KAPITEL 20 - Auf leisen Sohlen [Teil 2]

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Claras Unbehaglichkeit wollte nicht verschwinden, als sie neben River durch die sich automatische Schiebetür des silbernen Hochhauses trat und ihre langsamen, vorsichtigen Schritte in Form von Echos wiederhallten. Trotz ihrer Anstrengung, sich möglichst kühl professionell in Gegenwart ihrer Freundin zu verhalten, sollte sie beide eine unangenehme Überraschung im menschenleeren Gebäude erwarten, bohrte sich die blanke Angst wie ein gewaltiges Loch in ihre Magengrube. Denn in der riesig wirkenden Eingangshalle, deren kahle Wände schneeweiß angestrichen waren, konnte man ausgenommen vom Geräusch von Claras Schuhabsätzen nicht den geringsten Mucks vernehmen - keine Stimmen, keine maschinellen Laute, nicht einmal das Flackern einer kaputten Glühbirne. Insgesamt machte alles um sie herum einen beunruhigend unnatürlichen Eindruck.
Begleitet von Furcht, spürte die Lehrerin jedoch auch eine starke Verwirrung in sich aufkommen. Wer könnte sie denn so prompt in den einsamen Wolkenkratzer mitten im Nirgendwo gebeten haben und sie dann nicht einmal empfangen? Sollte dies eine Art Hilferuf gewesen sein, hüllte sich die Gefahr im Verborgenen - abgesehen von der Misstrauen anregenden Stille in diesem Gebäude existierte hier auf dem ersten Blick nichts Ungewöhnliches.
Dieselben Gedanken schienen auch durch Rivers Kopf zu gehen. "Nicht mal Möbelstücke oder ein Kratzer in der Wand", bemerkte die nach wie vor angespannte Archäologin, und ihre im normalen Sprechton gehaltene Altstimme hörte sich aufgrund der totenstillen Umgebung wesentlich lauter in Claras Ohren an, "Man hätte uns wenigstens eine Tasse Kaffee anbieten können. Keine Chameure unter anonymen Hilfsbedürftigen, was?"
Letzterer Satz sollte wohl einen Witz darstellen, doch es hörte sich eher nach erzwungener Gelassenheit an. Das passte gut, im Moment fehlte es Clara nämlich an Kraft zum Lachen. "Normalerweise sind solche Bürohäuser doch immer voller Lärm", führte sie den Gesprächsfaden der Professorin fort, "Egal auf welchem Planeten, in jedem normalen Bürogebäude gibt es klingelnde Telefone, das Klackern von Tastaturen... Aber hier riecht man nicht einmal den Geruch von frisch gedrucktem Papier."
"Demzufolge befinden wir uns also nicht in einem dieser normalen Bürogebäude", schloss River gewissenhaft und kratzte sich am Kinn, "Es könnte sich wegen der Quantenverschiebung jedoch genauso gut um eine ausgeklügelte Falle halten - wie Insekten, die sich im Fliegengitter verfangen -aber vollkommen sicher bin ich mir da ehrlich gesagt nicht."
"Hm. Diese Meinung teilen wir." Clara blickte sich im explizit steriliertem Eingangsbereich um, und erschrak beinahe zu Tode, als sie die blasse, schlanke Gestalt eines kleinen, dunkelhaarigen Mädchens entdeckte, welche plötzlich nur zwei Meter vor ihrer Nase stand und sie mit leeren, runden Augen anstarrte.
"Wer bist du?", fragte die noch immer entsetzte Brünette im Flüsterton, doch das Mädchen antwortete nicht, oder verzog eine Miene. Sie legte lediglich ihren Zeigefinger auf die Lippen und gab ein leises, langes "Sch" von sich.
"Clara?", fragte River hinter ihr alamiert, "Was ist auf einmal mit dir los?"
"Entschuldige", sagte Clara heiser und schnappte eilends nach Luft, "Das Mädchen hat mich nur so erschre-"
Erneut wollte sie sich dem Kind zuwenden, doch musste dann perplex feststellen, dass das Mädchen verschwunden war, als wäre sie vom Erdboden verschluckt worden und nie da gewesen.
"Welches Mädchen?", erkundigte sich River und legte irritiert den Kopf schief, "Wovon redest du? Ich habe kein Mädchen gesehen."
"Sie- Sie stand genau dort", informierte die Lehrerin ihre Freundin bibbernd und deutete auf jenen Platz im Raum, wo sie das Kind entdeckt hatte, "Und, und sie hatte keinen Schatten geworfen... Ich weiß nicht."
"Ganz ruhig." Behutsam trat die Archäologin an sie heran und fasste ihr an die Schulter, um die Jüngere zu beruhigen. Ein erleichterndes Gefühl, jemanden zur Begleitung zu haben, dachte Clara sich. "Mein Vortex-Manipulator zeigt keinerlei Koordinaten, deshalb sollten wir auf der Hut sein - das Mädchen könnte eine Illusion gewesen sein, oder eine Zusatzwirkung der Quantenverschiebung. Wir können jederzeit wieder in deine Zeit zurückkehren, keine Sorge. Aber irgendetwas stimmt hier absolut nicht, darum-"
"Müssen wir dringend herausfinden, weshalb", vollendete Clara und lächelte milde, "Denn das ist es, was wir tun. Dinge in Ordnung bringen."
Beim zuversichtlichen Blinzeln ihrer Freundin löste sich ein kleiner Teil von ihren schlimmsten Befürchtungen. So begaben sich die beiden Frauen zu einer seltsamen Erhebung inmitten der weißen Raufaserwand, die an den Eingang eines Fahrstuhls erinnerte. Wie auf Knopfdruck öffneten sich die Türen lautlos und Clara und River blieb nichts anderes übrig, als in den Aufzug einzutreten.
In diesem Gebäude ist eine Bedrohung präsent, die auf leisen Sohlen umherschleicht, dachte sich die Lehrerin und setzte misstrauisch einen Fuß nach dem anderen auf die Ladefläche des Fahrstuhls, Wenn ich im Moment nicht an meinem eigenen Verstand zweifeln würde, behaupte ich glatt, dass wir von jemanden beobachtet werden. Ich spüre förmlich, wie die Gefahr aufmerksam ihre lodernen Blicke auf uns richtet.

⏳} TIMELESS ADVENTURES - The Chronicles Of The 11th Doctor {⌛Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt