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Heute war Montag, das bedeutete, Woche des Tourauftakts. Und je näher es nun rückte, desto nervöser wurden alle. Auch wenn sie das schon so oft hinter sich hatten, es war immer so. Eigentlich sollten es die Jungs schon gewohnt sein...naja, zumindest fast alle.
Es war ja Pi's erste Tour mit Lord Of The Lost und er war ziemlich aufgeregt, auch wenn er versuchte, das immer zu überspielen.

Wo wir gerade von ihm sprechen, mit Pi habe ich in den letzten 3 Tagen nicht viel zu tun gehabt. Nicht, dass ich ihn ignorieren würde, aber etwas hat sich verändert. Seit dieser Sache im Bad ist es komisch zwischen uns...zumindest spürt man diese gewisse Spannung zwischen uns, wenn wir aufeinander treffen.

Ich dachte viel an diesen Abend. Ich dachte viel über seine Worte nach. Darüber, dass ich seinen Kuss beinahe zugelassen hätte. Und je länger ich darüber nachdachte stellte ich mir eine Frage: Warum hab ich es nicht zugelassen?

Es war nicht nur dieser Abend. Ich dachte oft an diese kleinen Dinge, die er machte. Wie er mir damals diesen Muffin mit dem Smiley Gesicht mitgebracht hat um mich aufzumuntern. Wie er mich in seinem Bett hat schlafen lassen und selbst die Couch bezogen hatte. Wie er mir wie ein Gentleman immer die Tür aufhielt. Wie sich immer ein Lächeln auf seinem Gesicht bildete, wenn ich das Zimmer betrat. Wie...hör auf Ally!

Ich schlug mir innerlich gegen den Kopf. Ich hasste es, es zugeben zu müssen. Ja, Pi war immer in meinen Gedanken. Ich dachte mehr an ihn, als mir eigentlich lieb wäre. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich keinerlei Gefühle für ihn hätte. Denn so war es nicht. Ich war happy, wenn ich ihn sah und traurig, wenn er nicht da war. Ich hatte dieses Kribbeln im Bauch, wenn er mit mir redete.

Ja, ich hatte mich wohl ein bisschen in Pi verknallt...
Vielleicht war auch das der Grund, warum ich ihm etwas aus dem Weg ging...

Ich war gerade zu Hause räumte ein bisschen auf. Die Wohnung sah ziemlich unordentlich aus. Als ich damit so einigermaßen fertig war, ließ ich mich aufs Sofa fallen. Eine Sache wollte ich vor der Tour noch erledigt haben. Der letzte Schritt um mit meiner gescheiterten Beziehung abzuschließen.

Ich dachte gar nicht weiter drüber nach, schnappte mir meine Schlüssel und fuhr zu Noahs Wohnung. Ich hatte immer noch nicht alle meine Sachen dort abgeholt und ich fand, es war nun wirklich an der Zeit.

Ich war seit der Nacht unserer Trennung nicht mehr hier, dachte ich, als ich vor der Tür stand. Ich schloss auf und schaute hinein. Ich hörte nichts, er schien wohl nicht da zu sein. Und so war es auch. Alle Zimmer waren leer. Diese Wohnung kam mir so fremd vor. Und sie sah auch anders aus. Überall lagen Klamotten herum und das dreckige Geschirr stapelte sich in jeden Zimmer. Doch ich verlor keine Zeit. Wenn ich Glück hatte war ich bereits weg, bis er nach Hause kam. Ich fing also an mir alles zusammenzusuchen. Meine restlichen Klamotten, wichtige Dokumente und einfach noch das, was mir gehörte. Ich stopfte alles in diverse Taschen und stapelte diese im Flur.

Doch dann hörte ich die Wohnungstür aufgehen. „Ally?", hörte ich ihn sagen. Ich ließ mich nicht abbringen und packte weiter. Er kam ins Wohnzimmer, wo ich gerade war. „Was machst du hier?", fragte er. „Wonach sieht es denn aus?!", gab ich zurück, ohne ihn anzusehen. Ich packte gerade ein paar Bücher in eine Kiste. „Ich packe meine Sachen. Ich will endlich hier weg und das hinter mir lassen.", fügte ich hinzu und drehte mich um.

Erst jetzt sah ich ihn an und erschrak kurz. Sein Gesicht war angeschwollen und er hatte ein blaues Auge. Er hatte sich mal wieder geprügelt. Ich war nicht sonderlich überrascht darüber. Als ich ihn kennenlernte hat er sich alle 2 Tage mit irgendjemandem geprügelt. Und jetzt da ich weg war ging es wieder los.
Doch trotzdem fragte ich: „Was hast du denn gemacht?".

„Ich? Ist das dein Ernst?! Frag doch mal deinen Schoßhund!", fuhr er mich an. Ich zog die Augenbrauen zusammen. Wovon redete er?
„Was meinst du?", fragte ich.
„Ach komm schon! Als wüsstest du das nicht!", lacht er und schüttelte den Kopf. Ich verstand nur Bahnhof. „Nein, dass weiß ich nicht, also raus mit der Sprache!", langsam brachte er mich echt an meine Grenze.
„Dann hat der kleine Gitarrist wohl nichts erzählt?"

Moment mal! „Pi...?", fragte ich verwundert.
Noah's Gesicht verfinsterte sich. „Dieser Wichser kam letzte Woche in der Bar auf mich zu, hat mir eine in die Fresse gehauen und gesagt, ich soll mich von dir fern halten!"

Was? Letzte Woche? Wann hat er denn...und dann traf es mich wie ein Blitzschlag. Es war also an diesem Abend.
Er hat mir gesagt, er hätte sich beim Training verletzt und ich hab es ihm abgekauft. Und wenn er wirklich Noah geschlagen hat?
Ich verstand nichts mehr!

„Pack deinen Kram und verschwinde einfach.", sagte Noah, drehte sich um und verließ mit krachender Tür die Wohnung.
Ich beeilte mich und räumte alles ins Auto.
Jetzt gab es eine Menge zu klären.

Ich musste mit Pi reden. Ich musste wissen, ob es wahr war. Ich fuhr zum Studio, da verbrachte er viel seine Zeit. Je länger die Fahrt dauerte, desto wütender wurde ich. Wieso machte er sowas?! Konnte er sich nicht einfach aus meinen Angelegenheiten heraushalten?

Ich parkte vorm Studio und stürmte hinein. Da kam mir Gared entgegen. „Wo ist Pi?", fragte ich. „Ähm...der ist nach Hause. Ist alles okay?", fragte er und sah mich verwundert an. „Ja, ich muss nur mal dringend mit ihm reden.", ich versuchte möglichst normal zu klingen und nicht zu explodieren. „Danke Gared.", also ging ich wieder und ließ meinen Freund stehen.

Ich fuhr also gleich nach Hause. Oben in der Wohnung stürmte ich in den Flur. „Pi!", rief ich durch die ganze Wohnung. Im Wohnzimmer wurde ich dann fündig. Er saß auf dem Sofa und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Du hast Noah geschlagen?! Sag mal, tickst du nicht mehr ganz richtig?!", fuhr ich ihn an. „Er hat es verdient.", sagte er in einem normalen Ton und sah auf seine Hand, die inzwischen nicht mehr verbunden war. Die Schwellung war verschwunden und man sah nur noch einzelne rote Stellen.

„Ach, dann ist es also wahr? Dann hast du dich also gar nicht beim Training verletzt?", ich deute auf die Hand. Er stand auf und sagte: „Was ist denn groß dabei?". Will der mich verarschen?! „Was groß dabei ist? Wieso kannst du dich nicht einfach aus meinem Beziehungszeug raushalten? Und überhaupt, du hast nicht zu entscheiden, wer sich von mir fern halten soll und wer nicht!"

Natürlich wollte ich, dass sich Noah von mir fern hielt, aber es ging hier ums Prinzip!

„Was willst du dann machen? Mir nur noch mehr aus dem Weg gehen?".
Damit hatte ich nicht gerechnet, das muss ich zugeben. Und diesem Moment fiel mir auch nichts ein, was ich darauf zurückgeben könnte.
„Denkst du echt, ich bin so blöd? Du ignorierst mich, das sieht doch jeder Blinde! Du sagtest wir sollen so tun, als wäre an dem Abend nichts passiert. Doch so wie es aussieht fällt es dir wohl schwerer als mir.", er grinste und kam langsam auf mich zu.

Ich wich einen Schritt zurück. Und noch einen. Und noch einen weiteren.
„Du verhältst dich seit dieser Sache anders mir gegenüber, was in mir den Gedanken weckt, dass du vielleicht doch nicht aufhören kannst darüber zu nachzudenken. Denn weißt du, ich denke viel daran."

Als er die Worte ausgesprochen hatte stieß mein Rücken gegen die Wand. Scheiße. Und hat er gerade gesagt, dass er auch viel daran denkt?
Er kam immer näher.

„Bilde dir nur nichts darauf ein.", sagte ich und klang ziemlich kleinlaut...toll gemacht Ally!
„Sag, dass ich aufhören soll und ich tu's.", er stand nun genau vor mir und starrte mit seinen grünen Augen auf mich hinunter.
Er lehnte sich zu mir hinunter.
Und dann berührten seine Lippen meine!

Sofort berührten seine Hände meine Hüfte und ich nahm sein Gesicht in meine. Tausende Feuerwerke explodierten in meinem Bauch und mein Körper fing an zu kribbeln.

Doch dann hörte ich sie, die Stimmen, die mir sagten, dass es falsch war.
Er war doch der Bandkollege meines Bruders. Sein Mitbewohner und sein bester Freund.

Ich unterbrach den Kuss. Wir beide waren richtig außer Atem.
Es war falsch. Es war falsch. Es war...
Ich sah ihn an. Er sah mich traurig an. Ob er das gleiche dachte?
Und als ich ihn so ansah konnte ich nicht anders. Ich wollte in diesem Moment nicht an Richtig oder Falsch denken. Ich wollte seine pinken Lippen auf meinen spüren, ich wollte seine Hände auf meinem Körper spüren, ich wollte ihn.

Also zog ich ihn wieder an mich und küsste ihn wieder. Er zögerte nicht und erwiderte den Kuss. Diesmal war alles viel intensiver. Er drückte mich gegen die Wand. Seine Lippen waren weich und warm.

Ich hätte nicht gedacht, dass wir mal hier landen würden, aber da sind wir nun. Und ich fand es schön. Ich schaltete komplett ab, vergaß alles um mich herum und gab mich vollkommen diesem Mann hin...

My NightingaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt