KAPITEL 21 - Verloren im All [Teil 1]

59 3 4
                                    

[TSS Gemini, Arciris-Kaskade, Engelsnebel, Südliche Galaxie, Jahr 2.194.999]

"Bist du sicher, dass wir das tun sollten?", fragte Razzle mit unsicherer Stimme, während er sich mit leicht verängstigter Miene im gedämpften, grün beleuchteten Korridor umsah, als könnte ihn jeden Moment ein schattenhaftes Wesen von hinten anspringen - ein armseliger Anblick. "Wir sind erst seit zwei Tagen auf diesem Raumschiff und haben noch nicht alles erkundet-"
"Genau deshalb will ich es ja tun", schnitt ihm One-Eye ungehalten vom Satz ab und funkelte ihn herausfordernd mit seinem einzigen Auge an, "Wenn du möchtest, kannst du dich zu der Crew zurückscheren, solltest du weiterhin so zittern wie ein Fisch am Land..."
Eine beleidigte Miene ziehend, verschränkte der schlaksige Razzle die Arme vor der kaum behaarten Brust. "Nenn mich ruhig einen Feigling, falls es dir dadurch besser geht", schnauzte er seinen Kameraden an, "Aber der Captain hat uns Alleingänge nicht ohne Grund untersagt!"
One-Eye stieß ein abfälliges Schnauben aus. "Der Captain ist ein Würmchen", knurrte er und fuhr sich mit seiner gespaltenen Zunge über seine Zahnlücke, "Vor seinem zuckersüßen Prinzchen dürfen wir keinen umlegen, nicht mal in der Schlacht gegen die Weltraum-Meuterer. Und alles, was wir erobern, geht dann automatisch in seinen Besitz. Das muss ich mir nicht bieten lassen. Schließlich nennt man mich nicht umsonst One-Eye, den Aufschlitzer!"
Razzle kicherte nun belustigt. "Du meinst, nur du nennst dich so?", prustete er, doch One-Eye brachte seinen Vetter zum Schweigen, indem er drohend mit der Spitze seines Säbels vor seiner beachtlich langen Nase kreiste.
"Pass bloß auf, dann hast du bald nichts mehr zu Lachen!"
Der Blonde verstummte mit einem Schlucken. "Und, was hast du jetzt genau im Sinn?", erkundigte er sich besorgt.
Auf One-Eyes Lippen breitete sich ein wahnwitziges Lächeln aus. "Ich betrete feindliches Gebiet", erklärte er dem Jüngeren und glitt mit den Fingern begeistert über die frisch geschliffene Klinge seiner Waffe, in der sich das furchterregendes Antlitz eines einäugigen Mannes mit strähnigem, graubraunem Haar und roter Knollnase wiederspiegelte. "Dann breche ich den Widerstand unserer gesichtslosen Feinde und zu guter Letzt ihre Knochen. Ende der Geschichte."
Die meerblauen Augen Razzles wurden groß wie Rubel. "Glaubst du wirklich, dass du ganz alleine gegen sie antreten kannst?"
"Ich 'weiß' es sogar!", prahlte One-Eye nicht ohne Eigenlob und fuhr mit zwei geschickten Bewegungen mit dem Säbel über eine verschlossene, etwa eineinhalb Meter hohe und breite Klappe aus Metall, die von vier Schrauben an der modernisierten Wand gehalten wurde und klackernd nun zu Boden schepperte. Grinsend wagte sich der selbsternannte Freibeuter nun in das unerforschte Terrain der halb eroberten Raumfähre - gebückt, um seine abgehalfterte Gestalt auch ans andere Ende des schmalen Gangs zu bringen.
"Aber wir wissen doch nicht einmal, wie unsere Gegner aussehen!", rief Razzles bekümmerte Stimme ihm hinterher, "Wie willst du dann herausfinden, ob du alleine stark genug bist, sie zum Kampf zu zwingen?"
"Vertrau mir", grummelte One-Eye düster, während sein ungepflegter Strubbelbart entlang der eng anliegenden Wand kratzte, "Sobald ich zurückkehre, wirst du dir darüber keine Sorgen mehr machen müssen, du Landratte."
Nie hätte er geglaubt, das dies seine letzten Worte sein würden.
Denn kaum entledigte die messerscharfe Klinge seiner Waffe auch die entgegengesetzte Klappe des verborgenen Tunnels, nahm er eine vergoldete Panzerung in Augenschein, dicht gefolgt von der Mündung eines Gewehrs, welches ihm direkt in sein einziges Sichtfeld blitzte und er kurz darauf von dessen Monition getroffen und versiedet wurde. Ein gurgelnder, entsetzter Hilfeschrei hallte durch die Korridore der Raumfähre, bevor Razzle in heller Panik über seine ausgemergelten Beine stolperte, da ein schrilles, verzerrtes Kommando ertönte, was seinen Puls rapide beschleunigte.
"Sichtkontakt zu feindlichen Lebensformen hergestellt! Sofortige Vernichtung vollstrecken!"

~

"Doctor!", gellte die empörte Amy, welche sich mit aller Kraft, die in ihren Oberarmen steckte, am Geländer der TARDIS festklammerte, da die Zeitmaschine eine gewagte Drehung durch den Kosmos vornahm und ihr Inneres dadurch ins Wanken und Beben gerriet.
Der Time Lord befand sich vor dem Zeitrotor des Konsolenraums und hantierte wie von der Spinne gebissen an sämtlichen Steuerelementen herum, wobei er die Rothaarige unwillkürlich an einen Pianisten erinnerte. "Alles unter Kontrolle!", versicherte der Fliegenträger ihnen mit seinem beinahe unerträglichen Optimismus, "Naja, sagen wir zu drei Vierteln - oder 71 Prozent, wenn wir nicht übertreiben wollen."
"Ich hoffe nur, Sie irren sich diesmal nicht!", jaulte Rory seinem Schwiegersohn griesgrämig zu, welcher sich teilweise verängstigt im weiß gepolsterten Sitz eingenistet hatte, um Schutz vor den gewaltigen Rütteleien des Raumschiffs zu suchen. Seine laute Stimme ging im Lärm des Gefechts unter, doch Amy war der Meinung, dass er selbst in ausweglosen und lebensgefährlichen Situationen unvergleichbar niedlich wirkte.
Dabei hatte der heutige Tag doch urpsrünglich wesentlich entspannter begonnen: Nachdem das abenteuerlustige TARDIS-Trio die vom Räuberkönig verursachten Ereignisse heil überstanden hatte, landeten sie kurze Zeit später nach Rorys Wunsch auf einer fernöstlichen Oase, wo sie einen amüsanten Tag frei von Stress, Unannehmlichkeiten und Langfingern verbrachten hatten. Doch wie eben die Devise bei den ungleichen Freunden lautete: War eine Katastrophe erstmal bewältigt, wartete schon die Nächste in den Startlöchern.
Und dieses Mal trug allein der Doctor die Verantwortung dafür.
Nach der Erholungskur und einem Abstecher auf einem Planeten, auf dem wortwörtlich nur Milch und Honig flossen, hatte der zerlumpte Mann nämlich den nahezu genialen Einfall, den Ponds die sogennannte "Südliche Galaxie" zu zeigen. Jedoch wusste er zuvor noch nicht, dass er geradewegs Kurs auf ein Schwarzes Loch genommen hatte, und nun steckten die Drei in einer ganz besonders kritischen Situation.
Würde Amy dem Doctor nicht blind vertrauen, hätte sie in diesem Moment damit angefangen, ihr Testament zu schreiben.
Glühende Funken sprühten quer durch die Steuerkonsole und huschten knapp an der Nase der Schottin vorbei. Alle Zeichen deuteten darauf hin, dass die TARDIS schwer damit zu kämpfen hatte, nicht vom Schwarzen Loch aufgesogen zu werden. Armes Mädchen, dachte Amy sich und entschuldige sich mehrfach im Stillen bei der leidenden Zeitmaschine, So viel musstest du die letzten Tage durchmachen!
"Amy! Rory!" Des Doctors aufgeregte Stimme dröhnte über den erschütternden Lärm hinweg. Die Schottin brauchte einen Moment, um den energischen Time Lord zu entdecken, der sich am Steuerungspult entlang zum Koordinatenbrett gehangelt hatte. "Kommen Sie schnell her! Ich brauche Ihre Hilfe!"
Trotz ihres unverblümten Ärgers kämpfte sich Amy mit aller Kraft zum Zeitrotor, obwohl der bebende Boden ihr ständig das Gleichgewicht nahm. Zu einem weiten Sprung ansetzend, stieß sie sich vom Treppengeländer und schaffte es gerade noch so, die Steuerkonsole zu erreichen. Wieder einmal ein guter Tag, um Gott dafür zu danken, dass er der Rothaarigen lange Beine geschenkt hatte.
"Was sollen wir tun?", fragte der inzwischen verdatterte Rory den Doctor laut genug, um einen Schreiwettbewerb zu gewinnen. Tatsächlich hatte ihr Ehemann sich in wenigen Augenblicken zu seinen beiden Freunden gerungen, obwohl das kantige Gesicht des Krankenpflegers sich annähernd grün verfärbte, angesichts der betäubenden Gefahr.
"Rory, an die Hauptschalter! Sobald ich Ihnen ein Zeichen gebe, müssen Sie sie umlegen!" Der Doctor war momentan höchst beschäftigt damit, an Kurbeln zu drehen und gleichzeitig mit der anderen, freien Hand an unzähligen Knöpfen zu drücken. "Amy, an den Scanner! Beschreiben Sie mir so bildlich wie möglich, was Sie dort sehen!"
"Bestimmt ein riesiges Schwarzes Loch!", gab Amy bissig zurück und folgte der Anweisung ihres Schwiegersohnes. Zu ihrem Glück befand sich der Scanner nicht fern von ihrer Reichweite, und so zog sie den Bildschirm hastig in ihre Richtung, ohne dabei die Beherrschung zu verlieren, was für die temperamentvolle Schottin eine größere Herausforderung darstellte als dem Schwarzen Loch zu entkommen.
Amy kannte die Grundkenntnisse der TARDIS-Steuerung schon seit Anbeginn ihrer Reisen mit dem unsterblichen Doctor, weshalb die Bedienung des Scanners sich als kein Problem erwies. Der Bildschirm flimmerte, als sie ihn aktivierte, und zeigte wie erwartet das Abbild eines nachtblauen Sternenhimmels, welches von einem gewaltigen, in Schwärze getauchten Loch eingenommen wurde. Am Rande dieses Strudels schwebte ein winziger, azurblauer Punkt, der sich widerstrebend aus der Strömung des Lochs herauszuwinden versuchte - die TARDIS, ohne Zweifel.
"Was sehen Sie, Pond?", rief der Doctor ihr zu.
"Uns", antwortete die Schottin ihm ebenso laut, und versuchte, sich auf die Abzeichnung des Fleckchens Universums zu konzentrieren, was ihr angesichts des ohrenbetäubenden Krach um sie herum eher schwer fiel. Doch so leicht ließ sich Amy nicht unterkriegen. "Und das Schwarze Loch, irgendwo in der Südlichen Galaxie, wie Sie sie genannt haben!"
"Das würde mir auch auffallen!" Selbst mit erhobener Stimme brachte der Doctor es fertig, sarkastisch zu klingen. "Ein wenig effizienter, wenn es geht! Gibt es eine Auffälligkeit, einen einsamen Sternenkonstellation vielleicht, eine ungewöhnliche Verfärbung des Himmels?"
Die Rothaarige rollte mit den Augen und untersuchte das Bild auf Details. "Naja, da sind... Da ist ein Geschwirr aus ziemlich vielen Farben - grün, blau, violett, rot... Vermutlich alle Regenbogenfarben!"
Unvorbereitet zuckte sie zusammen, da der Time Lord einen jauchzenden Jubelschrei ausstieß. "Die Arciris-Kaskade! Brilliant! Absolut wunderbar!" Seine Hände arbeiteten nun an einer pumpenähnlichen Apparatur am Steuerbrett. "Befindet sich in der Nähe ein Nebel?"
Amy überprüfte seine Angaben, und tatsächlich umhüllte ein geheimnisvoller, silberner Nebelschleier das faszinierende, von Sternen umrahmte Farbenspiel. "Ja!"
"Großartig! Und jetzt müssen Sie nur eine Sache für mich erledigen! Festhalten!"
Dies brauchte der Doctor nicht zu wiederholen, da sich sowohl Amy als auch Rory schon mit den Händen um die Griffe der Konsole krallten wie an einem Rettungsring. Die Mischung aus gelben Sprühfunken und den Schüttelanfällen der TARDIS wuchs nun zu einem immensen Beben heran, welches man nicht einmal mit den heftigsten Achterbahn-Attraktionen in Freizeitparks vergleichen könnte. In Gedanken betete die Schottin, dass der verrückte Zeitreisende sicher und wohlbehalten auf einem Planeten ohne agressive Bevölkerung landen würde.
Aber beim Doctor konnte man sich da nie Gewissheit verschaffen, daher fiel die Rothaarige zweifelhaft in das Schreikonzert ihrer beiden Jungs mitein, welche mit gemischten Gefühlen versuchten, nicht von den Ausmaßen des Drucks weggerissen zu werden.
RUMMS!

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 31, 2019 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

⏳} TIMELESS ADVENTURES - The Chronicles Of The 11th Doctor {⌛Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt