21.

170 10 0
                                    

Die erste Show in Glasgow war ein voller Erfolg! Ich hätte nie gedacht das so viele Leute kommen würden! Immerhin waren wir nicht mal zu Hause in Deutschland und man kannte die Jungs hier nicht so, wie bei uns. Doch wir wurden schließlich eines besseren belehrt. Auch die zweite Show in Newcastle, einfach nur wow.

Heute waren wir in Manchester angekommen. Ich war hier zwar schon einmal, aber immer wieder zog mich die Stadt in ihren Bann. Die alten Häuser sahen wunderschön aus, die Menschen waren so freundlich und ich mochte einfach das Gefühl, dass ich hatte, wenn ich hier durch die Straßen ging. Es war einfach eine kleine Ablenkung von meinem ziemlich verwirrenden Leben zur Zeit.
Und das Beste daran war, wir würden sogar gleich zwei Tage hier verbringen! Die Show fand erst morgen Abend statt, also hatten wir genug Zeit um die Stadt zu erkunden.
Class vermied immer noch jeden möglichen Kontakt zu mir. Wenn ich ins Zimmer kam ging er. Wenn er zufällig sah, dass Pi und ich zusammen waren, konnte ich sehen, wie sauer ihn das machte. Selbst wenn jemand anders versuchte, ihn auf das Thema anzusprechen, lehnte er ab und ging einfach. Man kam einfach nicht an ihn ran.

Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalten konnte! So konnte es doch nicht weitergehen. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich mit jedem Tag der verging, immer mehr zurückzog. Ich war zur Zeit einfach nicht mehr ich selbst. Ich war nicht mehr wirklich fröhlich. Das schienen viele um mich herum bemerkt zu haben, doch sie verstanden mich und meine...Situation. Wahrscheinlich ließen sie mich deshalb auch alle in Ruhe, worüber ich eigentlich ganz froh war. Der Einzige, der irgendwie an mich herankam, war Pi. Er wollte mich nicht so traurig sehen und tat alles mögliche, um mich aufzumuntern. Doch selbst das klappte nicht immer. Ich war wirklich an einem Tiefpunkt angelangt und ich hatte keine Ahnung, wie ich da wieder herauskam.

Wir übernachteten in einem kleinen Hotel, was nicht gerade 5-Sterne-Potential hatte, doch für die kurze Zeit war es ausreichend.
Die meisten wollten heute Abend in einen Pub an der Ecke gehen. Ich jedoch hatte keine Lust und blieb im Hotel. "Sag Bescheid, wenn du was brauchst und komme wieder her.", sagte Pi bevor er ging.
Vielleicht tat mir ein Abend allein auch mal gut.

Und während ich hier so im Bett lag, fing ich wieder an zu grübeln. Ich verlor mich wieder in meinen Gedanken und musste ausnahmsweise mal nicht in Tränen ausbrechen. Ich musste mit Class reden. Jetzt.

Ich ging zu seinem Zimmer und hoffte, er würde aufmachen. Ich klopfte und tatsächlich, nach ein paar Sekunden öffnete sich die Tür. Als Class mich sah versteinerte sich seine Miene. „Können wir reden? Bitte?", sagte ich leise. Ich hatte schon erwartet, dass er mir die Tür gleich wieder vor der Nase zuschlägt, doch nach einem leisen Stöhnen trat er einen Schritt zur Seite, sodass ich reinkommen konnte.
„Also, was willst du?", er verschränkte die Arme vor der Brust.
„Class, wir müssen das klären...", sagte ich und schaute ihn hoffnungsvoll an.

„Na dann, leg mal los!", sagte er kurz. „Es tut mir leid, okay? Es war nicht meine Absicht dir das anzutun!", sagte ich. „Ich...wir..."
„Bitte erspar mir alle Details von euch beiden! Ich will nicht wissen, was ihr alles gemacht habt!", unterbrach er mich.
Diese Aussage machte mich wütend. „Was ist dein Problem? Gönnst du mir mein Glück nicht?!", erhob ich die Stimme. Wie konnte er nur sowas sagen?

„Das ist hier nicht der Punkt Ally!", nun wurde auch er lauter. „Der Punkt ist, dass du mich wochenlang hintergangen und angelogen hast!"
„Ich wollte es dir doch sagen! Warum verstehst du das nicht?", sagte ich. Er schüttelte den Kopf. „Das Einzige, was ich nicht verstehe ist, was aus uns geworden ist. Wir waren mal ein Team, weißt du noch? Wir haben uns mal alles erzählt...und dann fängst du was mit meinem besten Freund an...", seine Stimme war leise. Eine wirklich unangenehme Stille füllte den Raum.

„Okay.", war alles was ich sagte. Hier würden wir nicht weiterkommen. Zumindest nicht so. Wortlos ging ich an ihm vorbei und schlug die Tür hinter mir zu.

Am nächsten Morgen gingen wir zur Konzerthalle und die Crew war schon dabei alles aufzubauen.
Ich hatte letzte Nacht kaum geschlafen. Als ich wieder zurück in meinem Zimmer war schrieb ich Pi. Er kam sofort zu mir und ich erzählte ihm, was passiert war. Währenddessen fing ich wieder an mit weinen.

Ja, und nun waren wir hier. Ich ging gedankenverloren durch die Gänge des Gebäudes. Ich sah mich etwas um, doch war einfach nicht richtig bei der Sache. Der Stress mit Class hat mein Leben übernommen. Ich kann an nichts anderes mehr denken...

„Lass mich in Ruhe, okay?", hörte ich jemanden rufen. Diese Stimme kannte ich zu gut. Es kam aus dem Zimmer, was am Ende des Ganges lag. Die Tür war angelehnt und nicht vollkommen geschlossen. „Alles was sie will ist, dass du ihr vergibst. Sie ist völlig fertig.", das war Pi. Ich stockte und blieb wie angewurzelt stehen. Pi und Class in einem Raum?
„Hat sie dich geschickt um mir das zu sagen?", fragte Class.
„Was? Nein! Willst du mich verarschen?! Das sieht man doch, wie scheiße es Ally geht! Hör auf dich wie ein Arschloch zu benehmen!"
Daraufhin wurde Class lauter. „Hör mal zu, nur wegen dir haben wir doch alle diesen Stress! Ally und ich haben uns immer alles erzählt, bis du aufgetaucht bist und alles kaputt gemacht hast!"
„Denkst du, das hab ich mit Absicht gemacht? Ich wollte nie einen Keil zwischen euch treiben.", sagte Pi ganz ruhig. Es herrschte kurz Stille.

Inzwischen merkte ich, wie mir die Tränen über die Wange liefen. Ich konnte hier nicht bleiben. Meine Beine fühlten sich schwer an, doch trotzdem schaffte ich es zu verschwinden.
Ich hörte noch, wie Class etwas sagte, doch ich konnte nicht verstehen, was.
Ich ging nach draußen, wo mich die kalte Luft wie ein Schlag ins Gesicht traf. Ich atmete ein paar Mal tief ein und aus. Ich schlang meine Arme um mich, da es kälter war als erwartet. Ich sah eine Bank ganz hinten in der Ecke Hinterhofs. Sie war kaum zu sehen, weshalb es ein guter Platz war um mich zurückzuziehen und mich zu beruhigen.

Ich hatte keine Ahnung wie lange ich da so saß. Eine halbe Stunde? Eine ganze Stunde? Vielleicht sogar noch länger? Inzwischen waren meine Tränen getrocknet und ich war wieder etwas ruhiger als zuvor.

Je länger ich so hier saß, desto mehr dachte ich nach. So konnte es nicht weitergehen. Dieses ganze Hin und Her zwischen uns allen. Das machte uns alle kaputt. Und schließlich kam ich zu einer Entscheidung...

My NightingaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt