39.

98 9 0
                                    

Ich fuhr nach Hause nach Hamburg und war immer noch wie geflasht von den Ereignissen in Berlin. Ich hatte ein mega Jobangebot bekommen! Ich darf mit einem der inspirierendsten Menschen für mich zusammenarbeiten und ihm über die Schulter schauen. So eine Chance bekommt nun mal nicht jeder.

Doch gleichzeitig bereitete mir diese Erkenntnis auch Bauchschmerzen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. So sehr wie ich auch den Job annehmen wollte, ich musste somit auch einiges hinter mir lassen. Und ich wusste nicht, ob ich das wollte.

Ich fuhr mit einem Taxi nach Hause, da Pi auch übers Wochenende nicht da war. Er ist zu seiner Familie gefahren und würde erst heute Abend wiederkommen. Also nutze ich die Zeit um meinen Koffer auszupacken und mich von der Reise auszuruhen. Ich schmiss mich in bequemen Klamotten auf das Sofa und schlief sogar ein.
Ich wurde von Pi's Stimme geweckt, als er nach Hause kam.
„Ally? Bist du da?", ich rappelte mich auf und fuhr mir mit der Hand durch's Gesicht. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich fast 2 Stunden geschlafen hatte!

Pi kam ins Wohnzimmer und sah mich, völlig verdutzt, auf dem Sofa sitzen. „Oh sorry, ich wollte dich nicht wecken.", lachte er. „Schon okay.", gab ich zurück, stand auf und ging zu ihm. Ich schloss ihn in meine Arme und drückte ihn fest an mich.
„Und wie war die Fahrt?", fragte er. „Lang. Und bei dir?", fragte ich. „Lief ganz gut.".

„Also, jetzt erzähl mal. Wie war es? Was hat er gesagt? Darf ich es als positives Zeichen sehen, dass du es mir nicht am Telefon sagen wolltest?", Pi bombardierte mich regelrecht mit Fragen. Ich konnte ihn zumindest soweit überreden, erst einmal richtig anzukommen. Doch ihn davon zu überzeugen, seinen Kram auch auszupacken und wegzuräumen lehnte er ab. Er würde das später machen, sagte er.

Ich hatte Pi noch nichts von dem Gespräch mit John Harper erzählt, weil ich fand, dass ich es ihm lieber persönlich sagen sollte. Immerhin war das eine ziemlich große Sache und es einfach mal so in einem Telefonat zu verkünden fand ich persönlich echt mies.

„So, jetzt erzähl endlich!", drängelte er mich als er sich neben mich setzte. Ich kicherte.
„Also ich bin da hin und war mega nervös! Ich war dort kurz vorm umkippen! Aber als ich John dann kennengelernt habe, war die Angst plötzlich weg. Er war total nett und meinte, meine Bilder wären gut.", erzählte ich. Pi sah mich an, lächelte und hörte mir aufmerksam zu.
„Und dann hat er mir gesagt, warum ich dort hin eingeladen wurde...", fuhr ich fort. „Und?", fragte Pi aufgeregt.
„Er sucht eine Assistentin. Jemand, der sich in Fotografie auskennt und ihm wenn nötig zur Hand gehen kann. Und er dachte dabei an mich."

Pi's Augen wurde immer größer und auch sein Lächeln wurde immer breiter. Vor Freude zog er mich in eine fette Umarmung. „Das ist toll Ally! Ich bin stolz auf dich!", freute er sich.
„Es gibt da nur ein Problem...", sagte ich leise.
Pi sah mich mit einem fragenden Gesichtsausdruck an.
„Der Job ist in Berlin."

„Oh...", war alles, was er sagte.
Ich wusste nicht, wie ich mich fühlen sollte. Ich konnte nicht fassen das ich in dieser Situation gelandet bin.
„Wirst du es annehmen?", fragte er.

Natürlich wollte ich das. Was, wenn dies meine einzige Möglichkeit wäre, meinen Traum als Starfotografin zu erreichen? Ich würde es wahrscheinlich ein Leben lang bereuen, wenn ich ablehnen würde.
Aber einfach alles so aufzugeben, was ich mir hier aufgebaut habe? Meine Freunde, meine Familie und meinen Freund zurücklassen?
Wäre es mir das wert?

Klar, dass Risiko war groß, aber mal sollte doch mal was im Leben riskieren, oder?

„Ich weiß es nicht.", gab ich ehrlich zu. Ich hatte wirklich keine Ahnung.
„Aber das ist doch dein Traum, oder?", fragte Pi.
Ich dachte kurz darüber nach. Dann nickte ich.

„Dann will ich nicht derjenige sein, der dir im Weg steht.", sagte er. Mein Kopf schnellte hoch und ich sah ihn an.
„Was?"
Pi nahm meine Hand. „Hör zu, ich weiß wie viel dir dieser Job bedeutet. Und das könnte wirklich eine mega Chance für dich sein. Und es wäre unfair von mir von dir zu verlangen, dass du ablehnst. Immerhin lebe ich auch meinen Traum und du unterstützt mich dabei. Ich will nicht, dass es dir anders geht."

Ich lächelte etwas. Doch so wie er es sagte, kam auf einmal Zweifel auf...
„Und was wird dann aus uns?", fragte ich.
„Was soll mit uns sein?", gab er zurück.
„Naja, denkst du denn wir schaffen das? Du hier und ich da?", ich hatte Angst davor, was sich alles zwischen uns ändern würde. Es könnten auch positive Dinge bei herauskommen, doch leider auch viel negatives. Und ich wollte das nicht herausfinden.

„Klar, so 'ne Fernbeziehung wird schwer werden, aber sind wir mal ehrlich. Wir haben schon so einige schlimmere Krisen überstanden!"
Daraufhin musste ich lachen. Ganz unrecht hatte er ja nicht.

„Wir schaffen das schon.", sagte er leise und sah mich mit einem warmen Blick an.
Ich nickte leicht. Daraufhin zog er mich zu sich und ich kuschelte mich an ihn.
Es gab noch so viele Dinge, die besprochen werden müssen, doch jetzt wollte ich einfach hier liegen, seine Wärme spüren und einfach nichts weiter sagen.

So lagen wir also auf dem Sofa und Pi erzählte mir von seinem Wochenende. Und irgendwann döste ich weg.
Am nächsten Morgen wachte ich auf und musste mich erst einmal orientieren, wo ich war. Ich lag immer noch auf dem Sofa. Und Pi? Der lag schlafend neben mir.
Dieser Anblick sah richtig niedlich aus und ich musste lächeln.

Ich dachte an seine Worte von gestern Abend. Für ihn war es okay, dass ich nach Berlin gehen würde. Er unterstütze mich zu 100% bei dieser Sache.
Ich wusste das der Weg erst einmal schwer werden würde. Waren wir bereit für eine Fernbeziehung? Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr freundete ich mich mit dem Gedanken an.

Ich liebe ihn und er liebt mich. Stark genug, um diese Distanz, die zwischen uns entstehen würde zu überwinden.
Nach allem, was wir nun schon zusammen durchmachen mussten, war ich mir sicher: das könnte funktionieren. Wird würden das schaffen.

My NightingaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt