Eine starke Hand legte sich um meine Taille und der Barkeeper geleitete mich zu der Bar. Ich betrachtete ihn genauer. Sein dunkles Haar stand zerzaust von seinem Kopf ab. Die durchdringenden grünen Augen musterten mich ebenso genau wie ich den Barmann. Er schien ungefähr 25 zu sein, doch genauso gut konnte ich mich um mindestens fünf Jahre in beide Richtungen verschätzt haben. Bei der kleinen Bar angekommen, setzte ich mich auf einen Hocker und bekam sofort einen kleinen Stromschlag von den Metallbeinen. Leise fluchend rieb ich mir über die Stelle, während der Barkeeper auf die andere Seite der Schänke eilte und mir einen durchsichtigen Trink in ein winziges Glas einschenkte. „Der geht auf mich", erklärte er mit einem Zwinkern und ich nahm das Glas vorsichtig entgegen.
Ich roch an der durchsichtigen Flüssigkeit, doch ich der erwartete scharfe Geruch blieb aus. „Was ist das?", fragte ich fasziniert. Ein kleines Hicksen verließ meine Kehle und ich lief rot an. Ich hatte noch nicht einmal etwas getrunken und doch besaß ich bereits jetzt einen Schluckauf.
„Sternenlicht", antworte der Barkeeper mit einem geheimnisvollen Lächeln.
Ich musterte ihn misstrauisch, doch dann führte ich das Glas einfach an meine Lippen und nippte leicht an dem Getränk. Es brannte kein bisschen auf der Zunge oder im Rachen. Erst in meinem Magen löste es ein kurzes Kribbeln und Wärme aus. Die alkoholischen Getränke, die ich von den Festen aus meiner Kindheit und Jugend kannte, hatten ganz anders geschmeckt. Sie hatten entweder einen widerlichen Geschmack gehabt oder hatten furchtbar in meiner Kehle gebrannt und mir die Tränen in die Augen getrieben. Diese Flüssigkeit schmeckte jedoch einfach ganz sanft nach Zitrone und Minze und bekam nach kurzem Warten einen leicht süßlichen Geschmack. „Was ist dieses Sternenlicht?", fragte ich neugierig nach.
Der Barkeeper grinste und flüsterte mir verschwörerisch zu: „Eine ganz besondere Mischung des Hauses. Lass dich bloß nicht täuschen. Dieses Getränk hat nicht zu wenig Alkohol. Er ist nur sehr gut verborgen." Ich nickte und nahm noch einen weiteren kleinen Schluck. Mein Körper begann sich langsam zu erwärmen.
Eine Frau gesellte sich zu uns. Sie war mir auf den ersten Blick sympathisch, denn sie trug eine lange schwarze Hose und einen einfachen viel zu großen Kapuzenpulli, der ihr bis zur Mitte ihrer Oberschenkel reichte. Eine wilde goldene Lockenmähne wurde von dem Licht grün gefärbt, so dass die Frau schon fast wie eine Waldelfe aussah. Ihr fehlten nur noch die spitzen Ohren, denn hübsch genug war ihr makelloses Gesicht auf jeden Fall. „Falls du noch einen Drink möchtest, geht der auf mich. Endlich hat eine Frau diesen verfluchten Flammengeborenen einmal gezeigt, wo es lang geht", stellte sie mit einem breiten Grinsen fest.
„Oh, bist du immer noch nicht über seinen Korb hinweg?", fragte der Barkeeper belustigt nach und ich spürte auf einmal ein scharfes Ziehen in meiner Brust. Plötzlich war ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob ich die Frau mochte.
Ihre großen ausdrucksstarken Augen musterten mich erstaunt. Ich hatte doch überhaupt nichts gesagt? Nun warf mir der Barkeeper ebenfalls einen Blick zu und strich sich mit der rechten Hand durch seine Haare, die danach nur noch wilder erschienen. „Sorry, das war taktlos", entschuldigte er sich bei mir.
Ich schluckte und wurde rot. „Kein Problem", murmelte ich, nahm jedoch das winzige Gläschen in die Hand und trank die klare Flüssigkeit in einem Zug leer.
„Noch einen?", fragte die Frau neben mir grinsend. Ich nickte zustimmend und die sie rief triumphierend: „Einen Sonnenuntergang für meine neue Freundin." Dann wandte sie sich wieder mir zu und versprach: „Verlass dich auf mich, dass ist das wirklich gute Zeug. Ich bin übrigens Amy. Außerdem brauchst du dir keine Sorgen wegen Samuel zu machen. Ich bin mittlerweile über ihn hinweg, obwohl ich es nicht leugnen kann, dass es mich jedes Mal freut, wenn ihn jemand zurückweißt, eine Streich spielt oder einfach nur ein Bein stellt."
„Aha", murmelte ich und fühlte mich irgendwie schlecht. Wieso hatte ich so reagiert, als ich gehört hatte, dass Amy einen Korb von Samuel bekommen hatte?
Der Barkeeper stellte ein großes Glas vor mir ab. Das untere Drittel war mit einer blauen Flüssigkeit gefüllt. Über dieser befand sich eine orangene Schicht, die ganz langsam zu einem dunklen rot wurde. Mit ein bisschen Fantasy konnte man tatsächlich einen Sonnenuntergang am Meer in diesem Glas erkennen. Die Farben ließen mich jedoch auch misstrauisch werden. Dieses kunterbunte Etwas war mit Sicherheit eine herrliche Chemie-Alkohol-Bombe. Trotzdem nahm ich vorsichtig einen winzigen Schluck. Es schmeckte tatsächlich besser als gedacht. Das blaue Meer war sehr süß, während die obere Schicht leicht säuerlich war und nach Orange, Blutorange und Sauerkirsche schmeckte.
„Soll ich dir helfen?", fragte auf einmal Amy.
„Wie meinst du das?", fragte ich verwirrt nach. Wollte sie das Getränk nun doch selbst trinken?
„Möchtest du, dass deine Wut und deine Trauer schwächer werden, so als wären sie noch da, aber irgendwie durch eine Glaswand vom restlichen Gehirn abgeschirmt?" Amy musterte mich genau, als ich misstrauisch meine Augen zusammenkniff und ein Stückchen von ihr wegrutschte. Sofort rief sie: „Keine Sorge, ich wende meine Fähigkeiten nur an, wenn du es möchtest. Sie hält auch nicht länger als zwei bis drei Tage an und ich muss den Grund für die Emotion kennen. Das bedeutet, wenn du jetzt traurig wärst, weil es regnet, würdest du die Traurigkeit natürlich schon spüren, nur eben nicht die Gefühle, die du eben wegen den Streit hattest."
Einen Moment dachte ich über das Angebot nach. Es klang sehr verlockend und gleichzeitig wirklich gruselig. Schließlich schüttelte ich meinen Kopf und lehnet dankend ab: „Das ist ein großzügiges Angebot, aber ich möchte, um ehrlich zu sein, lieber alle meine Gefühle spüren. So kann ich lernen mit ihnen umzugehen und meine Situation besser zu erfassen."
„Das ist eine gute Methode", lobte mich Amy und warf mir einen stolzen Blick zu.
Verwirrt schaute ich sie an. Was hatte ich eben verpasst? Der Barmann kam zu meiner Rettung und erklärte: „Du solltest dich nicht wundern. Amy ist von Beruf Psychologin. Sie hilft vor allem Menschen, Flammengeborenen und Leviathanen, die einen furchtbaren Schicksalsschlag erlitten haben. Zum Teil schwächt sie ein paar Emotionen, damit die Patienten zuerst mit einigen wenigen negativen Gefühlen zurechtkommen müssen und nicht in Gefahr laufen sich selbst umzubringen. Allerdings wendet sie den Kniff, meiner Meinung nach, zu häufig an. Man muss schließlich mit dem Leben klar kommen, auch wenn es einem Steine in den Weg legt."
Amy zog bloß eine Augenbraue hoch, doch sie ging nicht auf den kleinen Vorwurf ein. Wahrscheinlich hatten die beiden das Thema schon häufig ausdiskutiert, denn sie schienen sich immerhin gut zu kennen. Stattdessen wandte Amy sich mir zu: „Also wieso hat Samuel geglaubt, dass du etwas von diesen Explosionen wissen könntest?"
Ich hoffe, dass ihr heute nicht so früh ins Bett geht ^^
Ratet doch einmal wieso xD
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Entflammt ✔️
FantasyDie Liebe eines Flammengeborenen ist voller Leidenschaft, alles verzerrender Gefühle und tödlich für diejenigen, die sie nicht ebenso feurig erwidern. Das Schicksal hat beschlossen die temperamentvolle Menschenfrau Jenny Laurence und den Flammengeb...