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Er war weg.

Diese Erkenntnis traf mich jedes Mal aufs Neue, sobald ich an ihn dachte. Ich hasste mich dafür, was ich ihm an den Kopf gehauen habe und das ich ihn weggeschickt hatte.

Ich habe darüber nachgedacht, ihn anzurufen. Ich wollte seine Stimme hören und die Sache klären. Doch ich wusste nicht ob er das überhaupt wollte. Also entschied ich mich dagegen. Ich wollte ihm nicht auf die Pelle rücken, so schwer es auch war.

Heute war Montag und ich stand in der Küche und trank einen Kaffee. Ich hatte die letzten zwei Nächte kein Auge zugemacht. Und ich hatte auch keinen Appetit. Ich zwang mich zumindest, eine Banane zu essen, um irgendetwas im Magen zu haben, bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit machte.
Je näher ich kam, desto schlechter wurde mir. Es war das erste Mal seit der Veranstaltung vor 3 Tagen, an dem ich Mr. Harper sehen würde. Ich wusste nicht, was mich erwarten würde, aber ich musste mich einfach entschuldigen. Sofort kam mir Pi wieder in den Sinn. Wegen ihm stecke ich ja erst in diesem Schlamassel...

Ich ging zu Mr. Harpers Büro und klopfte an. Als ich ein leises „Herein" hörte atmete ich tief durch und öffnete die Tür.
„Alyssa.", sagte er. „Was kann ich für Sie tun?", fragte er. Ich nahm auf dem Stuhl ihm gegenüber Platz.
„Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen. Für die Sache bei Ihrem Event...", sagte ich leise und versuche ihn dabei anzusehen, auch wenn ich mich so sehr schämte. Er blieb still.
„Sie haben da einen ziemlich aufgeweckten jungen Mann zum Freund.", sagte er.

Ich dachte an Pi und die Beschreibung meines Chefs. Ganz unrecht hatte er ja nicht. Pi konnte wirklich ziemlich aufgeweckt sein. Sofort erinnerte ich mich an Momente, in denen er mich mit seinem durchgeknalltem Charakter zum Lachen gebracht hat. „Ja...", sagte ich und musste sogar kurz lächeln. Doch das verschwand sofort, als ich an den Streit dachte. „...kann man so sagen."

Ich sah zu Mr. Harper und tief in meinem Inneren rechnete ich schon mit einer Kündigung.
„Also trotz dieses...Vorfalls...hat es meinen Gästen sehr gut gefallen. Man kann also von einem gelungenen Abend sprechen.". Mein Blick schnellte zu ihm. „Wirklich?", fragte ich etwas überrascht.
„Ja."
Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, doch ich war schon stolz auf mich. Immerhin hab ich das meiste ganz allein auf die Beine gestellt. Und sowas zu hören, tat richtig gut.

„Gut, gehen Sie nun wieder an die Arbeit.", sagte er. Ich stand auf und ging zur Tür. „Ach und Alyssa?", ich drehte mich herum. „Stellen Sie mich nie wieder so bloß.", sagte er mit scharfem Unterton. Ich nickte. Ich wusste, dass das nicht mehr passieren würde.

Zwei Tage später ging ich meiner gewöhnlichen Tätigkeit nach. Ich versuchte, so normal wie möglich zu leben. Die Arbeit tat mir gut. Sie lenkte mich von meinen privaten Problemen ab. Auch, wenn Fabio nicht bei mir war, versuchte ich, mich abzulenken und mir so viele Aufgaben wie möglich zu suchen.
Zwischen mir und Pi herrschte immer noch Funkstille. Und das war echt furchtbar für mich. Es tat weh ihn nicht sehen zu können oder seine Stimme zu hören...
Inzwischen hatte auch Class mitbekommen, was los war und sich bei mir gemeldet. Ich wusste, er würde für mich da sein, keine Frage. Doch irgendwie fiel es mir dieses Mal schwer mit ihm darüber zu reden. Vielleicht hat auch Pi sich bei ihm gemeldet und ihm erzählt wie dreckig es ihm ging...
Und wenn es ihm nicht so geht? Was, wenn er glücklich ist, mich los zu sein?

Ich schob den Gedanken beiseite und kam zurück in die Realität. Ich schnappte mir die Akte, die vor mir lag und wollte sie zu Mr. Harper ins Büro bringen. Ich klopfte an die Tür, dich niemand antwortete. Ich öffnete die Tür und schaute hinein. Niemand war da. Ich beschloss, die Akte einfach auf seinen Schreibtisch zu legen.
Doch meine Augen blieben an einem der Bilder an den Wänden hängen. Ich hatte es schon so oft gesehen und doch faszinierte es mich immer wieder aufs Neue. Doch gerade deswegen kam mein inneres Trampeltier aus mir heraus und ich stolperte über die Teppichkante, was dazu führte, dass die losen Blätter in dem Order, den ich in der Hand hielt, auf den Boden verteilt wurden.

My NightingaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt