KAPITEL 15 - Trubel am Basar

94 5 2
                                    

[Irgendwo im Zeit-Vortex, TARDIS]

Mein Name ist Amelia Pond.
Als ich ein kleines Mädchen war, hatte ich einen imaginären Freund. Und als ich erwachsen wurde, kehrte er zurück- mehrmals, um genau zu sein...
Er nennt sich der "Doctor" und stammt von einer anderen Welt. Er besitzt eine Notrufzelle, die TARDIS heißt, und mit der er an jeden Ort in Raum und Zeit reißen kann. Ich und mein Mann Rory sind damals mit ihm weggelaufen,
und seitdem nie mehr, nicht eine einzige Sekunde, stehen geblieben.
Mir war garnicht klar, zu welchem Zeitpunkt genau der Doctor eigentlich ein grundfester Bestandteil unseres Lebens geworden ist...
Bis heute.

Ein schrilles Quietschen dröhnte durch Rorys Ohren, sodass er vor lauter Schreck um ein Haar die Zahnpasta in seinem Mund verschluckte. Schnell spuckte er sie ins Waschbecken vor ihm, legte die Zahnbürste in ihren Becher zurück und trat verwirrt aus dem Badezimmer. Das Quietschen ertönte erneut, diesmal ziemlich plattgedrückt, und es schien aus der Richtung der Steuerkonsole zu stammen. Verwirrt folgte der Krankenpfleger seinen Ohren, vorbei an den unzähligen Räumen der TARDIS, bis er schließlich den bronze schimmernden Konsolenbereich erreichte und sich umsah. Niemand war anwesend. Doch als Rory vorsichtig die Treppe hinunterstieg, quietschte es auf einmal wieder, hoch und lang.
Aus dem Untergeschoss der Hauptsteuerung spähte ein unschuldig dreinschauendes Gesicht, dass zu einem dunkelhaarigen Mann gehörte, zwischen dem Treppengeländer zu ihm herauf. "Entschuldige", machte der Doctor kleinlaut, "Das war ich. Ich wollte Sie nicht wecken."
"Haben Sie nicht", erwiderte Rory konfus und runzelte die Stirn, "Woher stammt dieses Quietschen?"
Der Time Lord hob die Augenbrauen. "Sie sprechen von..." Das Quietschen schrillte schon wieder.
Der Krankenpfleger nickte. "Ja, davon."
Neben dem Doctor erhob sich ein knallgelbes Gummientschen, welches ein wenig eingedrückt aussah. Lächelnd drückte der Time Lord es mit einer Hand- das Quietschen, was das Spielzeug jetzt von sich gab, hörte sich wesentlich normaler an.
"Der kleine Kerl hatte sich zwischen zwei Zeit-Motoren eingenistet", erklärte der Doctor lächelnd und schaute das Entchen an, als hätte er in ihm einen neuen Freund gefunden, "Seit Trenzalore habe ich hier unten nicht mehr ordentlich aufgeräumt, Sie können sich garnicht erahnen, wieviel verrücktes Zeugs mir per Minute in die Hände fällt!"
Der Kopf des Time Lords verschwand, mitsamt des Quietschespielzeugs, wieder unter der Steuerkonsole, und Rory kam nicht drumherum, sich ans Treppengeländer zu lehnen und ihm nachzublicken. Verblüfft hielt er inne, denn am Boden lagen vier bis fünf ordentlich nebeneinander gereihte Schachteln unterschiedlicher Größen, die randvoll gefüllt waren mit den verschiedensten, bizarrsten Gegenständen. Die Sachen wurden offenbar vom Doctor nach dem jeweiligen Anfangsbuchstaben sortiert: Auf den Kisten standen Kennzeichnungen wie A-E, F-J und so weiter. Erstaunlicherweise bekam das X seine eigene Kiste, doch das fragwürdige Gerümpel, dass sich darin befand, konnte abgesehen vom Xylophon nicht von Rory benannt werden.
"Sie sind mir ja ein richtiger Ordnungsfanatiker geworden", pfiff der Krankenpfleger überrascht.
Scheinbar hatte er zu laut gedacht, denn der Doctor, welcher vorher noch vor dem K-O-Pappkarton gekniet hatte, wirbelte betroffen um.
"Ausdrucksweise, Mr Pond!", warnte er mit erhobenem Zeigefinger, wodurch er umso mehr an einen verrückt aussehenden College-Professor erinnerte. Doch lange hielt die beleidigte Visage seinerseits nicht an, da der Time Lord sich zu seiner Arbeit umdrehte, um die einzelnen Kisten zu verschließen. "Ich hatte gestern Nacht außerdem den Raum mit dem Hauptstrom-Katalysator überprüft, weil ich wiedermal kein Auge zubekommen konnte", erzählte er seinem Schwiegervater dabei quietschlebendig, "Es besteht kein Grund zur Sorge, allerdings bin dort auf eine Menge unnützer, nützlicher Dinge gestoßen: Ein Gummihuhn, einen rostigen Stoßdämper, vertrocknete Kaugummis, Zeitungspapier, eine hyperdimensionale Diamant-Volt-Kugel-" Der Doctor zeigte deutlich auf den A-E-Karton, den er mit einem langen Streifen von dickem, reißfestem Klebeband verschloss. "Vorsicht, nicht anfassen!- und dann noch einen Apfel."
Der Time Lord stemmte höchstzufrieden die Hände in die Hüften (dank der hochgekrempelten Ärmel seines weißen Hemds konnte man einen perfekten Ausblick auf seine dehydriert wirkenden, rauen Ellbogen genießen) und musterte die Kisten mit überprüfendem Gesicht. Danach wandte er sich, schwungvoll wie immer, zu Rory, holte wie aus dem Nichts den genannten Apfel aus seiner Hand hervor und warf diesen mit einer geschickten Bewegung zu dem Krankenpfleger hoch. Reflexartig fing er das Obst.
"Leider hasse ich Äpfel, deshalb schenk ich ihn lieber Ihnen." Der Doctor hüpfte die Treppe hoch und übersprang je zwei Stufen, was dank seiner langen, schlaksigen Beine keine Schwierigkeit darstellte. "Ein gesundes Frühstück, denn Sie scheinen mir seit Manhattan ein ganzes Stück schlanker geworden zu sein." Schleichend kam der aufgeweckte Außeriridische ihm nahe und betrachtete den Körper des Krankenpflegers studierend. "Gönnen Sie sich was, Sie verfügen glücklicherweise über eine lange Lebenszeit und körperlicher Gesundheit, das hat auch nicht jeder. Ein Apfel am Tag, den der Doctor nicht mag!"
Der Time Lord lehnte sich mit einer Hand ans Geländer, schwang sich das strähnige, schwarzbraune Haar aus dem Gesicht und lachte herzhaft über seinen erfundenen Reim.
Verwundert sah Rory auf seine Statur hinab. Hatte er tatsächlich abgenommen? Noch vor knapp 40 Stunden verspeiste er noch ein Schnitzel samt Kartoffeln, hinzu kamen noch zahlreiche Schokoladenkekse, ein Eis, French Toast, ein Stück Kuchen...
"Ähm, danke", meinte der Krankenpfleger dann stutzig und wischte sich den Apfel in seiner Hand mit dem Ärmel seines Pyjama-Oberteils ab. Er tat dies aber nur, um sicherzustellen, dass er nicht aus Versehen Spuren der hyperdimensionalen Diamant-Volt-Kugel in den Magen bekam und sich zu einem alles verschlingenden, schwarzen Loch verwandelte... Er hatte schließlich Erfahrung damit, dass solche Dinge ganz geschwind Wirklichkeit werden konnten.
"Aber widmen wir uns jetzt mal den wichtigeren Dingen." Der Doctor blieb in seiner lässigen Pose und verschränkte die Finger seiner Hände ineinander. "Wie geht's Ihnen?"
Unbemerkt steckte Rory den Apfel in die Seitentasche seines Morgenmantels.
"Ziemlich gut, würde ich sagen", antwortete er nickend, "Ich musste mir gestern zwar das ganze Sumpfwasser aus den Ohren und Haaren waschen, doch dafür hatte ich einen recht erholsamen Schlaf." Der Krankenpfleger kratzte sich verdutzt am Kopf. "Obwohl ich einen seltsamen Traum vom Märchen des Froschkönigs hatte..."
"Nachvollziehbar", meinte der Doctor und verzog eine Miene, die verriet, dass er ebenfalls eine lange Nacht hinter sich bringen musste, "Und Amy?"
"Liegt noch im Bett." Rory dachte wohlwollens an seine resolute, rothaarige Gattin. "Sie will es nicht zugeben, dass ihr die vielen Ereignisse, die wir in den letzten Stunden durchlebt haben, so Einiges zu Schaffen machen, aber ich kenne Sie besser." Er musterte den aufgekratzten Time Lord vor sich. "Wir kennen Sie beide besser."
Sein Schwiegersohn biss sich grübelnd auf die Lippen, offenbar teilte er seine begründeten Sorgen. Von ihnen Dreien war Amy nämlich diejenige, die am meisten zu leiden hatte. Es lag nicht daran, dass sie das einzige, weibliche Mitglied des Teams TARDIS darstellte (wenn man River und diese Clara nicht mitzählte), sondern weil sie sich unvorstellbare Vorwürfe machte. Dabei hatte er ihr gestern Nacht wiederholt eingeredet, die ganze Sache sei nicht ihre Schuld, doch der Rotschopf hatte sich nur auf die Seite gewälzt und verschlafen gemurmelt "Sei still und ruh dich auch, Doofnase".
Still wurde er zwar dann, doch ausruhen konnte er sich kaum.
Ein lautes, ungeniertes Gähnen ertönte hinter den beiden Männern.
"Wen kennt ihr besser? Von wem sprecht ihr da?"
Rory drehte sich um und erspähte wie erwartet eine schlanke, hochgewachsene Frau im Nadelsteifen-Pyjama, die von der rechten Treppe zu ihnen geschlurft kam. Sie wirkte nicht sehr ausgeschlafen, ihr kupferrotes Haar hing ihr zerzaust und strähnchenweise ins Gesicht. Ein lieblicher Anblick, dachte sich der Krankenpfleger im Stillen, denn sogar beim Wachwerden konnte nichts im Universum ihrer Schönheit gleichwerden.
"Über niemanden", log Rory entspannt. Schließlich mochte es Amy nie besonders, wenn sich jemand übermäßig um sie kümmerte. Schottin, verstand sich.
"Über Sie", rückte der Doctor hingegen widerstandslos mit der Wahrheit heraus, weshalb er von seinem Schwiegervater einen leicht verärgerten Blick erntete.
Amy strich sich die einzelnen Haare aus dem Gesicht und setzte ein forschendes Gesicht mit zusammen gezogenen Augenbrauen auf.
"Über mich?"
Der Tonfall in ihrer Frage verriet einen Funken an Verdächtigung.
Hilfe suchend schauten sich Rory und der Doctor an, als würden sie in den Gedanken des jeweils Anderen nach einer passenden Ausrede absuchen. Ohne lange nachzudenken, trat der Krankenpfleger zu seiner Frau und fasste ihr behutsam an die Schultern.
"Aber nur über deine Sonnensetien, Schatz, wirklich", beteuerte er beschwichtigend. Als Amy noch immer nicht ganz überzeugt aussah, beugte sich Rory nach vorne drückte ihr spontan einen flotten Guten-Morgen-Kuss auf die Lippen. "Glaub mir."
"Hm", machte die Rothaarige rätselnd, und starrte ihren Ehemann einen Moment lang in die Augen. Jedoch gab sie schneller nach als gedacht und küsste ihn zurück, allerdings mit etwas mehr Intensität.
"Ich versuch's mal", versprach Amy und deutete ein Lächeln an, das es vermochte, Rorys viele Sorgen einzuschränken. Wenn auch nur minimal.
"Okay", japste sie dann auf und war von einem Augenblick auf den anderen gut gelaunt und schwungvoll wie immer. Die Rothaarige stellte sich zwischen ihre beiden Jungs und betrachtete sie nacheinander. "Was hab ich verpasst?"
Bevor der Time Lord zur Antwort ansetzen konnte, berichtete Rory ihr kurz angebunden. "Der Doctor versucht, die TARDIS in Ordnung zu halten, da die gute Zeitmaschine offenbar seit Trenzalore selbst zu verwüsten versucht."
"Also das Übliche?"
"Jap."
Inzwischen war der Doctor schon wieder nach unten geeilt und trug nun alle fünf aufeinander gestapelten, befüllten Kisten auf einmal die Treppe hoch. "Beim Aussortieren ist so viel Krimms-Krams zusammengekommen, dass man einen ganzen Schwarzmarkt damit eröffnen könnte!", staunte er mit großen Augen, während er sich Mühe gab, nicht zu stolpern. Dann jedoch schaute er zu Amy und Rory und setzte diesen 'Ich-sage-gleich-etwas-furchtbar-Wichtiges'-Blick auf, der seinen gesamten Time Lord-Ernst hervorhob. "Ein paar der Gegenstände, die ich gefunden habe, dürfen Sie nicht anfassen, verstanden? Ich kann nicht zu Hundert Prozent garantieren, ob Sie für menschliche Lebensformen vollständig ungefährlich sind."
Amy zog demonstrativ eine Augenbraue hoch. "Haben Sie etwa Angst, dass das Gummihuhn mich vielleicht angreift?", scherzte sie mit reichlich Sarkasmus und blickte zweifelnd auf den winzigen Fuß eines Gummihuhns, der aus dem F-J-Karton herausragte.
"Im Grunde, ja." Dem Doctor entfuhr ein leises 'Huch', als er die oberste Kiste mit seinem markanten Kinn zurechtschob, da diese beinahe hinuntergerutscht wäre. "Ich weiß nicht, woher es stammt noch von wem es hergestellt wurde."
Rory wollte fragen, ob er ihm zu Hand gehen sollte, doch der Time Lord eilte schon mit dem Stapel zur Steuerkonsole, an deren Fuße er das Trumm abstellte. Selbstzufrieden rappelte er sich auf und streckte einmal seinen Rücken durch, wobei der Doctor schon eher den Eindruck eines wesentlich älteren Mannes vermittelte.
"Ich hab schon versucht, mich mit ihm zu unterhalten", fuhr er fort und wischte sich die freien Unterarme entlang, an denen sich noch Staubfilm sammelte, "Squishy ist da wesentlich gesprächiger."
Amy guckte abermals verwirrt drein. "Squishy?"
Der Doctor holte das deformierte gelbe Gummientchen hervor und drückte es, sodass ein munteres Quietschen ertönte. "Das ist Squishy."
Ein wenig verdutzt runzelte Rory die Stirn. Es gab doch immer wieder Momente, in denen sein lieber Schwiegersohn für eine Überraschung gut war. Heutige Erkenntnis: Der Doctor vermochte es, ein interessantes Gespräch mit stinknormalem Badespielzeug zu führen.
Hoffentlich ist Clara Oswald kein Quietscheentchen gewesen, schoss es Rory unwillens durch den Kopf, Sonst muss ich anfangen, mir ernsthafte Sorgen um ihn zu machen...
Amy dagegen schien die Verrückheit des Doctors eine Erheiterung zu sein und sie lachte befreit. "Da kehrt wieder der alte Spaßvogel aus ihnen heraus."
"Bedeutet, Ihnen scheint es prächtig zu gehen", fügte Rory hinzu und konnte sein Interesse kaum verbergen. Wenn der Time Lord gute Laune hatte, bedeutete dies in fünfundachtzig von hundert Fällen nur eines: Ein aufregendes Abenteuer mit merkwürdigen Aliens, neuen Bekanntschaften und prägenden Nahtoderfahrungen wartete auf sie drei, irgendwo in Raum und Zeit.
Das konnte nur heiter werden.
"Zurecht", stimmte der Doctor ihm zu und hob die Mundwinkel zu einem sonnigen Lächeln, "Schließlich müssen wir uns im Leben auch auf die schönen Dinge konzentrieren, oder?"
Nach einem Zwinkern und der Verfrachtung der Kisten unter die Steuerkonsole schnappte sich der Time Lord den olivgrünen, knielangen Mantel mit den auffallend großen Knöpfen an den Seiten, welcher am Geländer hing und darauf wartete, angezogen zu werden. (Dieses Kleidungsstück hatte Rory seit den Ereignissen in Berlin des 20. Jahrhunderts nicht mehr an ihm gesehen!) Er schlüpfte flink hinein und schwang sich an die vertrauten Hauptsteuerelemente.
"Sooo, wer hat Lust auf ein Abenteuer?", rief er einladend, die Finger tribbelten schon aufgeregt an den Knöpfen und Schaltern herum.
"Iiich!", meldete sich Amy, hob die Hand und hüpfte mit einem Satz neben ihren besten Freund. Die Rothaarige konnte einem Kurztrip ins Ungewisse nie widerstehen. Nicht mal, wenn das Schicksal des Universums am seidenen Faden hing, was gelegentlich mal vorkam.
"Bin dabei", stimmte Rory mitein, dann fiel ihm etwas ein. "Augenblick." Er schaute den Doctor konfus an. "Wollten Sie uns nicht gestern noch in eine Oase führen?"
Der Time Lord fuhr um und betrachtete ihn, als hätte er gerade ein Fremdwort ausgespuckt. "Oasen?", wiederholte er lasch und gab ein lang gezogenes Pffft von sich, "Bloß ein Platz, wo behaarte Menschen an einer Wasserstelle faulenzen und sich so lange im Licht baden, bis die Sonne untergeht? Wie langweilig!"
Auch Amy war verwirrt über den plötzlichen Stimmungswechsel ihres Schwiegersohnes. "Vor einigen Stunden fanden Sie einen Ausflug dahin noch höchst interessant?"
"Zeiten ändern sich, genau wie meine Meinung über Oasen!", belehrte sie der Doctor und schnalzte mit der Zunge, nachdem er einige Hebel umgelegt hatte. "Wir können ja später noch einen Abstecher dorthin machen, und auf dem orientalischen Kurs werden wir immerhin bleiben!"
Er tänzelte um die Hauptsteuerung herum, als würde er zu einem Lied mitschwingen, das sich in seinem Kopf abspielte (schon lustig dabei zuzuschauen, wie die Arme quer durch die Luft wackelten und die schlacksigen Beine sich bemüht graziöse Drehungen vollführten).
"Es gibt im Universum so viel zu Erkunden, und daher möchte ich die Entspannung verschieben, denn die kann warten, vertrauen Sie mir."
Rory und Amy warfen ihm zugleich Blicke zu, die ihm regelrecht zuriefen "Tun wir das denn nicht immer?".
Der Doctor grinste, und nachdem er die Koordinaten eingegeben hatte, trat er an die Hauptschalter und zog diese mit einem lauten "Und schwupp!" in seine Richtung.
Die TARDIS setzte schon zu den typischen, seufzenden Materialisierungsgeräuschen an, da brachen die Laute aprupt ab und plötzlich rüttelte der Boden unter ihnen, als würde die Zeitmaschine erbeben.
"Woah!", machte Rory entsetzt und versuchte, die Balance zu bewahren. "Was war das denn auf einmal?"
Amy hatte sich reflexartig an den Haltergriffen unter dem Konsolengebilde festgeklammert, während der Doctor nach hinten gestolpert war und mit wedelnden Amren nach seinem Gleichgewicht suchte.
"Keine Ahnung", antwortete der Time Lord ratlos und überprüfte kurzerhand den Scanner, die Visage zu einem irritierten Gesichtsausdruck verzogen. "Die TARDIS scheint nicht mit dem Ort zu übereinstimmen, an den ich uns hinbringen will."
Verwirrt blickten Rory und Amy sich an und musterten die aquamarinblaue Kristallsäule, welche mitten im Flug stecken geblieben war. Was war mit dem Raumschiff los?
"Alles klar, noch ein Versuch", meinte der Doctor und rieb sich konzentriert die Hände, um ans Werk zu gehen, "Koordinaten eingeben, und schwupp!"
Er tat wie ihm gehießen und wiederholte den vorherigen Vorgang. Die Kristallsäule fing wieder an, sich zu bewegen, und als Rory schon sicher ging, dass es diesmal funktionieren würde, da bebte es erneut, diesmal viel energischer. Lichter flackerten an und aus wie Warnsignale, und ein entzürntes Brummen grollte durch den Raum, dass einer Warnung gleichte... Nein, einer glatten Verzögerung!
Der Krankenpfleger eilte zu seiner Frau, welche beim Rütteln quer auf den weißen Sitz gelandet war, und fragte, ob ihr der Sturz schaden bereitet hatte- eine Angewohnheit aus seinem Beruf, die öfters zum Vorschein kam.
Amy versicherte, dass ihr nichts fehlte, da ertönte eine wütende Stimme. "Hey! Was hast du denn auf einmal?"
Der Doctor stürmte zur Steuerkonsole zurück und umfasste die Hauptsteuerung wie ein wild gewordenes Tier, dass er zähmen wollte. Die Art, wie er redete, verhieß keine positive Einstellung seinerseits.
"Doctor?" Irritiert stand Amy auf und schritt mitsamt Rory zu ihm. "Was stimmt nicht mit der TARDIS?"
Der Time Lord tippte entzürnt auf einigen Knöpfen herum. "Sie wehrt sich gegen mich, obwohl es keinen logischen Grund dafür gäbe", erklärte er seinen Begleitern aufgeheizt, "An diesem Platz gibt es weder matschige Schlupflöcher noch gefräßige Monster, also weshalb möchtest du heute nicht auf mich hören?"
Der letzte Satz richtete sich gegen die TARDIS, welche ihm nur mit einem strotzendem Surren ihren Unwillen entgegnen brachte.
Der Doctor schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, offenbar hatte ihn die Zeitmaschine gerade heftig beleidigt. Danach wandte er sich an Amy und Rory.
"Ich glaube, wir beide sollten das alleine ausdiskutieren", riet er und raufte sich das schwarzbraune Haar, "Gehen Sie sich derweil umziehen, denn das könnte ein wenig dauern, bis wir eine Einigung ausdiskutiert haben..."
Mit einer Handbewegung bat er die Ponds, den Hauptsteuerungsraum kurzzeitig zu verlassen.
Das Ehepaar nickte und entfernte sich. Die TARDIS brummte in einem unregelmäßigen Wummen- eindeutig ein Geräusch, dass man hier nicht oft hörte.
Kaum erreichten sie den Korridor, schnippte Amy siegreich mit den Fingern.
"Siehst du? Ich hab die Wette gewonnen!", jubelte die Rothaarige leise und deutete zur Treppe, "Wenn unsere Tochter nicht da ist, dann muss die TARDIS den Job der Ehefrau übernehmen!"
Rory wollte gerade etwas dagegen erwidern, da schallte von hinten eine eingeschnappte Stimme durch alle Räume der Zeitmaschine.
"Unfug!", protestierte der Doctor, und man konnte es aus seiner Stimme heraushören, wie er aufgebracht mit den Händen herumfuchtelte, "Zum einhundersten Mal: Ich habe den Sultan nicht mit Absicht beleidigt! Gandhi hatte darauf bestanden, mich als Botschafter zu kühren!"
"Touché", gab sich Rory geschlagen und blickte seine Frau an, "Ich mache mir trotzdem große Bedenken um unsere Reisen... Ein bisschen Ruhe und Erholung nach dem vielen Stress letztens wäre doch echt nicht zu viel verlangt, oder?" Ein Hauch von Verärgerung unterstrich seine Stimme. "Ich meine, nach den Engeln, und sprechenden Froschmenschen!"
"Komm schon..." Amy machte ein Gesicht, dass auf eine Umstimmung hinauslief, doch da schien ihr plötzlich eine Idee zuzufliegen, und sie nahm seine Hände in ihre. "Pass auf, machen wir es so: Sollte der Doctor uns auf einen weiteren, längeren Abenteuertrip schicken, schulde ich dir etwas." Unscheinbar schielten ihre grasgrünen Augen zur Seite. "Falls du noch etwas neben der Entspannung brauchst..."
Der verführerische Ton in ihren letzten Worten gefiel Rory so gut, dass er schweren Herzens beschloss, seine Sehnsucht nach Gemütlichkeit ein wenig in den Hintergrund zu schieben.
"Einverstanden", nahm er das Angebot an und gab ihr einen Kuss auf die Wange, dabei schloss er es nicht aus, die Nase leicht in ihrem morgenlich verwuschelten Haar zu vergraben.
Ein summender Laut dröhnte durch die TARDIS, gefolgt von einem genervten Stöhnen des Doctors.
"Nein nein, hör doch!", entgegnete dieser steif und fest, "Feze! Dort gibt es Feze! Wie soll ich denn da widerstehen?!"
Rory und Amy sahen sich gegenseitig stutzig an, dann lachten sie lauthals los und suchten Arm in Arm nach dem gemeinsamen Schlafzimmer.

⏳} TIMELESS ADVENTURES - The Chronicles Of The 11th Doctor {⌛Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt