben wirkte. Als sie sich danach näher ungesehen hatte, hatte sie am matschigen Boden einen glitzernden Gegenstand entdeckt: Eine Art Kristallkugel, deren rubinrote Farbe Amy wie einen Magneten angezogen hatte.
"Was ist das?", war das Letzte, was die Schottin zu ihren Jungs sagte, während sie sich dem Objekt vorsichtig nähern wollte. Doch kaum hatte sie ihre Finger darauf gelegt, hatte sich die Kugel prompt zu einem breiten Loch geformt, und bevor Amy irgendwie reagieren konnte, verlor sie das Gleichgewicht und stolperte hinein. Mit einem erschreckten Kieksen dann, zerrte die Schwerkraft sie mit einer unerbittlichen Kraft in die fiese Öffnung hinab.
"Amy!!", hatten Rory und der Doctor gerufen, und der Rothaarigen schmerzte das Herz, als sie daran dachte, wie die beiden Männer sie retten wollten. Mehr hatte Amy in der letzten Minute nicht mitbekommen- nicht einmal, ob einer ihrer Jungs ihr nachspringen konnte oder nicht.
Während die Schottin noch immer hinunter stürzte, sah sie seitlich von sich wuchernde Ranken, fremdartige Blätter und eine glitschige, walgrüne Masse, die sie nicht definieren konnte, rasend schnell an sich vorbeiziehen. Amy fühlte sich fast ein bisschen wie Alice im Wunderland- nur war deren Fall durch den Kaninchenbau sicherlich viel angenehmer...
Die Rothaarige schrie und fiel weiter, bis sie unter sich plötzlich einen rauschenden, kristallklar blauen Strom erhaschte.
Angst packte ihren Verstand wie eine grobe Hand.
Wasser! Sie würde gleich ertrinken!
Auf einer Skala von 1 bis 10, lagen ihre Chancen, nicht ins Gewässer zu krachen, bei 0,11 Prozent.
So ein Mist.
"Doctoooor!", jaulte Amy panisch- in der Hoffnung, dass irgendjemand ihre Rufe erhören würde.
Die Rothaarige dachte noch einmal ganz fest an ihre beiden Jungs, die immer für sie da waren, wenn sie in Gefahr geriet.
Danach schlug ihr Körper auf das kalte Nass und die aufeinander schlagenden Wellen verschluckten sie gänzlich.

Amy spürte, wie die schwindelnde Schwärze langsam ihre Augen verließ. Anstelle von tosenden Strömen fühlte sie feuchte Erde unter ihrem Rücken.
Na toll, dachte die Schottin sich resigniert, Das ist schon das zweite Mal heute, dass ich in Ohnmacht falle.
Mit ihren nassen Händen tastete Amy ihre neue Umgebung ab: Alles streifte feucht, erdig und ein wenig glitschig an ihren Fingerkuppen vorbei. Fast, als würde man auf Moorboden sitzen, nachdem es drei Tage lang durchgehend geregnet hatte. Dann ging ein Ruck durch ihren Körper und sie richtete sich schwungvoll auf.
"Rory?", rief Amy suchend, "Doctor? Seid ihr hier?"
Überrascht blinzelnd musterte die Rothaarige ihr Umfeld: Hinter sich hörte sie den Fluss rauschen, in welchen sie gerade gefallen war. Vor ihren Augen jedoch streckten sich fremdartige Pflanzen anmutig in die Höhe. Interessiert begutachtete Amy die kleineren Bäume um sich ein wenig genauer: Sie strotzten nur so vor Kraft und Energie, ihre Rinde besaß eine frische, dunkelbraune Farbe und von den Ästen hingen Blätter und Früchte in Hülle und Fülle. Das komplette Gegenteil zur Oberfläche, wo jeder Stamm knorrig und tot im sumpfigen Boden verweilte. Auch die anderen Pflanzen hier erschienen Amy viel bunter und blühender als dort, wo sie vorhin gewesen war.
Die Schottin versuchte mit wackeligen Bewegungen, sich auf beide Beine zu stellen- Warum hatte sie auch nur diese viel zu hohen Plateau-Schuhe anziehen müssen? Naja, wer hätte auch ahnen können, dass sie heute noch in einem nassforschen Wald auf einem fremden Planeten unterwegs sein würde?
"Doctor? Rory?", wiederholte die Rothaarige, diesmal lauter, "Hey, wo steckt ihr denn?"
Schließlich schaffte sie es doch, sich auf dem rutschigen Boden aufzurichten- natürlich musste sie sich vorher ihre Schuhe ausziehen und diese mit einer Hand herumtragen. Das erinnerte sie ziemlich an ihre alten Highshool-Zeiten...
Jetzt lief Amy nur in ihren schwarzen Socken über die Lichtung, suchte hinter Steinen, Bäumen und Gebüschen nach ihrem Ehemann und ihrem besten Freund. Vielleicht waren die beiden auch bewusstlos, genau wie sie selbst vorhin?
"Okay Jungs, wenn ihr euch irgendwo hier versteckt, um mich zu veräppeln, dann finde ich das echt nicht lustig!", drohte Amy nun, ihre Stimme nahm einen verärgerten Ton an, "Dann bin ich wirklich sauer auf euch!"
Doch es folgten keine Antworten auf ihre Worte. Natürlich nicht, warum sollten die beiden Männer auch so etwas tun, in solch einer Lage? Außer dem Plätschern des Flusses gab es hier kein weiteres Geräusch.
Im Herzen der Schottin breitete sich ein unruhiges Gefühl aus. Ging es ihren Jungs wohl gut? Waren sie schwer verletzt? Oder gar ertrunken? Oder konnten sie Amy doch nicht durch das so plötzlich erschienene Loch folgen?
Die Rothaarige merkte, dass sie leise wimmern musste. Sie hasste es, allein zu sein.
"Hallo?", schrie Amy unsicher in alle Richtungen, "Ist irgendwer da?"
Wieder keine Antwort.
Bemüht darum, ihre Verzweiflung zu bekämpfen, sank sie unter einem Baum zusammen, dabei ließ sie ihre beiden Schuhe achtlos neben sich liegen. Aber wen kümmerten sie schon diese blöden Stolper-Absätze, wenn Amy weder Rory noch den Doctor fand?
"Wo seid ihr nur?", fragte sie sich selbst und spürte, wie ihr zunehmend nach Heulen zumute war. Kleine Tränen drohten, in ihren Augen hochzusteigen und über ihre Wangen zu rinnen...
Nein, Amelia!, dachte sie nun fest und blickte entschlossen nach vorne, Du bist kein kleines Mädchen mehr, dass darauf warten muss, um gerettet zu werden- du rettest dich und deine Jungs schon selbst! Außerdem ist das wirklich nicht das erste Mal, dass du an einem verrückten Ort landest...
So richtete sich Amy wieder auf und entschied, dass zu tun, was Amelia Jessica Pond machen würde, wenn sie in solchen Situationen weiterkommen wollte: Erst einmal die Gegend unter die Lupe nehmen.
Mit Adleraugen durchforschte sie nun das kühle Fleckchen Land ab, um nach einem Weg zu suchen, der wieder nach oben führte- hier unten konnten weder Rory noch der Doctor sein, denn sonst wären sie auch hier am Ufer angespült worden.
Die Rothaarige schritt voran und untersuchte ihr Umfeld: Sie befand sich in einer Art Sumpfgebiet- nur, dass dieses hier viel lebendiger wirkte als das, was sie zuerst von diesem Planeten gesehen hatte. Zwar erhaschten ihre Augen nicht das geringste Anzeichen auf ein Lebewesen, aber irgendwie beschlich Amy das Gefühl, dass alle Pflanzen um sie herum die Schottin auf stille Art und Weise willkommen zu heißen schienen.
Plötzlich bemerkte sie, wie ihre Augen sich hier unten viel besser fühlten als oben. Neugierig legte Amy ihren Kopf in den Nacken, um einen Blick auf die Decke zu werfen, welche aus demselben, glitschig-grünen Zeug bestand, dass sie während ihres Falls sehen konnte. An manchen Stellen klebten- oder vielmehr, hingen- einige grellgrüne und -blaue... Tierchen, deren mit Licht durchfluteten Körper die gesamte Umgebung mit einem wohltuenden, märchenhaften Glanz erfüllten.
Amy genoss die feine Wärme auf ihrer immer noch feuchten Haut, schloss für einen Moment die Augen und streckte die Arme seitlich aus.
Wenn der Doctor jetzt hier wäre, würde er vermutlich damit anfangen, in seinem fachmännischstem Tonfall zu erklären, dass diese Leuchttierchen "Bioluminiszenzen" hießen- nur, um gleich danach all ihre besonderen Eigenschaften aufzuzählen. Rory würde daraufhin versuchen, seinen wirren Gestiken irgendwie zu folgen und anschließend Fragen zu diesem Thema zu stellen...
Ich werde die beiden schon finden.
Zu ihrer Überraschung ähnelte diese Landschaft den Mooren auf der Erde um so Einiges- fast, als hätte man auf einen Farbkopierer ein Bild von einem Sumpf ausgedruckt und es danach mit einem walgrünen Wackelpudding beschmiert.
Nur fühlte es sich für Amy ein bisschen so an, als würden die eigenartig gekrümmten Stämme und Zweige der Bäume ihr etwas zuflüstern. Aber selbst, wenn es so wäre- die Schottin hätte es ohnehin nicht verstehen können.
Nachdem Amy so gut wie jeden Strauch und Zentimeter des schmalen Fleckchens inspiriert hatte, stellte sie resigniert fest, dass sie nichts Außergewöhnliches als den blaugrünen Schleimfilm auf den Blättern ausfindig machen konnte. Seufzend setzte sie sich an jenes Ufer nieder, an welchem die Schottin zuvor gestrandet war. Der nassfeuchte Untergrund war eben genug, um ein wenig darauf zu rasten.
Gedankenverloren ließ Amy ihren Blick über die tropische Landschaft schweifen, wo der schimmernde Fluss geschäftig und ungezähmt an ihr vorbei toste. Die Wellen schlugen munter gegeneinander und spritzten die Wassertropfen wild durch die Luft. Man konnte den bloßen Klang von ihnen mit den Fluten auf der Erde vergleichen...
Beim Beobachten des Baches wurde der Geist der Rothaarigen für einen Moment plötzlich ganz ruhig und entspannt.
Töchterchen, dachte sie nur und lächelte selig. Ihre Muttergefühle kamen wieder hervor und brachten ihr Herz zum Schweben wie eine hauchzarte Wolke.
Im Takt der Wellen wiegte Amy ihren Kopf hin und her, um ihre Gedanken zu sortieren.
Okay, sich umzuschauen hat nicht viel gebracht, grübelte die Schottin und vergrub ihre Hände im dichten Schlick, Vielleicht sollte ich ja auf einen Baum klettern, oder ich springe in den Fluss und versuche, den Strom rückwärts zu schwimmen... Nein, es wäre ziemlich unwahrscheinlich, dass ich das schaffen würde. Oder wäre es doch klüger, auf sie zu warten?
Ihr besinntes Gemüt schlug in eine leichte Unsicherheit um. Ich hoffe, ich muss nicht wieder allzu lange warten, zerlumpter Doctor...
Plötzlich ertönte hinter ihr ein dumpfes Knicken- als würde jemand versehentlich auf einen dicken Ast treten.
Erschrickt drehte sich Amy in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Ihr Instinkt verriet ihr blitzartig, dass es jemand- oder etwas- sein musste, dass nicht entdeckt werden wollte.
Hastig rappelte sich die Rothaarige auf und kraxelte hinter einen aschgrauen, scharfkantigen Stein, der aus dem Flusswasser ragte. Breit genug, um sich dahinter zu verstecken.
Auf leisen Sohlen kauerte Amy sich hinter den mächtigen Felsen und zog ihre Beine an ihre Brust. Mit einer Hand suchte sie im matschigen Schlick nach etwas, das standfähiger war als der ganze Schilf, der ihre Haut kitzelte. Ein harter Stock vom Ast eines ausgewachsenen Baumes vielleicht, der wäre jetzt überaus praktisch...
Das Geräusch von knickenden Ästen wurde immer lauter und deutlicher, und es schien so, als würden sich die Schritte von mehr als einer Person nähern.
Jungs?, kam es Amy in den Sinn, doch ihre Hoffnungen wurden von einer kräftigen, murrenden Bassstimme jäh zerstört.
"

⏳} TIMELESS ADVENTURES - The Chronicles Of The 11th Doctor {⌛Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt