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Ich könnte nicht gerade sagen, dass die nächsten Tage uninteressant waren. Die Jungs probten rund um die Uhr für die neue Tour, was ziemlich aufregend war! In wenigen Wochen ging es los und es war noch so viel zu tun. Linus und ich besprachen, was wir so machen würden und wie wir unsere Arbeit verrichten würden. So eine Tour ist immerhin eine große Sache, da muss wirklich alles perfekt sein.

Seit einer Woche war ich jetzt schon nicht mehr im Studio gewesen. Meine Arbeit war soweit erledigt. Und Class hatte ich schon seit Tagen nicht gesehen. Wir schrieben zwar täglich, aber getroffen habe ich ihn wenig. Aber das war vor einer Tour immer normal. Jeder machte sein eigenes Ding, denn schließlich würden wir wochenlang jede Minute miteinander verbringen. Und glaubt mir, gerade bei Bruder und Schwester kann es manchmal schwierig sein, auf engstem Raum miteinander auszukommen. Besonders wenn dieser Bruder Class ist!

Und Noah? Es lief wieder besser mit ihm. Ich wusste nicht, was er hatte, doch es tat gut meinen lieben und fürsorglichen Freund wiederzuhaben.

Heute war Donnerstag. Noch knapp 3 Wochen bis zur Tour.
Gerade packte ich meinen Koffer für einen Wochenendausflug mit meinen Freundinnen. Lilith, eine gute Freundin, die ich schon seit der Schule kenne, meinte es wäre doch eine super Idee mit mir und Elena, der dritten in in unserem Bunde, einen Ausflug ans Meer zu machen. Immerhin würden wir uns für eine lange Zeit nicht sehen...außer natürlich Lilith würde zu einem Konzert der Jungs kommen. Sie war schon so lange ein Fan von ihnen und immer wenn sie in Hamburg spielten, konnte man schon regelrecht nach ihr in der ersten Reihe suchen!
Elena's Musikstil war zwar anders als von uns anderen, aber sie war wenigstens nicht einer dieser Menschen, die nur Vorurteile gegenüber der Gothic Szene hatte.

Da die beiden am Freitag frei hatten, fuhren wir schon Donnerstag Abend los.
Es war ein lustiger Trip. Am Freitag erkundeten wir die Stadt und machten so viel Quatsch, dass uns viele Leute hinterher starrten. Aber das war uns egal! Immerhin waren wir das nun schon gewöhnt. Abends gingen wir in einem Restaurant am Strand etwas Essen. Es war köstlich!
Doch so schon am Samstag Morgen war unser Mädelstrip ins Wasser gefallen. Elena fühlte sich hundeelend und da es nicht so aussah, als würde es ihr sehr bald besser gehen beschlossen wir, nach Hause zu fahren.

Wir fuhren zu ihr um auch sicher zu gehen, dass sie sicher zu Hause ankam. Dann lud ich Lilith ab und fuhr geradewegs zu meiner Wohnung.
Ich war von der Fahrt ziemlich kaputt und wollte mich nur noch auf mein Sofa schmeißen und Fernsehen schauen. Klar war ich traurig, dass wir wieder nach Hause fahren mussten. Wir hatten uns so lange auf dieses Wochenende gefreut, aber naja...was soll man machen? Erst einmal war es wichtig, dass Elena wieder richtig gesund wurde!

Ich zog den Wohnungsschlüssel auf meiner Jackentasche und schloss die Tür auf. Meine Tasche ließ ich neben der Tür fallen und hing meine Jacke auf den Kleiderhacken.
Als ich ins Schlafzimmer wollte, um mir etwas bequemes anzuziehen, stockte ich plötzlich.

Mein Magen zog sich zusammen und ich atmete plötzlich schwer. Ich wollte es ignorieren. Wollte mir eingestehen, dass ich mich nicht gerade verhörte. Doch ich konnte es nicht. Ich konnte das laute Stöhnen, was aus dem Schlafzimmer kam, nicht ignorieren.
Mit langsamen Schritt ging ich auf die Tür zu. Ich ergriff den Türknauf und drückte ihn nach unten. Ich wusste nicht, was mich jetzt erwarten würde, doch ich wollte es auch nicht wissen.
Wie von alleine riss ich die Tür auf und starrte auf das Bild vor mir. Noah. In unserem Bett. Mit einer anderen Frau.

Beide blickten in meine Richtung. Noah riss die Augen auf und seine Stimme war nicht lauter als ein Flüstern als er sagte: „Ally?".

Ich blieb wie angewurzelt stehen. Es war als würde meine ganze Welt zusammenbrechen und mir würde die gesamte Luft zum Atmen genommen werden.
Ich konnte das hier alles nicht begreifen!

Ich hörte ein paar dumpfe Geräusche, was wohl Stimmen von Noah und der blonden Tussi waren, doch ich nahm sie garnicht wahr. Ich sah nur wie sie aufstand, sich ihre hautenge Lederhose anzog und sich ihr rotes Top anzog. Dann ging sie aus dem Zimmer. Erst der Knall der Wohnungstür holte mich zurück in die Realität.

„Ich dachte du kommst erst morgen Abend wieder.", fing Noah an.
Dieser Satz brachte das Fass zum Überlaufen. „Ach tut mir leid, stimmt ich hätte wohl anrufen sollen und dich wohl vorwarnen können, dass ich auf dem Weg nach Hause bin! Dann hättest du deine kleine Schlampe sicher woanders flachgelegt!", zischte ich vor Wut. „Wie lange geht die Sache denn schon? War sie die Einzige oder gibt es eine ganze Liste mit solchen gehirnlosen Tussen mit denen du geschlafen hast?!".

Er antwortete nicht. Das war Antwort genug für mich. Ich schnaubte und musste nebenbei sogar fast lachen dabei. Ich ging zurück in den Flur, schnappte mir meine Tasche und lief zurück ins Schlafzimmer. Dort lief ich zum Schrank und stopfte mir alle möglichen Klamotten hinein die ich finden konnte. Noah hingegen beobachtete mich nur still. Ich hörte seine dumpfen Schritte, die in meine Richtung kamen. Als ich seine Hand auf meinem Arm spürte fuhr ich herum schlug ihm mit voller Wucht eine ins Gesicht. Er verzog zwar das Gesicht, doch blieb immer noch still

Als ich erneut aus dem Zimmer und schnurstracks auf die Haustür zustürmte hörte ich Noah's Stimme in meinem Ohr. „Warte Ally!", rief er. „Ally!"
„Fick dich, du Arschloch!", fuhr ich ihn an.
„Bitte lass uns nochmal darüber reden.", sagte er und schaute mich schon fast hoffnungsvoll an.
„Du bist echt krank.", war das Letzte, was er von mir zu hören bekam, bevor ich aus der Wohnung stürmte und zu meinem Auto lief.

Ich schmiss meine Tasche in den Kofferraum, ließ mich auf dem Fahrersitz nieder und erlaubte meinen Tränen ihren Weg nach draußen.

Wie konnte es nur soweit kommen?
Was war nur mit uns passiert?

Ich wollte ihn nicht wiedersehen, nicht nach dieser Sache, trotzdem hoffte ein winziger Teil in mir, dass er mich nachlaufen würde und dass es doch nur ein schlechter Albtraum war.
...doch das war es nur leider nicht.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich hier saß und weinte bis mir die Augen brannten.
Schließlich riss ich mich zusammen und fuhr zu der einen Person, die ich jetzt am aller nötigsten brauchte. Jemand, der mich nicht wegstoßen würde. Jemanden, dem ich wirklich etwas bedeutete...

My NightingaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt