28.

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So langsam wurde es ernst. Nik stand schon vorn am Altar und wartete auf seine Braut. Er sah wirklich gut aus! Man merkte ihm an, wie nervös er war. Doch gleichzeitig hatte er das größte Grinsen im Gesicht, dass ich je bei ihm gesehen habe.
Class, Chris, Gared und auch Pi standen als Nik's Trauzeugen neben ihm. Das war wirklich ein schönes Bild.

Kira und ich nahmen unsere Plätze ein und warteten darauf, dass es losging. Als dann der berühmte Hochzeitsmarsch angespielt wurde drehten sich alle um und sahen, wie Claudia den zum Altar schritt. Sie war wirklich eine wunderschöne Braut. Sie trug ein bodenlanges, weißes Kleid. Ihre Haare waren top gestylt und der Schleier fiel an ihrem Rücken hinunter.

Als sie schließlich neben Nik stand nahm sie seine Hand und der Pastor begann die Trauung.
Dann begannen die beiden ihre Ehegelübde zusprechen. Claudia begann. Ihre Worte waren so wunderschön, dass es mir fast die Tränen in die Augen trieb. Sie sprach über Nik's unglaublichen Charakter und für ein toller Vater er war.
Dann war Nik an der Reihe.

„Also, als wir uns begegnet sind hätte ich nicht gedacht, dass wir mal hier stehen würden. Doch jetzt, da es soweit ist, kann ich mein Glück kaum fassen. Mit dir will ich mein Leben verbringen und würde es für nichts in Welt eintauschen. Du bist eine starke, wunderschöne Frau, eine grandiose Mutter und einer des liebenswertesten Menschen, die ich kenne."

Ich sah zu Pi, der den Kopf gesenkt hielt.
Ich konnte nicht aufhören ihn anzusehen. Er sah wie immer perfekt aus.
Nur diesen traurigen Gesichtsausdruck zu sehen, machte mich fertig. Ich überlegte, ob es ihm vielleicht genauso schwerfiel, mich wiederzusehen.
Nein, sonst hätte er nicht diese Frau mit her gebracht.
Ich wünschte, meine innere Stimme würde einfach mal ihre Klappe halten!

„Ich weiß, wir sind nicht perfekt, und unsere Beziehung war es auch manchmal nicht, aber wir haben jede Krise überwunden."

Hatte Nik recht? Kann man wirklich jede Krise überwinden? Ob es für Pi und mich noch eine Chance gab? Oder hatte er inzwischen mit uns abgeschlossen? Ich wünschte ich hätte eine Antwort darauf, egal ob sie nun positiv oder negativ war.

„Ich weiß noch, der Tag an dem wir uns kennenlernten. Ich war mit Freunden unterwegs und du mit deinen Mädels. Ich hab mir ewig überlegt wie ich dich hätte ansprechen können, doch du bist mir schließlich zuvor gekommen."

Bei unserer ersten Begegnung hat Pi mit meinen Kaffee über das T-Shirt gekippt. Ich hab ihn damals voll gepöbelt und konnte nicht fassen, dass ausgerechnet er der neue Gitarrist der Band war.
Ich lächelte kurz als ich daran dachte. Es fühlte sich schon fast wie eine halbe Ewigkeit an, dabei waren es gerade mal ein paar Monate!

„Wir haben uns auf Anhieb super verstanden und nach einer langen Freundschaft wurde schließlich mehr. Wir haben uns kennen und lieben gelernt. Du weißt mehr von mir, als manch anderer."

Pi war für mich da, als ich aufs übelste betrogen wurde und mich allein und verlassen gefühlt habe. Er hat mir wieder ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.
Ich verliebte mich schneller in ihn, als ich geahnt hatte. So sehr ich auch anfangs gegen die Gefühle angekämpft habe, ein Lächeln von ihm und ich war verloren. Ich verlor mich in diesem Mann und wusste, das es mich echt erwischt hatte.

„Du hast mein Leben verändert, ohne es versucht zu haben. Ich bin dankbar, jetzt hier stehen zu dürfen."

Jedes Gespräch, jedes Lachen und jede Berührung war einzigartig. Mit jedem Moment, den wir gemeinsam hatten, veränderte ich mich ein Stück.
Ich entdeckte Seiten an mir, die ich mit Noah nie hatte und fand immer mehr heraus, wie ich wirklich bin.
Und er akzeptierte es. Jede Meinung und jede meiner Macken.
Er hörte sich bis spät in die Nacht meine Wünsche und Träume an, von denen ich vorher niemals jemandem erzählt habe.
Er brauchte nicht mal etwas zu sagen, ich wollte einfach, dass er da ist. Und das war er. Immer.

Ich sah noch einmal zu Pi und sah, dass er mich bereits die ganze Zeit angeschaut hatte. Ich konnte seinen Blick nicht deuten.
Irgendwie konnten wir immer gleich sagen, wie es dem anderen ging. Doch jetzt gerade wusste ich es nicht. Es war, als wäre diese Verbindung zwischen uns unterbrochen.
Ich fühlte mich irgendwie so leer...

„Ich liebe dich und verspreche dir, dich immer zu lieben und jeden Tag für dich da zu sein."

Nik's Worte gingen mir sehr nahe. Ich spürte die Tränen in meinen Augen. Man könnte meinen, dass ich wegen dieser Ansprache weinte. Doch das war es leider nicht. Ich dachte die ganze Zeit an das, was ich verloren hatte. Oder besser gesagt, wen ich verloren hatte.
Kira schien meine Traurigkeit zu bemerken und drückte kurz meine Hand.

Als Nik und Claudia mit dem typischen „Ja, ich will" und einem Kuss ihre Ehe begannen, fingen alle an zu klatschen.
Etwas später löste sich langsam die Zeremonie auf. Die Leute vermischten sich wieder und jeder begann, über diese wirklich wunderschöne Trauung zu sprechen.
Ich war etwas abseits des ganzen, um mich wieder etwas zu beruhigen.

„Ally?", hörte ich hinter mir. Ich drehte mich um. Pi vor mir stehen zu sehen brachte mein Herz dazu, einen kurzen Moment auszusetzen, doch gleichzeitig verdrehte es mir den Magen.
Hier war also der Moment, vor dem ich Angst hatte.
„Hey.", sagte ich leise und lächelte leicht. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich hatte ja keine Ahnung, wie er sich gerade fühlte.
„Du siehst...wunderschön aus.", es lag auf der Hand, dass er nervös war. Er wippte von einen Fuß auf den anderen und vermied auch irgendwie den Blickkontakt mit mir. Ich nickte. „Danke, du auch.", gab ich zurück. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Stille zwischen uns jemals so angespannt gewesen ist.

„Wie geht's dir?", wollte er wissen.
„Gut.", gab ich knapp zurück. Natürlich war das gelogen. Es ging mir nicht gut.
Pi quälte sich regelrecht ein Lächeln ab. „Okay."

Wieso musste das alles hier so scheiße schwer sein? Was ist aus uns geworden?

Ich konnte es nicht. Ich konnte nicht so tun, als wäre das hier normal. Ich hatte mir jedes mögliche Szenario unseres ersten Treffens mehrere Male durch denk Kopf gehen lassen, doch jetzt war alles anders ans gedacht.
Ich spürte wie der Schmerz und meine Schuldgefühle immer stärker wurden und ich kurz wieder davor war zu brechen.

„Na gut, man sieht sich später.", sagte ich und ging mit gesenkten Kopf an ihm vorbei. Je mehr ich mich von ihm entfernte, desto mehr schmerzte es.

Ich konnte nicht in seiner Nähe sein, doch wollte auch nicht von ihm getrennt sein...

My NightingaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt